Beschluss vom 18.05.2010 -
BVerwG 1 WB 71.09ECLI:DE:BVerwG:2010:180510B1WB71.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.05.2010 - 1 WB 71.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:180510B1WB71.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 71.09

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Orlowski und
die ehrenamtliche Richterin Stabsarzt Dr. Bertram
am 18. Mai 2010 beschlossen:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen das Ergebnis seiner individuellen Förderperspektive. Er ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. Juli 2018. Mit Wirkung vom 12. Mai 2003 wurde er zum Hauptmann befördert. Derzeit wird er als IT-Offizier Streitkräfte und Sachbearbeiteroffizier beim ... der Bundeswehr verwendet.

2 Mit Schreiben vom 4. Dezember 2008 teilte das Personalamt der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass ihm in der Perspektivkonferenz 2008 die individuelle Förderperspektive A 11 zuerkannt worden sei. Das Schreiben wurde ihm am 29. Juni 2009 eröffnet.

3 Mit E-Mail vom 25. August 2009 an „...“, die von Frau F... weitergeleitet wurde und die den Eingangsstempel des Personalamts der Bundeswehr vom 28. September 2009 und des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 30. September 2009 trägt, teilte der Antragsteller unter dem Betreff „Beurteilung Hptm K... aus dem Jahr 2008“ mit, er fechte aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren BVerwG 1 WB 48.07 seine letzte Beurteilung 2008 und das daraus resultierende Ergebnis seiner Perspektivkonferenz 2009 an. Zur Begründung führte er aus, den Beurteilungsregelungen fehle eine ausreichende rechtliche Grundlage. Zumindest neuere und künftige Beurteilungen seien daher ungültig, sobald sie angefochten würden.

4 Mit Beschwerdebescheid vom 17. November 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die „Beschwerde vom 25.08.2009 gegen die Mitteilung des Personalamts der Bundeswehr (PersABw) vom 04.12.2008“, dass dem Antragsteller „in der Perspektivkonferenz (PK) 2008 die individuelle Förderperspektive A 11 zuerkannt worden ist“, zurück. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, die Beschwerde sei unzulässig. Die Ergebnisse der Beratungen von Perspektivkonferenzen berührten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung im Rahmen der Vorbereitung von Personalentscheidungen noch nicht unmittelbar die Rechte eines Soldaten und stellten daher keine anfechtbaren Maßnahmen dar. Die Beschwerde sei weiter auch deshalb unzulässig, weil die Beschwerdefrist versäumt worden sei. Der dem Rechtsbehelf zugrunde liegende Anlass sei dem Antragsteller am 29. Juni 2009 bekannt gegeben worden, sodass die Beschwerdefrist mit Ablauf des 29. Juli 2009 beendet gewesen sei. Die Beschwerde sei aber erst am 25. August 2009 verfasst worden. Schließlich sei die Beschwerde auch deshalb unzulässig, weil der Antragsteller das Formerfordernis des § 6 Abs. 2 WBO nicht beachtet habe. Danach sei die Beschwerde schriftlich einzulegen. Eine E-Mail erfülle diese Voraussetzung nur, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sei. Eine Überprüfung im Rahmen der Dienstaufsicht habe ergeben, dass die Zuerkennung der individuellen Förderperspektive A 11 nicht zu beanstanden sei.

5 Mit Schreiben vom 9. Dezember 2009, beim Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - eingegangen am 14. Dezember 2009, beantragte der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung. Zur Begründung trägt er mit Schriftsatz vom 20. Januar 2010, bei Gericht eingegangen am 29. Januar 2010, vor, der Senat habe entscheiden, dass wesentliche Teile des neuen Beurteilungssystems der Bundeswehr rechtswidrig seien, weil die weitreichende Umgestaltung des Beurteilungssystems nicht allein im Erlasswege hätte erfolgen dürfen. Diese Entscheidung habe auch für andere Fälle Bedeutung. Daraus sei ersichtlich, dass seine Beurteilung auf einer rechtswidrigen Grundlage erstellt und eröffnet worden sei. Daher fordere er die Aufhebung der Beurteilung.

6 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat den Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Vorlageschreiben vom 22. Dezember 2009 dem Senat vorgelegt.

7 Er beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

8 Zur Begründung bezieht er sich auf den Beschwerdebescheid vom 17. November 2009.

9 Soweit sich die Beschwerde des Antragstellers vom 25. August 2009 auch gegen die „letzte Beurteilung 2008“ richtete, wurde sie vom Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit Bescheid vom 27. Oktober 2009 wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 9. Dezember 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 28. Dezember 2009, dem Antragsteller zugestellt am 8. Januar 2010, zurück.

10 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

11 Der Antrag ist unzulässig.

12 1. Aufgrund des Inhaltes des Antrages auf gerichtliche Entscheidung vom 9. Dezember 2009 in Verbindung mit dem Beschwerdebescheid vom 17. November 2009 und des Vorlageschreibens des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - geht der Senat davon aus, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens allein die Anfechtung der Mitteilung der individuellen Förderperspektive des Antragstellers ist. Die in dem Beschwerdeschreiben vom 25. August 2009 darüber hinaus angefochtene Beurteilung aus dem Jahr 2008 war Gegenstand eines gesonderten Beschwerdeverfahrens, wobei der Antragsteller gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 28. Dezember 2009 keinen (zusätzlichen) Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat. Insbesondere kann der an den Senat adressierte Schriftsatz des Antragstellers vom 20. Januar 2010 nicht als solcher Rechtsbehelf angesehen werden. Zwar begehrt der Antragsteller in diesem Schreiben in der Sache die „Aufhebung“ seiner Beurteilung. Der Bescheid vom 28. Dezember 2009 wird aber mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen heißt es in dem Einleitungssatz, der Antragsteller erhebe „gegen das Schreiben PSZ I 7 - Az ... vom 22. Dezember 2009“ Einspruch. Von diesem Tag datiert aber das Vorlageschreiben des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - im vorliegenden Verfahren, das dem Antragsteller mit Verfügung des Gerichts vom 30. Dezember 2009 zur Kenntnis- und Stellungnahme übersandt worden war. Allerdings entspricht das angegebene Aktenzeichen nicht dem Vorlageschreiben, wohl aber dem des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens, das mit dem Bescheid vom 17. November 2009 endete. Der Bescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 28. Dezember 2009, mit dem die weitere Beschwerde des Antragstellers hinsichtlich der begehrten Aufhebung der dienstlichen Beurteilung zurückgewiesen wurde, trägt das Aktenzeichen „...“. Es kommt hinzu, dass der Senat - wie sich auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung in dem Bescheid vom 28. Dezember 2009 eindeutig ergibt - keine für die Entgegennahme eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung zuständige Stelle ist (vgl. auch § 21 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4 Satz 3 WBO). Unter diesen Umständen kann der Schriftsatz vom 20. Januar 2010 nicht als Antrag auf gerichtliche Entscheidung hinsichtlich der angestrebten Aufhebung der Beurteilung aus dem Jahr 2008 angesehen werden.

13 Dies führt im Übrigen zu keiner Verkürzung der Rechte des Antragstellers, weil seine im Jahre 2009 erhobene Beschwerde gegen die bereits im Jahre 2008 eröffnete dienstliche Beurteilung ohnehin verspätet war und deswegen von dem Stellvertreter des Generalinspekteurs und Inspekteur der Streitkräftebasis zu Recht als unzulässig zurückgewiesen wurde. Durch den vom Antragsteller wiederholt angeführten Beschluss des Senats vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - (BVerwGE 134, 59 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 14) sind die Grundsätze über die Bestandskraft unanfechtbar gewordener dienstlicher Beurteilungen nicht in Frage gestellt worden (vgl. auch Beschluss vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 - <zur Veröffentlichung in BVerwGE und in Buchholz vorgesehen>).

14 2. Die Ergebnisse der Beratung von Perspektivkonferenzen und die Zuerkennung einer individuellen Förderperspektive sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats keine gerichtlich angreifbaren Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO, weil sie als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung im Rahmen der Vorbereitung von Personalentscheidungen noch nicht unmittelbar die Rechte eines Soldaten berühren (vgl. Beschlüsse vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 34.05 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 59 = NZWehrr 2006, 209, vom 30. April 2008 - BVerwG 1 WB 44.07 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 71, vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 20.09 - <die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 24. Juli 2009 - 2 BvR 1317/09 - nicht zur Entscheidung angenommen> und zuletzt vom 27. April 2010 - BVerwG 1 WB 72.09 -).

15 Auf diese Rechtsprechung des Senats ist der Antragsteller schon durch den Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung hingewiesen worden. An ihr hält der Senat fest.

16 Nach der Richtlinie für die Perspektivbestimmung und die langfristige Verwendungsplanung der Offiziere des militärfachlichen Dienstes (R 5/05) des Bundesministeriums der Verteidigung (PSZ I 1 <40> - Az.: 16-30-01/5) vom 21. Juli 2005 (im Folgenden: Richtlinie) ist die Entscheidung über die individuelle Förderperspektive eines Offiziers des militärfachlichen Dienstes das Ergebnis einer Bestenauslese auf der Grundlage eines Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsvergleichs im Rahmen regelmäßig stattfindender Perspektivkonferenzen; aus der Konferenzentscheidung ergibt sich jedoch kein Rechtsanspruch, die jeweils festgelegte Förderperspektive zu erreichen (Nr. 4.1.1 der Richtlinie). Die in der Perspektivkonferenz festgestellte individuelle Förderperspektive bildet nach Nr. 4.2 der Richtlinie die Basis für die Verwendungsentscheidung, begründet jedoch weder einen Anspruch auf noch die Einbeziehung in Entscheidungen über bestimmte Verwendungen. Bei den Ergebnissen einer Perspektivkonferenz handelt es sich somit lediglich um Vorbereitungshandlungen, die noch keine Entscheidungen über die konkrete Verwendung oder über die Besetzung eines konkreten Dienstpostens beinhalten und auch sonst keine unmittelbaren Wirkungen für die Rechtssphäre eines Soldaten haben.

17 Gleiches ergibt sich aus der Teilkonzeption Personalmanagement der Bundeswehr des Bundesministers der Verteidigung (PSZ I 1 - Az.: 09-10-10/8) in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 2. April 2004 (Nr. 2.4.4.3, S. 25 f.). Danach ist die individuelle Förderperspektive, die bei Berufssoldatinnen und Berufssoldaten in regelmäßig stattfindenden Perspektivkonferenzen festgelegt wird und das Ergebnis eines umfassenden ganzheitlichen Eignungs- und Leistungsvergleichs darstellt, so frühzeitig und differenziert zu bestimmen, dass „zeitgerecht die Planung und Einsteuerung in die verschiedenen Dotierungshöhen und entsprechende Verwendungen erfolgen kann“. Die „so festgestellte individuelle Förderperspektive ist die Grundlage für die individuelle Verwendungsplanung“. Sie bildet damit „regelmäßig die Basis, ist jedoch kein Präjudiz für Verwendungsentscheidungen“. Sie begründet überdies „weder einen Anspruch auf entsprechende Verwendungen noch ergibt sich daraus ein genereller Ausschluss von zukünftigen entsprechenden Verwendungen“.

18 Weder Art. 33 Abs. 2 GG noch § 3 Abs. 1 SG oder das Rechtsstaatsprinzip gebieten die selbstständige Anfechtbarkeit der Zuerkennung einer individuellen Förderperspektive. Das Prinzip der Bestenauslese und die Grundsätze eines rechtstaatlichen Verfahrens wirken zwar auch auf die Vorbereitung militärischer Verwendungsentscheidungen ein; diesem Zweck dienen ersichtlich die zitierte Richtlinie und die Teilkonzeption Personalmanagement der Bundeswehr. Hieraus folgt jedoch nicht, dass auch der Rechtsschutz des Soldaten entsprechend vorzuverlagern wäre. Es genügt - auch unter dem Blickwinkel der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) -, dass der Soldat gegen eine ihn belastende Verwendungsentscheidung zugunsten eines Konkurrenten oder gegen die Ablehnung eines eigenen Antrags auf eine bestimmte - förderliche - Verwendung im Wehrbeschwerdeverfahren vorgehen kann und in diesem Rahmen gegebenenfalls auch überprüft wird, ob die Zuerkennung der individuellen Förderperspektive, soweit sie bei der Verwendungsentscheidung eine entscheidungserhebliche Rolle gespielt hat, rechtmäßig war und ohne Verfahrensfehler erfolgte (vgl. Beschlüsse vom 20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB 69.08 und 1 WB 74.08 -, vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 3.09 - und vom 7. Juli 2009 - BVerwG 1 WB 22.09 -).

19 Hiernach hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - im Beschwerdebescheid vom 17. November 2009 die Ergebnisse der Beratungen der Perspektivkonferenz zutreffend als nicht anfechtbare Maßnahmen qualifiziert. Auf die Frage, ob die Beschwerde per E-Mail vom 25. August 2009 frist- und formgerecht erhoben wurde, kommt es daher nicht an.

20 Von der Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten sieht der Senat ab, weil er die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 WBO zwar für gegeben erachtet, der Antrag aber nicht mutwillig erscheint.