Beschluss vom 19.03.2003 -
BVerwG 7 B 160.02ECLI:DE:BVerwG:2003:190303B7B160.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.03.2003 - 7 B 160.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:190303B7B160.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 160.02

  • VG Dresden - 11.09.2002 - AZ: VG 4 K 1192/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. September 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 475 € festgesetzt.

Der Kläger wendet sich gegen die Höhe eines von ihm nach § 18 des Vermögensgesetzes - VermG - zu entrichtenden Ablösebetrages für untergegangene Aufbaugrundpfandrechte auf einem ihm zurückübertragenen Grundstück. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Grundpfandrechte nach seinen Feststellungen nicht durch einen staatlichen Verwalter bestellt worden seien und daher keine Abschläge nach § 18 Abs. 2 VermG zu berücksichtigen seien.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es sind weder Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO feststellbar, auf denen das Urteil beruht (1.), noch weist die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (2.).
1. a) Der Kläger rügt eine unzureichende gerichtliche Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf die am 5. November 1976 vorgenommene Eintragung einer Aufbauhypothek über 3 000 Mark in das Grundbuch. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, diese Eintragung beruhe auf einer von einer etwaigen staatlichen Verwaltung unabhängigen staatlichen Anordnung nach Maßgabe von Vorschriften, die sich auch gegen Bürger der DDR gerichtet hätten, beruhe auf aktenwidrigen Feststellungen. Weder werde in der Grundbucheintragung auf die Verordnung über die Finanzierung von Baumaßnahmen zur Schaffung und Erhaltung von privatem Wohnraum vom 28. April 1960 (GBl I S. 351) Bezug genommen, noch gebe es in dem maßgeblichen Kreditvertrag eine Bezugnahme auf einen bestimmten Ratsbeschluss.
Die Rüge ist nicht begründet. Es trifft zu, dass das Verwaltungsgericht für alle Grundbucheintragungen der in Rede stehenden Grundpfandrechte und damit auch für die genannte Aufbauhypothek festgestellt hat, sie nähmen auf die erwähnte Verordnung Bezug. Dies ist hinsichtlich der Aufbauhypothek über 3 000 Mark, wie ein Blick in den in den Akten befindlichen Grundbuchauszug zeigt, unzutreffend und damit aktenwidrig. Aktenwidrige Feststellungen gibt es demgegenüber nicht im Hinblick auf die Bezugnahme in den Kreditverträgen auf Ratsbeschlüsse; denn insoweit hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es eine solche Bezugnahme in drei von vier Kreditverträgen gebe.
Auf der unzutreffenden Feststellung zum Grundbuchinhalt - die entgegen der Ansicht des Klägers nicht als ein Verfahrensmangel nach § 86 Abs. 1 VwGO, sondern als eine fehlerhafte Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO einzuordnen wäre - beruht das angegriffene Urteil jedoch nicht. Das Verwaltungsgericht stützt seine die Entscheidung tragende Auffassung, dass die betroffenen Grundpfandrechte nicht von einem staatlichen Verwalter bestellt worden seien, in erster Linie darauf, dass deren Bestellung ausweislich der Kreditverträge auf der Verordnung vom 28. April 1960 beruht habe, die sich nicht nur an alle Bürger der DDR, sondern im gleichen Maße an nicht in der DDR wohnhafte Grundstückseigentümer gerichtet habe. Nur um dies zu untermauern, beruft sich das Gericht zusätzlich auf den Inhalt der Grundbucheintragungen. Dass eine dieser Eintragungen - anders als das Verwaltungsgericht meint - zur Bekräftigung der Bezugnahme auf die Verordnung nicht taugt, ändert nichts an der auch vom Kläger nicht in Abrede gestellten Tatsache, dass die grundpfandrechtlich gesicherten Kredite auf der Grundlage dieser Verordnung bewilligt wurden. Der Kläger bezweifelt lediglich die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass die Kreditierung aufgrund dieser Vorschriften es ausschließt, dass die Bestellung der Pfandrechte auf einen staatlichen Verwalter zurückzuführen sei. Diese Schlussfolgerung hat jedoch unabhängig davon Bestand, ob alle Grundbucheintragungen den Hinweis auf die Verordnung enthielten oder nicht.
b) Die weitere Rüge, auch hinsichtlich der drei übrigen Grundpfandrechte seien aktenwidrige Feststellungen getroffen worden, ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger legt keinen Widerspruch zwischen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und dem Akteninhalt dar; vielmehr stellt er sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei den in den Kreditverträgen unstreitig genannten Ratsbeschlüssen habe es sich um solche nach den §§ 14 und 16 der genannten Verordnung gehandelt. Damit rügt er jedoch keinen Verfahrensmangel, sondern wendet sich gegen die dem materiellen Recht zuzuordnende Feststellung und Würdigung der Tatsachen durch das Verwaltungsgericht.
c) Soweit der Kläger eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO geltend macht, weil das Verwaltungsgericht die Ratsbeschlüsse nicht vom Stadtarchiv Dresden beigezogen habe, hat er es versäumt, in der Vorinstanz entsprechende förmliche Beweisanträge zu stellen. Dem Verwaltungsgericht musste sich eine solche weitere Sachaufklärung auch nicht aufdrängen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass insbesondere die Vollmacht vom 21. Januar 1969 (Bl. 188 der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsvorgänge), die der Rat des Stadtbezirkes West der Stadt Dresden dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung der Stadt Dresden zur Aufnahme eines Kredits in Höhe von 75 000 Mark entsprechend der Verordnung vom 28. April 1960 und zur Eintragung des Grundpfandrechts erteilt hat, nahe legt, dass der VEB bei der Belastung des Grundstücks nicht als staatlicher Verwalter gehandelt hat; denn in diesem Falle hätte es der Vollmacht nicht bedurft. Unter Berücksichtigung dessen bestand auch keine Veranlassung, dem genauen Inhalt der Ratsbeschlüsse weiter nachzugehen.
Im Ergebnis erfolglos beruft sich der Kläger daher auch auf diese Vollmacht, um zu belegen, dass es sich bei den in den Kreditverträgen genannten Ratsbeschlüssen nicht um solche nach den §§ 14 und 16 der Verordnung vom 28. April 1960, sondern um Genehmigungen von Kreditaufnahmen des vorläufigen staatlichen Verwalters gehandelt habe. Dieser auf eine angebliche aktenwidrige Feststellung des Verwaltungsgerichts zielende Einwand führt schon deswegen nicht weiter, weil es keine Anhaltspunkte dafür gab oder gibt, dass der in der Vollmacht genannte VEB dort als vorläufiger staatlicher Verwalter angesprochen wird; insbesondere deutet auch der Umstand, dass der im Schriftstück erwähnte Ratsbeschluss die Zustimmung zu einer Kreditaufnahme betrifft, nicht in diese Richtung. Die Bezugnahme auf die Verordnung und die Tatsache der Genehmigung selbst, die gegenüber einem staatlichen Verwalter nicht erforderlich war, sprechen für das Gegenteil.
d) Ebenfalls unbegründet ist die Rüge des Klägers, ihm sei in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht das Wort abgeschnitten worden, als er Ausführungen dazu habe machen wollen, dass die aufgenommenen Kredite nicht für entsprechende Baumaßnahmen verwendet worden seien. Das Urteil kann auf der geltend gemachten Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen; denn § 18 Abs. 2 Satz 5 VermG, wonach Rechte nicht zu berücksichtigen sind, für die der Berechtigte nachweist, dass eine der Kreditaufnahme entsprechende Baumaßnahme an dem Grundstück nicht durchgeführt wurde, gilt entgegen der Auffassung des Klägers nicht für Grundpfandrechte, die - wovon das Verwaltungsgericht hier ausgegangen ist - nicht vom staatlichen Verwalter bestellt wurden (ständige Rechtsprechung; zuletzt Beschluss des Senats vom 9. Januar 2001 - BVerwG 7 B 76.00 -, unter Berufung auf Beschluss vom 21. Mai 1997
– BVerwG 7 B 70.97 - Buchholz 428 § 16 VermG Nr. 1).
e) Ein Verfahrensmangel ist schließlich nicht erkennbar, soweit der Kläger rügt, dass das Verwaltungsgericht dem Vortrag seines Vaters aus dem Vorprozess, den er - der Kläger - sich zu eigen gemacht habe und wonach die Grundpfandrechte der gezielten Überschuldung des Grundstücks gedient hätten, nicht weiter nachgegangen sei. Dieser Vortrag ging nicht über eine Schilderung der in der DDR allgemein herrschenden Verhältnisse hinaus, die zur Einführung des Schädigungstatbestandes des § 1 Abs. 2 VermG geführt haben und dem der Kläger die Rückübertragung seines Anwesens zu verdanken hat. Dass sein Vater konkrete, über diesen allgemeinen Sachverhalt hinausgehende Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass der Bestellung der in Rede stehenden Grundpfandrechte eine unlautere Machenschaft zugrunde gelegen hat, die das Verwaltungsgericht zu eben so konkreten, d.h. einzelfallbezogenen Ermittlungen hätten veranlassen müssen, legt der Kläger nicht nachvollziehbar dar. Vielmehr versucht er im Nachhinein anhand von bei der Beklagten geführten Aktenzeichen solche Anhaltspunkte zu konstruieren. Dies ist jedoch nicht geeignet, ein seinerzeit bestehendes gerichtliches Aufklärungsdefizit zu belegen.
2. Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Die vom Kläger als klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
"ob es mit Art. 3 GG zu vereinbaren ist, dass einerseits bei vom staatlichen Verwalter aufgenommenen Grundpfandrechten gemäß § 18 Abs. 2 VermG bei der Bestimmung der Höhe des Ablösebetrages Abschlagsbeträge berücksichtigt werden, während bei Grundpfandrechten aufgrund von Ratsbeschlüssen lediglich § 18 Abs. 3 VermG Anwendung findet, obwohl Teilungsunrecht vorliegt, weil entweder aufgrund des Beschlusses des Ministerrates der DDR vom 23.12.1976 gegenüber in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Grundstückseigentümern höhere Baupreise berechnet wurden oder aufgrund der Praxis der ehemaligen DDR-Behörden den Krediten keine entsprechenden Baumaßnahmen gegenüber standen, was insgesamt das Ziel hatte, die Mietwohngrundstücke durch eine gezielte Überschuldung schnellstmöglich in Volkseigentum zu überführen, wodurch sich dieses Verhalten auch als schädigende Maßnahme gemäß § 1 Abs. 3 VermG darstellt,"
wäre in einem Revisionsverfahren nicht zu beantworten, weil sie Tatsachen voraussetzt, die so nicht festgestellt worden sind. Soweit die Frage in einem Revisionsverfahren beantwortet werden müsste, ist sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Bereits in seinem Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 7 B 358.95 - (Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 2) hat der Senat im Einzelnen dargelegt, dass die unterschiedliche Berücksichtigung von Aufbaugrundpfandrechten in § 18 Abs. 2 und Abs. 3 VermG mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist. Sie knüpft in sachangemessener Weise daran an, dass die vom staatlichen Verwalter veranlassten Belastungen Folge eines vermögensrechtlichen Schädigungstatbestandes gewesen sind. Sie sind somit ihrerseits als Schädigung des Berechtigten anzusehen, soweit sie nicht im Einzelfall zu einer noch fortdauernden Bereicherung des Restitutionsgläubigers geführt haben. Dieser Bezug zu einem Schädigungstatbestand fehlt dagegen bei den vom Berechtigten selbst oder von einem privaten Verwalter bestellten Grundpfandrechten.
Dass dieser Bezug in derselben Weise bei Grundpfandrechten fehlt, deren Eintragung nach Maßgabe von Vorschriften staatlich angeordnet wurde, die sich nicht nur gegen Personen mit Wohnsitz außerhalb der DDR, sondern auch gegen Bürger der DDR richteten, ist ebenfalls in der Rechtsprechung geklärt (vgl. Beschluss vom 21. Mai 1997 - BVerwG 7 B 70.97 - Buchholz 428 § 16 VermG Nr. 1; Beschluss vom 5. Januar 1999 - BVerwG 8 B 206.98 - Buchholz a.a.O. § 18 VermG Nr. 6 sowie Beschluss vom 12. September 2000 - BVerwG 7 B 103.00 - Buchholz a.a.O. Nr. 11). Auch hier verwirklichte sich mit der Eintragung des Grundpfandrechts - anders als bei dessen Bestellung durch einen staatlichen Verwalter - lediglich ein Risiko, dem Bürger der DDR und Gebietsfremde gleichermaßen ausgesetzt waren. Dies rechtfertigt die notwendigerweise generalisierende unterschiedliche Behandlung der Betroffenen bei der Berechnung der Ablösebeträge.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.