Beschluss vom 19.10.2006 -
BVerwG 5 B 27.06ECLI:DE:BVerwG:2006:191006B5B27.06.0

Beschluss

BVerwG 5 B 27.06

  • OVG Rheinland-Pfalz - 08.12.2005 - AZ: OVG 12 A 10900/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und Dr. Brunn
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag der Klägerin, ihr unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3 Die Vorinstanz hat die Regelung in § 1 Nr. 2 des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - GSiG -, wonach die dort bezeichneten Personen auf Antrag die Leistungen nach diesem Gesetz erhalten, sofern sie „unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 des 6. Buches Sozialgesetzbuch“ sind, zu Recht in Übereinstimmung mit ihrem Wortlaut und den in der Entscheidung angeführten Belegstellen dahin verstanden, dass es für die Anwendung der in Bezug genommenen Vorschrift - nach § 43 Abs. 2 des 6. Buches Sozialgesetzbuch sind voll erwerbsgemindert „Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein“ - im Rahmen des Grundsicherungsgesetzes nicht darauf ankomme, ob die betreffende Person auf dem regionalen Arbeitsmarkt vermittlungsfähig sei, sondern der Anspruch auf Grundsicherungsleistungen ausschließlich vom Gesundheitszustand des Betreffenden abhänge.

4 Soweit die Beschwerde demgegenüber als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Fragen aufwirft,
„- ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich die vom OVG vertretene Auffassung
und falls ja,
- ist diese unterschiedliche rechtliche Bewertung verfassungskonform“,
rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Die Beschwerde hat weder das Bestehen ernsthafter Zweifel an der Richtigkeit der Gesetzesauslegung durch die Vorinstanz dargelegt noch in sonstiger Weise einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf begründet. Der allgemeine Hinweis auf die Schutzbedürftigkeit der Personengruppe, zu welcher die Klägerin in ihrer Eigenschaft als eingeschränkt arbeitsfähige Person gehört, genügt schon in Anbetracht der weiten Gestaltungsfreiheit, welche dem Gesetzgeber bei der Gewährung von Sozialleistungen zukommt, nicht den Anforderungen an die Darlegung einer rechtsgrundsätzlichen Bedeutung unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG).

5 2. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

6 Soweit die Beschwerde es als Verfahrensfehler ansieht, dass das Oberverwaltungsgericht als maßgeblichen Beurteilungszeitraum den zwischen der Stellung des Antrages auf Grundsicherung (21. Mai 2003) und dem Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung (7. November 2003) genannt habe, seiner Beurteilung dann aber ein erst am 11. Dezember 2004 erstelltes Gutachten zugrunde gelegt und gleichzeitig ein ärztliches Attest vom 21. Oktober 2005 als unerheblich betrachtet habe, obwohl beide Arzterklärungen nach dem Widerspruchsbescheid lägen, trägt sie dem Umstand nicht Rechnung, dass die Vorinstanz das erstgenannte Gutachten ausweislich der Entscheidungsgründe (UA S. 5 - 6) als für den streitgegenständlichen Zeitraum aussagekräftig verwendet habe, während das Attest vom 21. Oktober 2005 den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin betreffe und somit für den maßgeblichen Zeitraum ohne Bedeutung sei. Die sachliche Richtigkeit dieser Feststellungen wird auch von der Beschwerde nicht in Frage gestellt.

7 Soweit die Beschwerde weiter als Verfahrensfehler geltend macht, dass das Gericht als Prozessgegenstand lediglich den Zeitraum vom 21. Mai bis 7. November 2003 zugrunde gelegt habe, obwohl jeder Antrag auf Grundsicherung ohne Einschränkung zukunftsgerichtet sei, und daraus schließt, dass deshalb dem Beweisantrag betreffend das Attest vom 21. Oktober 2005 (Vernehmung des Dr. R. als sachverständigen Zeugen bzw. Anforderung eines Gutachtens) hätte stattgegeben werden müssen, verkennt sie, dass zwar die Leistungsbewilligung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zukunftsgerichtet ist (vgl. § 6 GSiG), es jedoch für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen maßgeblich auf den Zeitpunkt bis zur letzten Behördenentscheidung ankommt. Wenn sich die gesundheitlichen Anspruchsvoraussetzungen - wie ersichtlich im Falle der Klägerin - erst nachträglich ergeben, begründet dies keine rückwirkende Anspruchsentstehung für einen davor liegenden Zeitraum.

8 Aus den dargelegten Gründen kann der Klägerin Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden; es fehlt an der hinreichenden Erfolgsaussicht (§ 166 VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.