Beschluss vom 18.12.2008 -
BVerwG 10 B 35.08ECLI:DE:BVerwG:2008:181208B10B35.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.12.2008 - 10 B 35.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:181208B10B35.08.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 35.08

  • Hessischer VGH - 07.02.2008 - AZ: VGH 8 UE 1913/06.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Dezember 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Februar 2008 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil seine Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen, die nach § 133 Abs. 3 VwGO an die Darlegung von Zulassungsgründen zu stellen sind.

3 1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam zunächst die Frage auf,
ob § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG unter Beachtung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) einer Feststellung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entgegensteht und die verfahrensrechtliche Sperrwirkung dahingehend, dass nur durch Anordnung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein Abschiebungsschutz zu gewährleisten ist, mit Ausnahme einer von dieser Behörde „sehenden Auges“ ignorierten extremen Gefahr für den Einzelnen, gegen den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts verstößt.

4 Unabhängig davon, dass die Beschwerde die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht darlegt (siehe unten zu 2.), kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf diese Rechtsfrage schon deshalb nicht in Betracht, weil sie inzwischen durch das Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - (NVwZ 2008, 1241) geklärt ist. Danach ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG (jetzt in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008, BGBl I S. 162) richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er nicht die Fälle erfasst, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt sind. Das bedeutet mit anderen Worten, dass § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie keine Sperrwirkung entfaltet (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 31).

5 2. Eine Zulassung der Revision kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der nachträglichen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) in Betracht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Berufungsgericht mit seinen Rechtsausführungen auf Seite 18 (unten) des Urteils von der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen, oben dargestellten richtlinienkonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG abweicht, fehlt es an der erforderlichen Darlegung der Beschwerde, dass das Berufungsurteil auf dieser Abweichung beruht. Denn die Beschwerde geht nicht darauf ein, dass das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie bzw. des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG schon deshalb verneint hat, weil nach seinen Feststellungen „der derzeit anhaltende bewaffnete Konflikt in Afghanistan zwischen regulären afghanischen Einheiten und internationalen ISAF-Truppen einerseits und Taliban-Verbänden und anderen Aufständischen andererseits“... „graduell und nach der Dichte der Militäraktionen nicht das Ausmaß“ erreicht, das für einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne dieser Bestimmungen erforderlich ist (UA S. 17) und „bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Taliban und anderen extremistischen Gruppierungen allenfalls im Süden und Süd-Osten des Landes, nicht aber in anderen Provinzen und vor allem nicht in der Hauptstadt Kabul stattfinden“ (UA S. 18). Hat demnach das Berufungsgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen für den subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie schon deshalb als nicht erfüllt angesehen, weil etwaige Schäden, die dem Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul drohen, nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt im Sinne dieser Bestimmung stehen, ist nicht ersichtlich, inwiefern seine weiteren Ausführungen zur Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entscheidungserheblich sind und das Urteil darauf beruhen soll.

6 3. Hinsichtlich der weiteren als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage,
ob bei der Auslegung und Anwendung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) wegen der vorherrschenden willkürlichen Gewalt die materiellen und prozessualen Anforderungen an die Feststellung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson deutlich gegenüber dem prozessualen Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ sowie dem des „konkreten Risikos“ herabzustufen sind,
fehlt es ebenfalls an der erforderlichen Darlegung, dass diese Frage entscheidungserheblich ist. Die Frage nach dem maßgeblichen Wahrscheinlichkeits- oder Prognosemaßstab für eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie bzw. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG würde sich nur dann stellen, wenn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmungen („infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“) erfüllt wären. Dies zeigt die Beschwerde nicht auf. Denn sie setzt sich, wie oben bereits ausgeführt, nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht bereits das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne dieser Bestimmungen jedenfalls für die Hauptstadt Kabul - und im Übrigen der Sache nach auch für den Herkunftsort des Klägers (Mazar-i Sharif) - verneint und damit festgestellt hat, dass die dem Kläger dort drohenden Gefahren nicht in dem erforderlichen Zusammenhang mit einem derartigen bewaffneten Konflikt stehen (UA S. 18).

7 Weitere rechtsgrundsätzliche Fragen oder Zulassungsgründe macht die Beschwerde nicht geltend.

8 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.