Beschluss vom 18.06.2015 -
BVerwG 9 B 86.14ECLI:DE:BVerwG:2015:180615B9B86.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.06.2015 - 9 B 86.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:180615B9B86.14.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 86.14

  • VG Schleswig - 23.01.2013 - AZ: VG 9 A 252/09
  • OVG Schleswig - 04.09.2014 - AZ: OVG 4 LB 3/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Juni 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher und Steinkühler
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. September 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 540,17 € festgesetzt.

Gründe

1 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, konkreten, jedoch in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; siehe BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 9 B 41.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 58 Rn. 3 m.w.N.).

3 Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerde mit der Frage,
ob von einem Fall der anderweitigen Deckung im Sinne von § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB auszugehen ist, wenn die Gemeinde sich vom Erschließer im städtebaulichen Vertrag eine Vertragserfüllungsbürgschaft versprechen lässt, diese dann aber nicht vom Erschließer einfordert,
nicht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine anderweitige Deckung des Erschließungsaufwands im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch in einem Anspruch der Gemeinde gegen einen Dritten auf Übernahme von Erschließungskosten bestehen kann, soweit seiner Durchsetzbarkeit keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen. Dabei sind an etwaige rechtliche Hindernisse hohe Anforderungen zu stellen; denn die Gemeinde ist grundsätzlich verpflichtet, einen den Erschließungsaufwand ganz oder teilweise deckenden Anspruch zu realisieren. Dementsprechend kann sie einen Herstellungsaufwand nicht auf die Beitragspflichtigen umlegen, der ihr dadurch entsteht, dass sie ohne Verpflichtung hierzu bzw. ohne gewichtigen Grund einen Anspruch auf Übernahme der Herstellungskosten gegen einen Erschließungsunternehmer aufgibt, der durch einen Erschließungsvertrag begründet wurde (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. September 1981 - 8 C 21.81 - Buchholz 406.11 § 125 BBauG Nr. 14 S. 8 f. und vom 9. November 1984 - 8 C 77.83 - BVerwGE 70, 247 <257 ff.>). Soweit die Erschließung indes von dem Unternehmer nicht durchgeführt wird, etwa weil der Erschließungsvertrag aufgrund eines Formmangels keine Verpflichtung des Erschließungsunternehmers zur Übernahme der Erschließungskosten begründen konnte, verbleibt die Erschließung im Aufgabenbereich der Gemeinde und kann sie die Kosten auf die Eigentümer bzw. Erbbauberechtigten erschlossener Grundstücke umlegen. Deren in diesem Fall mögliche Doppelbelastung ist letztlich Folge der in ihrem Risikobereich getroffenen Entscheidung, von dem Erschließungsunternehmer ein Grundstück zu einem Preis zu kaufen, der Erschließungskosten einschließt, obgleich die Erbringung der Gegenleistung nicht gewährleistet ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. September 1972 - 4 C 21.71 - Buchholz 406.11 § 123 BBauG Nr. 6 S. 13 und vom 9. November 1984 - 8 C 77.83 - BVerwGE 70, 247 <256 f.>).

4 Das Berufungsgericht hat den zwischen der Gemeinde und der Erschließungsträgerin - der ... GmbH - geschlossenen städtebaulichen Vertrag vom 7. April 2000 dahingehend ausgelegt, dass die Wirksamkeit des gesamten Vertrages - allenfalls mit Ausnahme dessen § 15, demgemäß die Erschließungsträgerin zur Übergabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft verpflichtet war - von eben jener Übergabe abhing. Damit sind der Gemeinde Aufwendungen nicht deshalb entstanden, weil sie einen Anspruch gegen die Erschließungsträgerin auf Übernahme der Herstellungskosten bzw. gegen einen Bürgen, hierfür einzustehen, aufgegeben hat, sondern allenfalls deshalb, weil sie es möglicherweise versäumt hat, den Abschluss eines Bürgschaftsvertrages zu ihren Gunsten nicht nur - wie vom Berufungsgericht festgestellt - wiederholt außergerichtlich, sondern auch im Klagewege einzufordern. Die Frage, ob hierin ein freiwilliger Verzicht liegt und ob deshalb von einer anderweitigen Deckung im Sinne von § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB auszugehen ist, stellte sich jedoch nur dann, wenn der Gemeinde tatsächlich ein durchsetzbarer Anspruch auf die Beibringung einer Vertragserfüllungsbürgschaft zustand. Ungeachtet der vom Berufungsgericht offen gelassenen Frage, ob bis zur Übergabe der Bürgschaft auch § 15 des Vertrages keine Wirksamkeit entfaltete, setzte dies zum einen voraus, dass hierin ein diesbezüglicher einklagbarer Anspruch und nicht lediglich eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des städtebaulichen Vertrages vereinbart wurde, zum anderen, dass es der ... GmbH überhaupt möglich war, einen Bürgen für die Vertragserfüllung zu finden.

5 Die danach erforderlichen Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage könnte sich daher nicht unmittelbar in dem erstrebten Revisionsverfahren, sondern nur dann stellen, wenn das Oberverwaltungsgericht nach Aufhebung seines Urteils und Zurückverweisung der Sache feststellen würde, dass die Gemeinde einen durchsetzbaren Anspruch gegen die Erschließungsträgerin auf Beibringung der Erfüllungsbürgschaft hatte. Nur dann käme es auf die mit der Grundsatzrüge aufgeworfene Frage an, ob in der fehlenden gerichtlichen Durchsetzung dieses Anspruchs eine anderweitige Deckung oder - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - allenfalls eine zu einem Schadensersatzanspruch führende Säumnis liegt. Hat aber das Berufungsgericht Tatsachen nicht festgestellt, die vorliegen müssten, damit sich die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte Rechtsfrage stellen würde, und besteht lediglich die Möglichkeit, dass sie nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich werden könnte, so kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die Revision nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. September 1996 - 9 B 387.96 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 12 S. 19 f. und vom 6. Juni 2006 - 6 B 27.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 35 Rn. 8). Eine verfahrensfehlerhaft unterbliebene Sachverhaltsaufklärung, welche ausnahmsweise dennoch zu einer Zulassung der Revision führen könnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 2007 - 10 B 11.07 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 38 Rn. 3), hat der Kläger nicht dargelegt.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.