Beschluss vom 18.08.2004 -
BVerwG 3 B 26.04ECLI:DE:BVerwG:2004:180804B3B26.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.08.2004 - 3 B 26.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:180804B3B26.04.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 26.04

  • VG Dresden - 28.10.2003 - AZ: VG 11 K 2121/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. August 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und L i e b l e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 32 211,39 € festgesetzt.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Sache kommt weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu noch wurde ein Verfahrensfehler geltend gemacht, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Auf die Frage, ob und in welcher Beziehung von der Revision ein solcher Erfolg zu erwarten ist, muss im Rahmen der Darlegungspflicht wenigstens durch die Bezeichnung der konkreten Rechtsfrage, die sowohl für die Entscheidung des Berufungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich sein wird, eingegangen werden. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert ferner mindestens einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung rechtfertigen soll (Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 6. März 2003 - BVerwG 3 B 115.02 -).
Der Beschwerdeführer, der Entschädigung für sein 1972 enteignetes Unternehmen begehrt, wendet sich dagegen, dass das Verwaltungsgericht - wie zuvor schon der Beschwerdegegner - bei der Ermittlung des Reinvermögens im Sinne von § 4 Abs. 2 EntschG allein auf die Bilanz zum 31. Dezember 1971 abgestellt habe. In dieser Bilanz seien aber - entsprechend den DDR Regelungen - die Stanz- und Prägewerkzeuge wegen ihres zu geringen Einzelwertes nicht erfasst gewesen. Sie hätten, wie sich aus dem von ihm vorgelegten Schätzgutachten ergebe, insgesamt einen Wert von 165 000 bis 175 000 M/DDR gehabt.
a) Der Beschwerdeführer hält zum einen die Frage für im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO klärungsbedürftig, ob das Verwaltungsgericht nicht schon vom Ansatz her das gesetzgeberische Ziel verfehle, eine im Verhältnis zum wahren Wert des entzogenen Vermögenswertes stehende Entschädigung zu gewähren, wenn es für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für sein enteignetes Unternehmen die ungeprüfte Anwendung der Bewertungsmaßstäbe und -regeln der DDR billige.
Zur Klärung dieser auf die Auslegung von § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG - hier im Hinblick auf ein vermeintliches Verfehlen der gesetzgeberischen Ziele - zielenden Frage ist jedoch die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht erforderlich. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG ist das Reinvermögen anhand der Bilanz für den letzten Stichtag vor der Entschädigung oder einer sonstigen beweiskräftigen Unterlage festzusetzen. Aus dieser Regelung ergibt sich eindeutig, dass für die Ermittlung des Reinvermögens maßgebend Bilanzen, die in der hier maßgebenden Zeit typischerweise solche nach DDR-Recht sein werden, heranzuziehen sind. Soweit nach dieser Regelung außerdem auf sonstige beweiskräftige Unterlagen abgestellt werden kann, ist hierzu jedenfalls das vom Beschwerdeführer vorgelegte Schätzgutachten nicht zu rechnen. Das Verwaltungsgericht hat eine Berücksichtigung dieses Gutachtens zu Recht deshalb abgelehnt, weil es nicht erkennen lasse, worauf sich die Schätzung begründe, welche Bewertungsregeln zugrunde gelegt und wie viele und welche Werkzeuge nach welchen Maßstäben bewertet worden seien.
b) Auch soweit es der Beschwerdeführer als Frage von grundsätzlicher Bedeutung ansieht, ob das Verwaltungsgericht ihn nicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip verletze, indem es die prozessualen Möglichkeiten zur Sachverhaltsfeststellung so eng auslege, dass diese es ihm verböten, die Diskrepanz zwischen dem wahren Wert und dem in der DDR-Bilanz festgelegten Reinvermögen zu ermitteln, um einen Verstoß gegen Art. 14 GG zu vermeiden, kann dies nicht zu einer Zulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen.
Die aufgeworfene Frage stellt sich nicht. Zum einen handelt es sich bei der Auslegung von § 4 Abs. 2 EntschG um die Auslegung materiellen Rechts, nicht um die Auslegung prozessualer Möglichkeiten. Vor allem steht hier jedoch nicht die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 14 GG inmitten. Nach der zu den Regelungen des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich eine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Wiedergutmachung von Unrecht einer nicht an das Grundgesetz gebundenen Staatsgewalt nicht aus einzelnen Grundrechten herleiten. Dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG sind deshalb für die Frage, ob und in welchem Umfang die Bundesrepublik verpflichtet ist, für derartiges Unrecht einen Ausgleich zu schaffen, keine Vorgaben zu entnehmen (BVerfGE 102, 254 <297 f.>).
c) Da Art. 14 GG nicht der Maßstab für die hier zu gewährende Entschädigung ist, kommt der vom Beschwerdeführer außerdem genannten Frage, ob sich das Verwaltungsgericht nicht im Ansatz das vom Gesetzgeber vorgesehene und völkerrechtlich wie verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel einer angemessenen Entschädigung verbaue, wenn es die wesentlichen Teile des Betriebsvermögens außer Betracht lasse, dieses dadurch viel zu niedrig ansetze und dadurch in Kauf nehme, den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 14 GG zu verletzen, ebenso wenig grundsätzliche Bedeutung zu.
d) Schließlich wirft der Beschwerdeführer die Frage auf, ob die Sache nicht dadurch grundsätzliche Bedeutung habe, weil die Durchsetzung seiner Rechte auf eine angemessene Entschädigung angezeigt sei, da ihm - wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bestand habe - eine Wiedergutmachung der im Rahmen der Zwangskollektivierung erlittenen Eingriffe in seine Freiheits-, Persönlichkeits- und Vermögensrechte nicht gewährt werde, sondern ihm im Gegenteil ein besonders schwerer Nachteil entstehe.
Doch rechtfertigt auch dies die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Der Beschwerdeführer vermengt hier ersichtlich die Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit den Voraussetzungen, die nach § 93a Abs. 2 Buchst. b 2. Alt. BVerfGG zur Annahme einer Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht führen. Da die Verfassungsbeschwerde gerade der Durchsetzung der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Einzelnen dient, ist es folgerichtig, dass die Annahme einer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nach § 93a Abs. 2 Buchst. b 2. Alt. BVerfGG auch dann zu erfolgen hat, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung einer Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entstünde. Demgegenüber zielt die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung auf die Erhaltung der Rechtseinheit und die Weiterentwicklung des Rechts und damit gerade über den konkreten Einzelfall hinaus. Danach genügt es nicht, wenn der Beschwerdeführer auf die für ihn bei einer Nichtzulassung entstehenden Nachteile abstellt.
2. Ebenso wenig wird vom Beschwerdeführer ein Verfahrensfehler bezeichnet, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Er macht insoweit geltend, das Verwaltungsgericht habe seine Pflicht, den Sachverhalt sowie seine Entschädigungswürdigkeit und -bedürftigkeit aufzuklären, missachtet, indem es sich an die Bilanz vom 31. Dezember 1971 gebunden gefühlt habe. Dies genügt den Darlegungserfordernissen schon deshalb nicht, weil die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Aufklärungsmangel leidet, vom materiellrechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts aus zu beurteilen ist (vgl. Urteile vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4 und vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>). Stattdessen handelt es sich um einen Angriff gegen die materiellrechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichts, mit dem aber - wie bereits dargestellt - auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 13 Abs. 1 GKG in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl I S. 3047) i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG in der Fassung durch Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRModG) vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).