Beschluss vom 19.12.2003 -
BVerwG 5 B 1.03ECLI:DE:BVerwG:2003:191203B5B1.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.12.2003 - 5 B 1.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:191203B5B1.03.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 1.03

  • VGH Baden-Württemberg - 22.08.2002 - AZ: VGH 2 S 2641/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. R o t h k e g e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. August 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.
Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden.
Der Hinweis, die Rechtssache gebe "Gelegenheit, im Bereich der Jugendhilfeförderung für Kindertageseinrichtungen, konkret im Hortbereich im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB VIII, die möglichen Kriterien für eine - gleichmäßige - Förderung 'gleichartiger' Maßnahmen nach 'gleichen Grundsätzen und Maßstäben' zu klären", zeigt mit seinem offenen Bezug auf "die möglichen Kriterien" (noch) keinen Bezug zu einem für die Streitentscheidung bedeutsamen Kriterium auf.
Die folgende Frage: "Müssen 'Horte' im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB VIII, welche gleichartige Maßnahmen der Schülerbetreuung anbieten - trotz unterschiedlicher Betreuungszeiten, anteilig, entsprechend dieser unterschiedlichen Betreuungszeiten - nach gleichen Grundsätzen und gleichen Maßstäben gefördert werden (§ 74 Abs. 5 SGB VIII)?", enthält zwei Bestandteile. Die Frage, ob bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen sind, ist in § 74 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII direkt beantwortet und bedarf keiner revisionsgerichtlichen Klärung. Was aber gleichartige Maßnahmen der Kinder- bzw. Schülerbetreuung sind, ist Tatfrage und abhängig von den konkreten Gegebenheiten, deren Feststellung den Tatsacheninstanzen obliegt, zu entscheiden. Die Beurteilung zweier oder mehrerer Maßnahmen als gleichartig ist folglich als auf den jeweiligen Einzelfall bezogen keine allgemein klärungsfähige Rechtsfrage.
Die von der Klägerin angestrebte Bestimmung des Begriffes "Hort" in § 22 Abs. 1 SGB VIII ist keine für den vorliegenden Rechtsstreit klärungsbedürftige Frage. § 22 Abs. 1 SGB VIII nennt Horte als Beispiel für Tageseinrichtungen, gibt damit aber nicht für § 74 SGB VIII vor, dass die Förderung von Kindern in Horten im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB VIII unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung eine "gleichartige Maßnahme" sei. Das Berufungsgericht hat für die Beurteilung der Kinder- bzw. Schülerbetreuung der Klägerin einerseits und der anderer Träger andererseits als gleich- bzw. ungleichartige Maßnahme im Sinne von § 74 Abs. 5 SGB VIII nicht auf den Hortbegriff des § 22 Abs. 1 SGB VIII, sondern auf Art und insbesondere Umfang der Kinder- bzw. Schülerbetreuung in der jeweiligen Tageseinrichtung abgestellt. Deshalb hängt die Beurteilung "gleichartiger" Maßnahmen hier auch nicht von der Frage ab, "ob es sich bei den 'Schülertagheimgruppen' um 'Horte' im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB VIII handelt, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages (nachmittags) aufhalten".
Die Frage, "ob allein unterschiedliche Betreuungszeiten als Unterscheidungskriterium geeignet sind, um eine ungleiche Förderung in Methode und Höhe zu rechtfertigen", hat ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Denn das Berufungsgericht hat maßgeblich dafür, dass keine gleichartige Maßnahme vorliege, nicht allein auf unterschiedlich lange Betreuungszeiten abgestellt, sondern insbesondere für die Ungleichartigkeit angeführt, dass "weder an Vormittagen noch in Ferienzeiten Betreuung angeboten" werde und eine "Betreuung im Rahmen von Unterrichtsleistungen am Vormittag nur für die eigenen Schüler, nicht aber für schulfremde Kinder möglich" sei. Ob die Anknüpfung an solche Merkmale bei der von der Beklagten praktizierten strukturell unterschiedlichen Förderung von "Kinderhorten" und "Schülertagheimen" im konkreten Fall zu einer aus der Sicht des § 74 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII in Verbindung mit Art. 3 GG zu beanstandenden Ungleichbehandlung führt, wenn - wie die Beschwerde geltend macht - "bei diesen unterschiedlichen Betreuungszeiten ... keineswegs so wesentlich höhere Personalkosten zu verzeichnen (sind), als dass dies mehr als das ca. Dreifache an Förderung rechtfertigt", und "ob sich die Beklagte (mit dieser Förderungspraxis) konkurrenzneutral verhalten hat", hängt von den Umständen des Einzelfalls und deren Wertung ab.
Ausgehend von dieser Beurteilung des Berufungsgerichts der Kinder- bzw. Schülerbetreuung im Schülertagheim der Klägerin als nicht gleichartig mit der in Kinderhorten anderer Träger haben die Frage zur Zulässigkeit von nach System und Methode unterschiedlich bemessener Förderung und die Frage zum Anspruch auf gleichmäßige Förderung keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich deren Antwort dann unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Denn nicht gleichartige Maßnahmen verlangen nicht Förderung nach gleichen Grundsätzen und Maßstäben; insoweit ist die Förderungsentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen nicht durch § 74 Abs. 5 SGB VIII gebunden. Insbesondere besteht eine solche Bindung offensichtlich nicht in dem Sinne, dass - wie die Beschwerde geltend macht - ein "Anspruch auf gleichmäßige Förderung anteilig entsprechend der unterschiedlich angebotenen Betreuungszeiten (Teilhabeanspruch) " bestünde.
Der Vorhalt der Klägerin, die Verwaltung der Beklagten habe ohne Beschluss des Gemeinderates beziehungsweise des Jugendhilfeausschusses die Zuschüsse nicht in diesem Umfang kürzen dürfen, betrifft nicht revisibles Landesrecht und kann folglich nicht zur Zulassung der Revision führen.
Die Frage, ob unter dem Prinzip des Vertrauensschutzes und dem Gebot der partnerschaftlichen Zusammenarbeit (§ 4 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) eine Subventionskürzung zwar noch während eines laufenden Haushaltsjahres, jedoch erst nach Ablauf des alten und Beginn des neuen Schuljahres bekannt gegeben beziehungsweise durchgeführt werden kann, betrifft keine grundsätzliche Rechtsfrage zum Vertrauensschutz oder zum Gebot partnerschaftlicher Zusammenarbeit, sondern die Rechtsanwendung im Einzelfall mit der Gewichtung verschiedener für Vertrauensschutz und partnerschaftliche Zusammenarbeit maßgeblicher Kriterien. Das gilt in Bezug auf den für den Vertrauensschutz maßgeblichen Zeitraum, den die Klägerin im abgelaufenen beziehungsweise bereits begonnenen Schuljahr, das Berufungsgericht hingegen im Kalenderjahr als dem Bewilligungszeitraum sieht. Das gilt aber auch für die Beurteilung der Vorauszahlungen auf die noch offene Förderung für das Jahr 1994, die die Klägerin dahin verstanden wissen will, dass Vorauszahlungen auf dem Vorjahresniveau Vertrauen darauf rechtfertigten, dass sich die Förderungsbedingungen nicht ändern, während das Berufungsgericht die Vorauszahlungen nur als vorläufige Leistung unter dem Vorbehalt der endgültigen Förderungsentscheidung am Ende des Förderungszeitraums versteht.
Die Revision kann auch nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen werden.
Der Vorwurf der Klägerin, die Annahme des Berufungsgerichts, die Höhe der drei Abschlagszahlungen sei nicht mehr nach der Höhe der Vorjahreszahlungen kalkuliert worden, sondern hänge mit einem Telefonat vom 7. September 1994 zusammen, sei in keiner Weise nachvollziehbar und verstoße gegen Denkgesetze, behauptet zu Unrecht, das Berufungsgericht habe die Kalkulation der Vorauszahlungen an den Vorjahreszahlungen verneint. Das Berufungsgericht hat vielmehr angenommen, dass die "im Jahr 1994 geleisteten drei Abschlagszahlungen in der Höhe denen des Vorjahres entsprechen". Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Höhe der Abschlagszahlungen ginge nicht darauf zurück, dass ihnen der Verteilungsschlüssel 1993 zugrunde gelegt worden sei, wird zum einen nicht auf eine Schlussfolgerung des Gerichts, sondern den vom Berufungsgericht als unbestritten erachteten Vortrag der Beklagten gestützt. Zum anderen ist es nicht zu beanstanden, als vordergründigen Grund für die Höhe der Vorauszahlung nicht die Orientierung an einem bestimmten Verteilungsschlüssel, sondern schlicht die Höhe der Vorjahreszahlungen zu sehen, denen ihrerseits allerdings der Verteilungsschlüssel 1993 zugrunde lag. Jedenfalls kann die Entscheidung nicht auf dieser von der Klägerin beanstandeten Annahme des Berufungsgerichts beruhen. Denn das Berufungsgericht hat die Abschlagszahlungen für 1994 als der endgültigen Förderungsentscheidung nicht vorgreifende Vorauszahlungen verstanden und es in Bezug auf den Vertrauensschutz ausreichen lassen, wenn die maßgeblichen Förderungskriterien im laufenden Kalenderjahr, dem laufenden Bewilligungszeitraum bekannt sind. Das war im Streitfall unstreitig jedenfalls seit dem Schreiben vom 9. September 1994 der Fall.
Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen Denkgesetze im Zusammenhang mit der Annahme des Berufungsgerichts rügt, ihr sei der Verteilungsschlüssel schon mit Schreiben vom 24. Juli 1994 bekannt gegeben worden, betrifft dies eine Erwägung, auf die das Berufungsurteil nicht tragend gestützt ist.
Soweit die Klägerin mangelnde Aufklärung und eine "Überraschungsentscheidung" in Bezug auf "Kenntnis von einer möglichen Kürzung des Grundbetrages" rügt, verkennt sie, dass das Berufungsgericht nicht davon ausgegangen ist, die Klägerin habe während des Schuljahres 1993/1994 Kenntnis von einer möglichen Kürzung des Grundbetrages gehabt oder haben können. Vielmehr hat sich das Berufungsgericht insoweit nur zu den Umständen geäußert, auf die sich die Kürzung stützt: "Der Klägerin waren die Umstände (bereits für das Schuljahr 1993/1994 gab es unter bestimmten Voraussetzungen Landeszuschüsse), die eine Kürzung der Zuwendung nach sich zogen, bekannt."
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.