Beschluss vom 19.11.2002 -
BVerwG 4 B 66.02ECLI:DE:BVerwG:2002:191102B4B66.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.11.2002 - 4 B 66.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:191102B4B66.02.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 66.02

  • OVG Rheinland-Pfalz - 25.07.2002 - AZ: OVG 1 C 10270/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht Prof. Dr. R o j a h n und
Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
1. Die Beschwerde rügt in mehreren Punkten einen Verstoß gegen die Pflicht zur Sachaufklärung. Der insoweit geltend gemachte Verfahrensmangel ist jedoch nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmangels hätte dementsprechend substantiiert dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 8 C 10.84 - BVerwGE 74, 222 <223>). Wenn in der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht Beweisanträge gestellt worden sind und sich dieses Gericht in den Gründen seiner Entscheidung eingehend dazu äußert, weshalb auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung keine (weitere) Beweiserhebung erforderlich sei, bedarf es der Darlegung, dass das Gericht richtigerweise dennoch die beantragten Beweise hätte erheben müssen.
So verhält es sich hier. Denn das Oberverwaltungsgericht hat in seinen Urteilsgründen eingehend dargestellt, warum es den Beweisanträgen nicht stattgegeben hat. So hat es zunächst näher ausgeführt, aus welchen Gründen es den mit der Planrechtfertigung des planfestgestellten Vorhabens im Zusammenhang stehenden Beweisanträgen nicht nachgekommen ist (Urteil S. 17/18). Dem stellt die Beschwerde lediglich ihre entgegenstehende Auffassung darüber entgegen, weshalb in Wahrheit kein Bedarf für die planfestgestellte Bundesstraße bestehe. Dabei wiederholt sie ersichtlich weite Teile ihres Klagevorbringens (Beschwerde S. 5 bis 12). Dagegen fehlt eine fundierte rechtliche Auseinandersetzung mit den Gründen, die das Oberverwaltungsgericht für die Ablehnung der Beweisanträge anführt. Eine solche war jedoch umso mehr geboten, als das Oberverwaltungsgericht zugleich auf die Rechtsprechung des beschließenden Senats verweist, wonach der Bedarfsplan selbst dann nicht automatisch gegenstandslos wird, wenn die Prüfung, ob ein Anpassungsbedarf besteht, nicht innerhalb des Zeitrahmens des § 4 Satz 1 FStrAbG stattfindet (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <149> = NVwZ 2001, 673). Auch hinsichtlich der die konkrete Belastung der Kläger betreffenden Beweisanträge Nr. 4 und 5 lässt die Beschwerde die gebotene Auseinandersetzung mit den Gründen vermissen, die das Gericht für die Ablehnung dieser Anträge anführt (Urteil S. 33 ff.).
Soweit die Beschwerde Aufklärungsmängel hinsichtlich der vorhabenbezogenen Prüfung der Umweltverträglichkeit, der Auswirkungen "auf den Fremdenverkehr" und "auf den Weinbau" rügt, legt sie nicht substantiiert dar, dass sich der Vorinstanz auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung Aufklärungsmaßnahmen in diese Richtung hätten aufdrängen müssen.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>; stRspr).
Die Beschwerde wirft zunächst (Beschwerdebegründung S. 2) zwei Fragen auf, die von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung jedoch nicht zu Grunde gelegt hat. Denn es ist nicht zu dem Ergebnis gelangt, die Straße sei "nichtplangerechtfertigt" bzw. "ohne einzelfallbezogene Planrechtfertigung". Somit stellten sich die beiden Fragen in der von der Beschwerde formulierten Form dem Oberverwaltungsgericht nicht und könnten auch in einem Revisionsverfahren nicht zu Grunde gelegt werden. Davon abgesehen zielen beide Fragen, wenn man sie der genannten Prämissen entkleidet, auf eine Bewertung der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls, die sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entziehen. Dies gilt auch für die dritte in der Beschwerdebegründung ausformulierte Frage; welche Anforderungen an die Abwägung im Falle eines Weinbaubetreibers zu stellen sind, lässt sich ohne die jeweiligen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts nicht grundsätzlich klären. Ohne eine Frage auszuformulieren erwähnt die Beschwerde ferner die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die FFH-Richtlinie. Sie legt jedoch nicht weiter dar, welche Frage insoweit in einem Revisionsverfahren der Kläger über die bisher hierzu ergangene Rechtsprechung hinaus weiterer Klärung fähig und bedürftig wäre.
3. Auch die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde verweist insoweit auf das Urteil des beschließenden Senats vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - NVwZ 2002, 1243 und nimmt auf die Presseerklärung des Gerichts Bezug. Dieses Urteil befasst sich mit der Prüfung einer Alternative in einem Fall, in dem die planfestgestellte Trasse ein FFH-Gebiet durchschneidet. Vorliegend hat das Oberverwaltungsgericht das Vorliegen eines derartigen Gebiets nicht festgestellt, so dass die Darlegungsvoraussetzungen für eine Divergenzrüge offenkundig nicht erfüllt sind. Denn eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juni 1995 - BVerwG 8 B 44.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2 und vom 9. Oktober 1998 - BVerwG 4 B 98.98 - NVwZ 1999, 183). Hierfür ist nichts ersichtlich.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.