Beschluss vom 18.03.2004 -
BVerwG 7 B 57.03ECLI:DE:BVerwG:2004:180304B7B57.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.03.2004 - 7 B 57.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:180304B7B57.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 57.03

  • VG Dresden - 28.01.2003 - AZ: VG 13 K 1391/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 102 258 € festgesetzt.

Die Klägerin begehrt die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks, das der staatliche Verwalter an die Beigeladenen veräußert hatte. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die Beigeladenen das Eigentum an dem Grundstück redlich erworben hätten. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf den gerügten Verfahrensfehlern (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Das angefochtene Urteil verletzt nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör, beruht jedenfalls nicht auf einer solchen Verletzung.
a) Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, das Verwaltungsgericht habe sich für sie überraschend auf die Annahme gestützt, der staatliche Verwalter des streitigen Grundstücks sei nach der "Verordnung über die Rechte und Pflichten des Verwalters des Vermögens von Eigentümern, die die Deutsche Demokratische Republik ungesetzlich verlassen haben, gegenüber Gläubigern in der Deutschen Demokratischen Republik" (Verwalter-Verordnung) vom 11. Dezember 1968 (GBl II 1969, 1) deshalb befugt gewesen das Grundstück zu veräußern, weil das in der DDR zurückgebliebene Gesamtvermögen der Klägerin einen negativen Saldo aufgewiesen habe. Weil eine Befugnis des staatlichen Verwalters zur Veräußerung des Grundstücks wegen einer Überschuldung des gesamten Vermögens bis dahin von den Beteiligten nicht erörtert worden sei, habe das Verwaltungsgericht sie durch diese überraschende Wende davon abgehalten, zu der Schlussbilanz vom 30. November 1971 Stellung zu nehmen, die das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang verwertet habe.
Nach § 1 Abs. 2 der Verwalter-Verordnung durfte der staatliche Verwalter einen Vermögenswert verkaufen, wenn die zu befriedigenden Forderungen dem Wert der Vermögenswerte gleichkamen oder ihn überstiegen, oder wenn die Befriedigung der Forderungen auf andere Weise nicht möglich war. Die letztgenannte Alternative kann gerade dann erfüllt sein, wenn das Grundstück selbst nicht überschuldet war, die Vermögenslage des Eigentümers im Übrigen aber eine Veräußerung des Grundstücks zur Befriedigung offener Forderungen erforderte (vgl. etwa Urteil vom 27. Juni 2001 - BVerwG 8 C 26.00 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 13). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 3. März 1999 - BVerwG 7 B 5.99 -, mit dem es die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen hat, gerade auch auf diese Alternative der Verwalter-Verordnung hingewiesen und beanstandet, dass das Verwaltungsgericht eine vollständige Auswertung der noch vorhandenen Unterlagen über die frühere staatliche Verwaltung bisher unterlassen hatte. Danach musste die Klägerin damit rechnen, das Verwaltungsgericht werde eine Befugnis des staatlichen Verwalters zur Veräußerung des Grundstücks auch unter dem Gesichtspunkt der zweiten Alternative des § 1 Abs. 2 der Verwalter-Verordnung erörtern; zu den dafür auszuwertenden Unterlagen gehörte auch die bei den Akten befindliche Schlussbilanz vom 30. November 1971.
b) Das Verwaltungsgericht hat sich jedenfalls nicht entscheidungstragend darauf gestützt, der Verkauf des Grundstücks sei nach der Verwalter-Verordnung zulässig gewesen und habe deshalb im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG in Einklang mit den seinerzeit geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis gestanden. Eine abschließende Wertung hat das Verwaltungsgericht insoweit gerade nicht vorgenommen ("spricht bereits manches dafür"). Das Verwaltungsgericht hat vielmehr entscheidend darauf abgestellt, dass die Beigeladenen annehmen durften, die Voraussetzungen für einen Verkauf durch den staatlichen Verwalter hätten vorgelegen. Das Verwaltungsgericht hat den Beigeladenen zugute gehalten, sie hätten aufgrund der Erklärungen des staatlichen Verwalters von einer Überschuldung schon des Vermögenswerts selbst ausgehen müssen. Dass aus der Sicht der Beigeladenen der staatliche Verwalter zur Veräußerung des Grundstücks befugt war, knüpft das Verwaltungsgericht nämlich in tatsächlicher Hinsicht an dessen Erklärung gegenüber den Beigeladenen aus dem Jahre 1973, die Beigeladenen müssten das Grundstück kaufen, weil die Mieten die Instandsetzungen nicht deckten. Insoweit geht das Verwaltungsgericht ferner davon aus, dieser Zustand habe sich aus der maßgeblichen Sicht der Beigeladenen bis zum Verkauf im Jahre 1979 nicht verbessert.
Zwar erörtert das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang sinngemäß auch, ob das in der DDR zurückgebliebene und staatlich verwaltete Vermögen im Übrigen notwendige Instandsetzungen gedeckt hätte. Sinngemäß nimmt das Verwaltungsgericht an, eine solche Möglichkeit habe für die Beigeladenen nicht nahe gelegen. Das Verwaltungsgericht stützt sich hierfür in erster Linie darauf, weil die staatlichen Organe sich rigoros abgeschottet hätten, habe für die Beigeladenen keine Möglichkeit bestanden, Kenntnis von der Vermögenslage der Voreigentümer zu erlangen, welche die DDR verlassen hatten. Lediglich hilfsweise stellt das Verwaltungsgericht darauf ab, selbst wenn den Beigeladenen die Vermögensaufstellung vom 30. November 1971 bekannt gewesen sei, hätte es für sie nahe gelegen, von einem negativen Saldo des Gesamtvermögens auszugehen.
2. Das Verwaltungsgericht hat nicht gegen seine Bindung an den zurückverweisenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 1999 verstoßen (§ 144 Abs. 6 VwGO). Die Klägerin meint, das Bundesverwaltungsgericht habe dem Verwaltungsgericht vorgegeben, die Frage zu klären, ob die Veräußerung des Vermögenswerts durch den staatlichen Verwalter wegen Überschuldung geboten gewesen sei.
Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts zwang das Verwaltungsgericht nicht, die Frage abschließend zu klären, ob die Veräußerung des Grundstücks aus wirtschaftlichen Gründen geboten war. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen, weil dieses seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts insoweit verletzt hatte, nämlich ohne ausreichende Ermittlungen, insbesondere ohne vollständige Auswertung der vorhandenen Unterlagen angenommen hatte, die Voraussetzungen einer Veräußerung des Grundstücks nach § 1 Abs. 2 der Verwalter-Verordnung hätten nicht vorgelegen. Dieser Verfahrensfehler lag schon deshalb vor, weil das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner eigenen damaligen Rechtsauffassung die vermissten weiteren Ermittlungen hätte anstellen müssen; denn das Verwaltungsgericht hatte in seinem aufgehobenen Urteil entscheidungstragend darauf abgestellt, die Veräußerung des Grundstücks habe gegen die Verwalter-Verordnung verstoßen und deshalb nicht im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG in Einklang mit den seinerzeit geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis gestanden. Das Verwaltungsgericht war bei seiner erneuten Entscheidung nicht mehr an den eigenen materiellrechtlichen Ausgangspunkt gebunden, den es in dem aufgehobenen Urteil vertreten hatte. Es durfte vielmehr entscheidungstragend darauf abstellen, dass die Beigeladenen von einer Befugnis des staatlichen Verwalters zur Veräußerung des Grundstücks ausgehen durften, weil sie die Vermögenslage der Klägerin nicht kennen und einen möglichen Verstoß gegen die Verwalter-Verordnung deshalb nicht erkennen konnten. Von diesem geänderten rechtlichen Ausgangspunkt aus kam es auf die weitere Aufklärung der Überschuldungsfrage nicht an. Dieser Wechsel des rechtlichen Ausgangspunkts verstößt nicht gegen die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO.
3. Das Verwaltungsgericht hat nicht seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 3 VwGO).
a) Die Klägerin rügt zum einen, das Verwaltungsgericht habe nicht aufgeklärt, ob die Beigeladenen die fehlende Befugnis des staatlichen Verwalters zur Veräußerung des Grundstücks gekannt hätten, insbesondere ob ihnen die fehlende Überschuldung bekannt gewesen sei. Insoweit zeigt die Klägerin aber nicht auf, welche weiteren Erkenntnismittel sich dem Verwaltungsgericht hätten aufdrängen müssen. Der Sache nach wendet sich die Klägerin hier wie auch im Weiteren nur gegen die Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht. Dadurch kann aber weder ein Aufklärungsmangel noch ein sonstiger Verfahrensmangel dargetan werden.
b) Die Klägerin rügt zum anderen, das Verwaltungsgericht habe ohne ausreichende Ermittlungen angenommen, ihr - der Klägerin - gesamtes in der DDR verbliebenes Vermögen habe einen negativen Saldo aufgewiesen. Wie bereits ausgeführt, hat das Verwaltungsgericht sich nicht entscheidungserheblich darauf gestützt, der staatliche Verwalter sei zur Veräußerung des Grundstücks deshalb befugt gewesen, weil das Vermögen der Klägerin insgesamt einen negativen Saldo aufgewiesen habe. Weitergehende Ermittlungen waren ausgehend von der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht erforderlich.
c) Die Klägerin rügt ferner, das Verwaltungsgericht habe nicht ohne weitere Ermittlungen, insbesondere nicht ohne Anhörung des Sachverständigen, aus dessen Gutachten zum Wert des Grundstücks folgern dürfen, die Mieten hätten die Kosten nicht gedeckt und das Grundstück sei überschuldet gewesen. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, der Sachverständige habe seinerzeit (1973) nur den zulässigen Kaufpreis für einen möglichen Verkauf des Grundstücks ermitteln sollen. Das Verwaltungsgericht hat das Gutachten aber auch nur in diesem Zusammenhang ausgewertet. Es hat gestützt auf das Gutachten angenommen, aus der Sicht der Beigeladenen habe der vereinbarte Kaufpreis den seinerzeitigen gesetzlichen Preisvorschriften entsprochen, mit der Folge, dass die Beigeladenen insoweit davon ausgehen durften, der Kaufvertrag habe im Sinne von § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG den geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis entsprochen. Dass das Gutachten zur Klärung dieser Frage kein geeignetes Erkenntnismittel war, macht die Klägerin selbst nicht geltend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.