Urteil vom 18.06.2003 -
BVerwG 2 WD 50.02ECLI:DE:BVerwG:2003:180603U2WD50.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 18.06.2003 - 2 WD 50.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:180603U2WD50.02.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 50.02

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 18. Juni 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Generalarzt Dr. Neuburger,
Oberstleutnant Asmus
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Mühlbächer
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwälte Nüsslein und Auer, Ingolstadt,
als Verteidiger,
Justizangestellte Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der .... Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 9. Juli 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Frist zur Wiederbeförderung auf zwei Jahre festgesetzt wird.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Soldaten auferlegt.

Gründe

I

Der 54 Jahre alte Soldat besuchte von 1959 bis 1967 das Gymnasium, das er mit dem Zeugnis der Reife vom 12. Juni 1967 verließ.

Aufgrund seiner Bewerbung und Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr wurde er zum 1. Oktober 1967 zur .../Offizieranwärterbataillon der Luftwaffe in F. einberufen und am 4. Oktober 1967 unter Ernennung zum Flieger OA in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf vier, sodann auf fünf Jahre, und nach seiner Verpflichtung als Sanitätsoffizieranwärter bis zum Abschluss dieser Ausbildung festgesetzt. Am 6. Juni 1979 wurde ihm - unter gleichzeitiger Ernennung zum Stabsarzt - die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen.

Nach regelmäßigen Zwischenbeförderungen wurde er zuletzt mit Wirkung vom 1. Oktober 1994 zum Oberstarzt befördert.

Der Soldat wurde zum 7. Oktober 1968 zur Truppendienstlichen Ausbildung zum Leichten Kampfgeschwader ... in H. und zum 31. März 1969 zur Offizierschule der Luftwaffe in N. zur Teilnahme am Offizierlehrgang versetzt. Nach bestandenem Offizierlehrgang folgten nachstehende Versetzungen: Zum 6. März 1970 zum Fluganwärterregiment der Luftwaffe in U. zwecks Ausbildung zum Flugzeugführeroffizier, zum 30. September 1970 als Flugschüler zur .../Luftwaffenausbildungsstaffel in S./USA und zum 9. Oktober 1971 zur .../Waffenschule der Luftwaffe ... in F. als Auszubildender zum Kampfbeobachtungsoffizier. Nach Übernahme in die Laufbahn der Sanitätsoffizieranwärter zum 18. April 1972 unter gleichzeitiger Versetzung zur Sanitätsakademie der Bundeswehr in M. wurde er mit Bescheid des Personalstammamtes der Bundeswehr vom 13. Juni 1972 zur Aufnahme des Studiums der Humanmedizin in H. beurlaubt. Der Soldat wurde danach wie folgt versetzt: Zum 6. Juni 1979 als Sanitätsoffizier Arzt zum Sanitätsstab des Jagdbombergeschwaders ... in S., zum 1. Oktober 1983 als Sanitätsstabsoffizier (SanStOffz) Arzt und Fliegerarzt zum Stab Lufttransportgeschwader ... in P., zum 1. April 1988 als SanStOffz Fliegerarzt und Arzt zum Generalarzt der Luftwaffe in L., zum 1. Oktober 1989 als SanStOffz Arzt und Chef der Sanitätseinheit zum Sanitätsstab des Jagdbombergeschwaders ... in K., zum 1. Dezember 1991 als SanStOffz Arzt zum Stab Korps/Territorial-kommando Ost in G., zum 1. Dezember 1993 wiederum als SanStOffz Arzt zum Generalarzt der Luftwaffe in L. und zum 1. Oktober 1994 in der Verwendung als SanStOffz Fliegerarzt und Abteilungsleiter an das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe (FlMedInstLw), Abteilung ..., in M.

In seiner dienstlichen Beurteilung vom 15. September 1997 erhielt der Soldat nach dem damaligen Beurteilungssystem in der gebundenen Beschreibung sechsmal die Wertung „1“ und neunmal die Wertung „2“. In der freien Beschreibung wurde ihm bei „Fähigkeit zur Menschenführung“, „Fähigkeit zur Einsatzführung/Betriebsführung“ und „Kameradschaft“ jeweils der Ausprägungsgrad „B“ zuerkannt. In Abschnitt H wird er wie folgt beschrieben:

„Mit lebensbejahender Grundstimmung und Humor weiß er Mitarbeiter mitzureißen. Er ist überzeugter Sanitätsoffizier, der sich mit seinem Beruf als Soldat und Arzt identifiziert. Dabei zeigt er Einsatzbereitschaft und Pflichterfüllung. Er ist psychisch und physisch voll belastbar, wobei er bei aller Kritikfreudigkeit auch Kritik an seiner eigenen Person und Spannungen aushält.“

In seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom 4. Oktober 1999 erhielt er nunmehr aufgrund der neuen Beurteilungsvorschriften in den Einzelmerkmalen viermal die Stufe „6“, achtmal die „5“ und viermal die „4“. Bei „Eignung und Befähigung“ wurden ihm dreimal die Wertung „d“ und einmal die Wertung „c“ zuerkannt. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wurde über ihn ausgeführt:

„OTA ... ... ist ein begeisternder Flugmediziner, der es versteht, alle Kommunikationsmöglichkeiten auszunutzen und so in der Lage ist, immer eine Lösung zu finden. Er zeigt Einsatzbereitschaft und Pflichterfüllung und wird von seiner lebensbejahenden Grundstimmung nachhaltig bestimmt. Bei kritikbereiter Einstellung scheut er keine sachlichen Auseinandersetzungen mit Untergebenen und Vorgesetzten.“

In der Sonderbeurteilung vom 29. Oktober 2002 - durch Dr. K., Oberstarzt und Leiter des FlMedInstLw - erhielt der Soldat in den Einzelmerkmalen sechsmal die Wertung „6“, achtmal die Wertung „5“ und zweimal die Wertung „4“. Bei „Eignung und Befähigung“ wurde ihm für „Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“ und „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ jeweils die Wertung „d“ sowie für „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ die Wertung „c“ zuerkannt. Bei „Verwendungshinweise“ erhielt der Soldat für „Fachverwendungen“ und „Stabsverwendungen“ jeweils die Stufe „gut geeignet“. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wurde über ihn ausgeführt:

„Oberstarzt .... ... ist ein sehr engagierter flugmedizinisch tätiger SanStOffz Arzt, welcher mit seiner hohen Erfahrung, seinen vielfältigen Kontakten und seinem pragmatischen Umgang mit den dienstlichen Notwendigkeiten immer bemerkenswerte Arbeitsergebnisse erzielt. Er setzt sich stets und fortwährend mit seiner ganzen Kraft, seinem vielseitigen Engagement und seinem Ideenreichtum auch gegen Widerstände ein, arbeitet fordernd und will überzeugt werden. Mit Vorgesetzten und Untergebenen setzt er sich kritisch auseinander, wobei er sich bemüht, immer sachlich zu bleiben. Bei der Durchsetzung für ihn als richtig und wichtig empfundener Vorhaben beschreitet er auch unkonventionelle Wege. Sein Auftrag geht ihm über alles, dabei nimmt er auch in Kauf, zeitweise als anstrengend empfunden zu werden. Er kann dies meist durch seine freundliche und zugewandte Art ausgleichen.“

Der frühere Disziplinarvorgesetzte des Soldaten und frühere Leiter des FlMedInstLw, Generalarzt Dr. R., sagte als Zeuge vor dem Truppendienstgericht aus, solche Dinge, wie sie hier angesprochen würden, passierten dann, wenn man die Vorschriften nicht mehr reflektiere, sich seines Tuns nicht bewusst sei sowie aus Gewohnheitsrecht und Duldung heraus. Bezüglich der Private Pilot Licence (PPL)-Untersuchungen für Nicht-Bundeswehr-angehörige schließe er ein eingefahrenes System der kameradschaftlichen Großzügigkeiten nicht aus. Der Soldat habe es billigend in Kauf genommen. Durch forcierte Dienstaufsicht hätte man diese Dinge sehen und unterbinden müssen, und zwar sowohl innerhalb der Abteilung als auch im Stab des FlMedInstLw. Der Soldat habe seinen Auftrag gut abgearbeitet, obwohl durchaus auch Störungen zu bemerken gewesen seien.

Generalarzt a.D. Dr. A., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten vom 1. Oktober 1997 bis 31. März 2001, bekundete vor dem Truppendienstgericht als Zeuge, bei einem Besuch der Abteilung ... in M. am 16. November 1998 sei ihm aufgefallen, dass unter den Aufgaben der Abteilung der Dienst bei der Firma .../... aufgeführt gewesen sei. Er, der Zeuge, habe nicht gedacht, dass der Soldat dies als Nebentätigkeit und dazu noch gegen Geld mache. Er, der Zeuge, habe von der PPL-Nebentätigkeit gewusst, von mehr habe er keine Ahnung gehabt. Die Meldungen des Soldaten mit „Fehlanzeige“ hätten ihn nicht irritiert, denn er habe gedacht, dass der Soldat in diesem Monat eben keine Untersuchungen durchgeführt habe. Er, der Zeuge, hätte weder Ahnung von der Nebentätigkeit des Soldaten bei M. noch bei der Firma .../... gehabt. Nachdem der Soldat eine Eingabe gegen ihn wegen Mobbings gemacht habe, habe er nicht weiter gegen ihn ermittelt. Von dem fachlichen Können des Soldaten sei er verblüfft gewesen, allerdings sei es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen dem Soldaten und anderen Kollegen gekommen. Der Soldat sei die schwierigste Persönlichkeit gewesen, mit der er in der Bundeswehr je zusammengetroffen sei.

Weder disziplinar noch strafrechtlich ist der Soldat bisher auffällig geworden. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder, die außerhalb seines Haushaltes leben.

Nach Auskunft der Wehrbereichsverwaltung West - Gebührniswesen - erhält der Soldat Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 16 des Bundesbesoldungsgesetzes, 12. Dienstaltersstufe, mit Bruttobezügen in Höhe von 5.353,92 €. Die Nettobezüge ergeben 4.124,52 €.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Soldaten sind nach seinen Angaben geordnet.

II

III