Beschluss vom 18.04.2002 -
BVerwG 8 B 9.02ECLI:DE:BVerwG:2002:180402B8B9.02.0

Beschluss

BVerwG 8 B 9.02

  • VG Potsdam - 06.09.2001 - AZ: VG 1 K 4015/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. April 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. September 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 511 291,88 € (entspricht 1 000 000 DM) festgesetzt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); die ferner erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist mangels hinreichender Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) unzulässig.
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier unter allen geltend gemachten Gesichtspunkten.
a) Die zunächst aufgeworfene "Frage des verfahrensrechtlichen Verhältnisses der Vorschriften des straf- und verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsverfahrens einerseits und des Vermögensrechts andererseits" ist nicht klärungsbedürftig. Sie zielt auf die vom Verwaltungsgericht befürwortete Ablehnung eines vermögensrechtlichen Rückübertragungsanspruches nach § 1 Abs. 7 VermG, wenn und so lange - wie hier - eine strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsentscheidung zu Gunsten des Alteigentümers oder seiner Rechtsnachfolger nicht ergangen ist. Die Richtigkeit dieser dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Annahme ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz und bedarf deshalb keiner revisionsgerichtlichen Entscheidung. § 1 Abs. 7 VermG macht den Restitutionsanspruch nämlich von der "im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger straf-, ordnungsstraf- oder verwaltungsrechtlicher Entscheidungen" abhängig und setzt damit eindeutig die Existenz solcher Rehabilitierungsentscheidungen voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht § 1 Abs. 7 VermG damit von einem zweistufigen Verfahrensablauf aus; auf der ersten Stufe erfordert dieser Anspruch, dass die dafür nach anderen Vorschriften zuständige Stelle die durch rechtsstaatswidrige Entscheidungen herbeigeführte Vermögensentziehung aufgehoben hat, die Rückgabeberechtigung deshalb dem Grunde nach feststeht (vgl. Urteil vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 C 8.98 - VIZ 1999, 470 <471>; Beschluss vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 8 B 172.99 - RÜ BARoV 2000 Nr. 4, S. 11 ff.). Daraus folgt zugleich, dass das Vorliegen einer solchen Rehabilitierungsentscheidung Grundlage für einen Restitutionsanspruch nach § 1 Abs. 7 VermG ist (vgl. Beschluss vom 9. Juni 1999 - BVerwG 8 B 133.99 -). Aus dieser zweistufigen Verfahrensgestaltung erwächst dem Alteigentümer auch kein erheblicher Nachteil. § 30 a Abs. 1 Satz 3 VermG sieht für die Fälle des § 1 Abs. 7 VermG eine Frist von sechs Monaten ab Unanfechtbarkeit bzw. bei russischen Rehabilitierungen ab Zugang, spätestens nach Ablauf von acht Monaten ab Versendung der Rehabilitierungsentscheidung vor. Daraus ergibt sich, dass dem Kläger - der offenkundig noch keine Rehabilitierungsentscheidung erlangt hat - aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den von ihm geltend gemachten Anspruch aus § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG kein wesentlicher Nachteil entsteht. Soweit der Kläger zusätzlich auf die Aufhebung der Verfügungssperre gemäß § 3 Abs. 3 VermG verweist, hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der Verfügungssperre nach den rehabilitierungsrechtlichen Vorschriften (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4 VwRehaG) Bezug genommen.
b) Auch der Frage nach der "Bedeutung der konventionsrechtlichen Vorschriften der Haager Landkriegsordnung - HLKO - und des Protokolls zur Europäischen Kommission für Menschenrechte - EKMR -" (gemeint ist: die Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK -) für die Gültigkeit des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass der Restitutionsausschluss gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG weder gegen den Eigentumsschutz nach Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK noch gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK verstößt. Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 15. Februar 2002 - BVerwG 7 B 81.01 -) hat hierzu in einem Verfahren, in dem der Prozessbevollmächtigte zu 2 des Klägers beteiligt war, ausgeführt:
"Soweit das entsprechende Vorbringen der Beschwerde auf einen vermeintlichen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) zielt, beruht es auf der unzutreffenden Annahme, dass die in Rede stehende Enteignung nicht der Verantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnen sei. Soweit die Beschwerde mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK an eigentumsrechtliche Ansprüche anknüpft, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass diese Bestimmung keine Rückwirkung entfaltet und darum auf vor In-Kraft-Treten der EMRK und vor Ratifizierung des Protokolls durchgeführten Maßnahmen, durch die ein Eigentümer vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt wurde, keine Anwendung findet. Im Übrigen verkennt die Beschwerde, dass nach der Rechtsprechung der Konventionsorgane ein Eigentumsschutz bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen nur unter besonderen Voraussetzungen, nämlich insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Anspruch auf einer eigenen Leistung des Anspruchsberechtigten beruht (vgl. Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996, Art. 1 des 1. ZP, Rn. 10 ff.; Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschrechtskonvention, 1996, S. 29 ff.; jeweils m.w.N.); diese Voraussetzung ist bei vermögensrechtlichen Rückübertragungsansprüchen nicht erfüllt, da sie ausschließlich der Wiedergutmachung erlittenen Unrechts dienen, ihre Wurzeln damit im Rechts- und im Sozialstaatsprinzip haben und nicht unmittelbar auf einer eigenen Leistung der Berechtigten, sondern auf staatlicher Gewährung beruhen. Davon abgesehen vernachlässigt die Beschwerde, dass die Enteignung der Rechtsvorgänger der Kläger unter der Verantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht vorgenommen wurde, die Hoffnung auf den Fortbestand des früheren Eigentumsrechts oder auf eine Rückgabe der auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Vermögenswerte vor der Wiedervereinigung Deutschlands keine eigentumsrechtlich relevante "berechtigte Erwartung" war und der Restitutionsausschluss im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nach wie vor durch den Zweck gerechtfertigt ist, die Sowjetunion von einem Unrechtsvorwurf freizustellen."
Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der beschließende Senat zu Eigen. Sie stimmen überdies mit der Auffassung der Europäischen Kommission überein (vgl. EKMR, Beschluss vom 4. März 1996 - verb. Beschwerden 18890/91 u.a. - NJW 1996, 2291), die entschieden hat, dass die genannten konventionsrechtlichen Bestimmungen auf die zwischen 1945 und 1949 - also vor In-Kraft-Treten der EMRK und vor der Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland - von der sowjetischen Besatzungsmacht in ihrer Besatzungszone vorgenommenen Grundstücksenteignungen keine Anwendung finden, zumal - bei In-Kraft-Treten des Einigungsvertrages - weder "vorhandenes Eigentum" der Alteigentümer noch eine "berechtigte Hoffnung" auf Realisierung von darauf bezogenen Entschädigungsforderungen bestanden hätten.
Für Art. 46 der Haager Landkriegsordnung gilt nichts anderes (vgl. Beschluss vom 15. Februar 2002 - BVerwG 7 B 81.01 -). Auch dieser - unterstellte - Verstoß hätte keine durchsetzbaren und damit werthaltigen, vom Eigentumsschutz erfassten Rechtspositionen betroffen, in die durch § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG hätte eingegriffen werden können (vgl. EKMR, Beschluss vom 4. März 1996, a.a.O., S. 2292; BVerfGE 94, 12 <46 f.>).
c) Die abschließende Frage nach dem vermeintlich "ungeklärten Verhältnis von bewusster Abkehr vom Willen der Besatzungsmacht zum Enteignungsexzess" betrifft ausschließlich die tatrichterliche Würdigung des Sachverhalts im jeweiligen Einzelfall, ohne dass hierfür weitere abstrakte Kriterien entwickelt werden könnten. Nach der Rechtsprechung ist ein § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG unterzuordnender, die Zurechnung zur Besatzungsverantwortung nicht infrage stellender Enteignungsexzess nur dann anzunehmen, wenn die konkrete Vermögensentziehung jedenfalls generell noch vom Willen der Besatzungsmacht gedeckt war, also nicht gegen ein konkretes Enteignungsverbot verstieß. Ein solches Enteignungsverbot hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt.
2. Die Divergenzrüge ist unzulässig.
Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit voraus, dass die vermeintlich einander widersprechenden, jeweils entscheidungstragenden abstrakten Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts oder Bundesverfassungsgerichts einerseits und des angefochtenen Urteils andererseits einander gegenübergestellt werden. Das hat die Beschwerde nicht getan. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, Rechtssätze einer Vielzahl von - überdies oft andere Sachverhalte betreffenden - Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts aufzulisten, ohne sie jedoch - wie es geboten gewesen wäre - jeweils mit abweichenden entscheidungstragenden Rechtssätzen des Verwaltungsgerichts zu konfrontieren. Von einer Erörterung der auch in der Sache nicht vorliegenden Divergenz im Einzelnen sieht der Senat deshalb ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14, § 73 Abs. 1 GKG.