Verfahrensinformation

Die Kläger der drei Verfahren sind irakische Staatsangehörige, die wegen drohender Verfolgung durch das Regime Saddam Husseins in den Jahren 1997 bzw. 2002 als Flüchtlinge anerkannt wurden. Im Jahr 2005 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wegen der geänderten Verhältnisse im Irak ihre Flüchtlingsanerkennungen. Die Verwaltungsgerichte gaben den Klagen gegen die Widerrufsbescheide jeweils statt, während die Berufungsgerichte die Klagen abwiesen. In den Revisionsverfahren geht es in allen drei Verfahren u.a. um die Frage, ob der Widerruf einer Flüchtlingsanerkennung nach der durch das Zuwanderungsgesetz mit Wirkung ab 1. Januar 2005 eingefügten Vorschrift des § 73 Absatz 2a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG)* eine Ermessensentscheidung erfordert, wenn er nach dem 1. Januar 2005 ausgesprochen wird, sich aber auf eine Anerkennung vor diesem Zeitpunkt bezieht.


  • § 73 Abs. 2a AsylVfG lautet: „(2a) Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Absatz 1 oder eine Rücknahme nach Absatz 2 vorliegen, hat spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Das Ergebnis ist der Ausländerbehörde mitzuteilen. Ist nach der Prüfung ein Widerruf oder eine Rücknahme nicht erfolgt, so steht eine spätere Entscheidung nach Absatz 1 oder Absatz 2 im Ermessen. Bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme entfällt für Einbürgerungsverfahren die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag.“

Pressemitteilung Nr. 15/2007 vom 20.03.2007

Widerruf der Flüchtlingsanerkennung von Irakern

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in mehreren Verfahren über den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung von irakischen Staatsangehörigen entschieden, die noch zu Zeiten des Regimes Saddam Husseins nach Deutschland geflohen und hier als Flüchtlinge anerkannt worden waren. In den drei Fällen ging es vor allem um die in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung umstrittene verfahrensrechtliche Frage, ob Widerrufsbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) eine Ermessensentscheidung erfordern, wenn sie nach dem 1. Januar 2005 ergangen sind, sich aber auf Anerkennungen vor diesem Zeitpunkt beziehen. Das Erfordernis einer solchen Ermessensentscheidung ist in der mit Wirkung ab 1. Januar 2005 eingefügten Vorschrift des § 73 Abs. 2a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG)* geregelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die neue Vorschrift zwar im Grundsatz auch in derartigen Altfällen anwendbar ist. Es hat in allen drei Fällen aber eine Ermessensausübung des Bundesamts deshalb nicht für erforderlich gehalten, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren.


Die Kläger der drei Ausgangsverfahren sind in den Jahren zwischen 1997 und 2001 nach Deutschland eingereiste irakische Staatsangehörige, die das Bundesamt als Flüchtlinge anerkannt hatte, weil sie schon wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland mit Verfolgung durch das Regime Saddam Husseins hätten rechnen müssen. Im Jahr 2005 hat das Bundesamt diese Anerkennungen widerrufen, weil die Verfolgungsgefahr im Irak nach der Beseitigung dieses Regimes endgültig weggefallen sei und den Klägern auch nicht aus anderen Gründen neue Verfolgung drohe. Diese Entscheidungen sind als sogenannte gebundene Entscheidungen ohne Ausübung behördlichen Ermessens ergangen. Die Verwaltungsgerichte haben die Widerrufe zum Teil wegen Fehlens von Ermessenserwägungen nach § 73 Abs. 2a AsylVfG aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster haben dagegen die Widerrufsbescheide als rechtmäßig bestätigt. Sie haben dies damit begründet, dass den Klägern nach der Entmachtung Saddam Husseins und der Zerschlagung seines Regimes keine Verfolgungsmaßnahmen im Irak mehr drohten, und haben eine Ermessensausübung des Bundesamts nach dem neuen § 73 Abs. 2a AsylVfG nicht für erforderlich gehalten.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Auffassung der Obergerichte zu § 73 Abs. 2a AsylVfG im Ergebnis bestätigt. Die Vorschrift ist zwar im Grundsatz auch auf vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar gewordene Anerkennungen anwendbar. Das bedeutet aber nicht etwa, dass nach Ablauf von drei Jahren seit Unanfechtbarkeit der Anerkennung ein Widerruf nur noch im Wege einer für den Anerkannten günstigeren Ermessensentscheidung getroffen werden kann und darf. Denn nach dem in § 73 Abs. 2a AsylVfG vorgesehenen neuen zweistufigen Verfahren ist ein solches Ermessen erst dann eröffnet, wenn eine vorangegangene erste Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen stattgefunden und nicht zu einem Widerruf geführt hat (Negativentscheidung). Daran fehlt es in den vorliegenden Fällen. Darüber hinaus war auch die dem Bundesamt in der Vorschrift nunmehr gesetzte Frist für eine derartige erste Prüfung („spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung“) noch nicht abgelaufen, da diese neue Frist bei Altfällen erst mit dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 2005 zu laufen begonnen hat. Die Frage, was bei einer Versäumung der Prüfungsfrist zu gelten hat, stellte sich daher in den vorliegenden Fällen nicht.


Das Bundesverwaltungsgericht hat in den beiden vom VGH München entschiedenen Fällen deshalb die Revisionen der Kläger zurückgewiesen, soweit sie den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung betrafen. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Anerkennungen lagen nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des VGH über die tatsächlichen Verhältnisse im Irak vor. Die Widerrufsregelung in der EU-Qualifikationsrichtlinie (2004/83/EG) ist wegen ihrer Beschränkung auf nach dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellte Schutzanträge (Art. 14 Abs. 1) hier noch nicht anwendbar. In einem der beiden Fälle hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings die Sache bezüglich des hilfsweise geltend gemachten weiteren Begehrens auf subsidiären ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz an den VGH zurückverwiesen, weil dieser bislang einen solchen Anspruch des Klägers noch nicht geprüft hat.


Die Entscheidung des OVG Münster über den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung hat das Bundesverwaltungsgericht dagegen aufgehoben. Die Klägerin dieses Verfahrens hat vorgetragen, sie sei eine alleinerziehende Mutter und würde wegen Verlassens ihres Ehemannes bei einer Rückkehr in den Irak keine Aufnahme in ihrer Familie finden. Sie hat sich unter Hinweis auf eine Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe sinngemäß auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung alleinstehender Frauen ohne familiären Rückhalt durch private Akteure berufen. Da das OVG diese Frage nicht näher untersucht und auf zu schmaler Tatsachengrundlage verneint hat, ist das Verfahren insoweit zur Nachholung der notwendigen Feststellungen an das OVG zurückverwiesen worden.


BVerwG 1 C 21.06 - Urteil vom 20.03.2007

BVerwG 1 C 34.06 - Urteil vom 20.03.2007

BVerwG 1 C 38.06 - Urteil vom 20.03.2007


Beschluss vom 26.10.2006 -
BVerwG 1 B 130.06ECLI:DE:BVerwG:2006:261006B1B130.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.10.2006 - 1 B 130.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:261006B1B130.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 130.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Oktober 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Hund
beschlossen:

  1. Dem Kläger wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ..., ..., beigeordnet.
  2. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 6. Juli 2006 wird aufgehoben.
  3. Die Revision wird zugelassen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 VwGO, § 114 ZPO.

2 Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG auf Widerrufsbescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge anwendbar ist, die nach dem 1. Januar 2005 ergangen sind, sich aber auf einen Anerkennungsbescheid (hier: nach § 51 Abs. 1 AuslG) aus der Zeit vor dem 1. Januar 2005 beziehen.

3 Auf die weiteren Revisionszulassungsrügen kommt es danach nicht an.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 38.06 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Urteil vom 20.03.2007 -
BVerwG 1 C 38.06ECLI:DE:BVerwG:2007:200307U1C38.06.0

Urteil

BVerwG 1 C 38.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Richter,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juli 2006 wird geändert, soweit es Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG betrifft.
  2. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
  4. Der Kläger trägt die Hälfte der Kosten des gesamten bisherigen Verfahrens. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Flüchtlingsanerkennung (Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) und die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen.

2 Der nach seinen Angaben 1968 in Anbar geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Religion. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet beantragte er im September 1997 Asyl. Hierzu führte er u.a. aus, die Polizei habe anlässlich des Treffens bei einem Freund seines jüngeren Bruders eine Hausdurchsuchung gemacht und einige Freunde festgenommen. Bei ihnen zu Hause hätten sie ebenfalls das Haus durchsucht. Die Freunde sollen wegen politischer Aktivitäten festgenommen worden sein. Deswegen habe er Ende August 1997 den Irak illegal verlassen. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1997 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - den Asylantrag ab, stellte aber fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Wegen der illegalen Ausreise und der Stellung des Asylantrags in Deutschland drohten dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak Verfolgungsmaßnahmen.

3 Mit Bescheid vom 31. Oktober 2005 widerrief das Bundesamt die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (Nr. 1 des Bescheids), und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (Nr. 2) noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (Nr. 3) vorliegen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die politische Situation im Irak habe sich durch die im März 2003 begonnene Militäraktion unter Führung der USA grundsätzlich verändert. Die Baath-Regierung unter Saddam Hussein habe ihre politische und militärische Herrschaft über den Irak verloren. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger von der nun herrschenden irakischen Übergangsregierung oder von sonstigen - auch nichtstaatlichen - Akteuren verfolgt würde, bestünden nicht.

4 Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Widerruf (Nr. 1 des Bescheids) aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof München hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage gegen Nr. 1 des Bescheids abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Kläger habe zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in absehbarer Zukunft bei Rückkehr in den Irak infolge der inzwischen eingetretenen grundlegenden Änderung der Verhältnisse keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 AufenthG. Wegen seines Asylantrags und seiner illegalen Ausreise drohten ihm nach der Entmachtung Saddam Husseins und der Zerschlagung des Regimes keine Verfolgungsmaßnahmen im Irak mehr. Weder von den Koalitionstruppen noch von der irakischen Regierung hätten Exiliraker Gefährdungen zu erwarten. Trotz der schwierig abzuschätzenden künftigen Verhältnisse im Irak bestehe für eine Änderung der Situation zum Nachteil des Klägers kein Anhalt. Zwar fänden vermehrt Anschläge statt, die aber an der grundsätzlichen Kontrolle des Staatsgebiets auch durch alliierte Kräfte nichts änderten. Allerdings seien im Irak terroristische Anschläge an der Tagesordnung. Die allgemeine Sicherheitslage sei nach der Beendigung der Hauptkampfhandlungen im Mai 2003 hochgradig instabil. Ziel der in ihrer Intensität zunehmenden Anschläge sei es, Furcht und Schrecken zu verbreiten, Gewalttätigkeiten verschiedener irakischer Bevölkerungsgruppen gegeneinander zu provozieren und das Land insgesamt zu destabilisieren. Gemessen an der Vielzahl der Anschläge auf verschiedene Bevölkerungsgruppen durch nichtstaatliche Akteure seien die Übergriffe auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe aber nicht derart häufig, dass sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegenwärtig und in näherer Zukunft eine Gruppenverfolgung begründen könnten. Damit seien die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 AslyVfG erfüllt. Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass er u.a. Probleme mit Leuten befürchte, die Freunde von ihm 1997 festgenommen haben sollen und dass ihm Schadenersatzforderungen wegen eines von ihm in den Irak geschickten und dort in Brand gesetzten Containers drohten, rechtfertige keine andere Beurteilung. Es sei unschlüssig, gesteigert und deshalb unglaubhaft. Schließlich habe das Verwaltungsgericht über die Voraussetzungen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG noch nicht entschieden. Insoweit sei der Rechtsstreit nicht in der Berufungsinstanz anhängig geworden.

5 Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision. Er macht geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass der angegriffene Widerrufsbescheid wegen fehlender Ermessensbetätigung rechtswidrig sei. § 73 Abs. 2a AslyVfG sei nämlich auch auf Widerrufsbescheide anzuwenden, die - wie hier - vor dem 1. Januar 2005 ergangene Anerkennungsentscheidungen beträfen. Angesichts des § 77 AsylVfG und im Hinblick auf das Fehlen einer gesetzlichen Übergangsregelung könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Anwendung des § 73 Abs. 2a AsylVfG um drei Jahre ab dem 1. Januar 2005 habe aufschieben wollen. Darüber hinaus erschöpfe sich Art. 1 C GFK nicht in dem Schutz vor politischer Verfolgung im Sinne von Art. 1 A GFK. Vielmehr sei der Flüchtlingsstatus geschützt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem es dem Flüchtling zumutbar möglich sei, in sein Heimatland zurückzukehren, da dort Mindestbedingungen einer staatlichen Friedensordnung und einer menschenwürdigen Existenzgrundlage gegeben seien. Weiter liege ein Verfahrensmangel darin, dass das Berufungsgericht im Rahmen der Entscheidung über § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG nicht die familiäre Situation und den Integrationsstand des Klägers in Deutschland aufgeklärt habe. Schließlich habe das Berufungsgericht nur teilweise über den Streitgegenstand entschieden. Namentlich fehle es an Entscheidungen zu Nr. 2 und 3 des angegriffenen Bescheids.

6 Die Beklagte verteidigt die angegriffene Berufungsentscheidung.

II

7 Die Revision ist nur teilweise begründet. Das Berufungsgericht hat den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung des Klägers in Übereinstimmung mit Bundesrecht als rechtmäßig angesehen. Insoweit hat die Revision keinen Erfolg (1.). Soweit das Berufungsgericht dagegen über das Hilfsbegehren des Klägers auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG nicht entschieden hat, ist die Revision begründet (2.). Das Berufungsurteil beruht insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da der Senat über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG mangels diesbezüglicher Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend selbst entscheiden kann, ist die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

8 1. Das Berufungsgericht hat den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung des Klägers (Nr. 1 des angegriffenen Bescheids) revisionsrechtlich beanstandungsfrei als rechtmäßig bestätigt.

9 a) Das Berufungsgericht ist entgegen der Ansicht der Revision im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der angefochtene Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG als gebundene Entscheidung ergehen konnte und nicht nach Maßgabe von § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG eine Ermessensausübung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - erforderte (UA S. 5 f.). § 73 Abs. 2a AsylVfG gilt grundsätzlich auch für den nach dem 1. Januar 2005 ausgesprochenen Widerruf von Anerkennungen, die vor diesem Zeitpunkt unanfechtbar geworden sind, allerdings mit der Maßgabe, dass die darin vorgesehene neue Drei-Jahres-Frist, nach deren Ablauf das Bundesamt spätestens erstmals die Widerrufsvoraussetzungen prüfen muss, erst vom 1. Januar 2005 an zu laufen beginnt. Dies hat der Senat im Einzelnen in seinem Urteil vom heutigen Tag im Verfahren BVerwG 1 C 21.06 (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) ausgeführt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

10 Für den Fall des Klägers bedeutet dies, dass § 73 Abs. 2a AsylVfG zwar auf den angefochtenen Widerrufsbescheid anwendbar ist, dass aber die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung des Bundesamts in seinem Fall nicht erfüllt sind, weil es an der erforderlichen vorherigen sachlichen Prüfung und Verneinung der Widerrufsvoraussetzungen durch das Bundesamt fehlt. Aus der vom Bundesamt der Ausländerbehörde auf Anfrage im November 2004 übersandten Mitteilung, dass „zur Zeit von einem Widerruf abgesehen wird, da aufgrund behördeninterner Priorisierungen andere Personengruppen vorrangig zu bearbeiten sind“, ergibt sich, dass zum damaligen Zeitpunkt eine derartige Prüfung und Negativentscheidung nicht stattgefunden hat. Somit kann offen bleiben, ob eine Prüfung und Verneinung der Widerrufsvoraussetzungen vor dem 1. Januar 2005 das Erfordernis einer Ermessensentscheidung begründet hätte. Eine Prüfung und Negativentscheidung ist auch nicht etwa pflichtwidrig unterblieben, denn die ab 1. Januar 2005 laufende Drei-Jahres-Frist war zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen. Es kann deshalb offen bleiben, welche Rechtsfolgen sich an eine pflichtwidrige Unterlassung der Prüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG knüpfen, insbesondere, ob diese Prüfungspflicht nur im öffentlichen Interesse oder nicht zumindest auch im Interesse des anerkannten Asylberechtigten oder Flüchtlings besteht.

11 b) Auch das Vorliegen der sonstigen formellen Voraussetzungen für den Widerruf hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler bejaht. Weder im Hinblick auf die Unverzüglichkeit des Widerrufs im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch im Hinblick auf die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG bestehen gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids Bedenken. Denn das Gebot der Unverzüglichkeit des Widerrufs dient ausschließlich öffentlichen Interessen, so dass ein etwaiger Verstoß dagegen keine Rechte des betroffenen Ausländers verletzt (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 - Rn. 13 m.w.N.). Ob die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG auch in Widerrufsverfahren nach § 73 Abs. 1 AsylVfG gilt, bedarf hier weiterhin keiner Entscheidung, da die Jahresfrist, die frühestens nach einer Anhörung des Klägers mit angemessener Frist zur Stellungnahme zu laufen beginnt (stRspr, vgl. ebenfalls Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. und Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <292>), hier eingehalten wäre. Das Bundesamt hat nämlich die Anerkennung mit Bescheid vom 31. Oktober 2005 widerrufen, nachdem es den Kläger mit Schreiben vom 9. August 2005 angehört und ihm eine einmonatige Frist zur Stellungnahme gesetzt hatte.

12 c) Das Berufungsgericht hat ferner das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung des Klägers auf der Grundlage seiner nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen ohne Verstoß gegen Bundesrecht bejaht und den angefochtenen Bescheid insoweit zutreffend als rechtmäßig bestätigt.

13 aa) Rechtsgrundlage für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung (Nr. 1 des Bescheids) ist § 73 Abs. 1 AsylVfG in der Fassung des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes. Danach ist - vorbehaltlich des Satzes 3 - die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen (Flüchtlingsanerkennung), unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Die Anerkennung ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG insbesondere zu widerrufen, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <281> m.w.N. und Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 - Rn. 16). Beruft sich der Flüchtling darauf, dass ihm bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat nunmehr eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung drohe, ist dabei der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Leitsatz 2 und Rn. 26). Ändert sich im Nachhinein lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage, so rechtfertigt dies den Widerruf nicht (vgl. Urteil vom 1. November 2005 a.a.O. <281> und Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 26 jeweils m.w.N.).

14 An den genannten und den weiteren in diesen Urteilen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung aufgestellten Grundsätzen ist - entgegen der Ansicht der Revision - auch in Ansehung der am 20. Oktober 2004 in Kraft getretenen Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl Nr. L 304/12 vom 30. September 2004) - Qualifikationsrichtlinie -, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10. Oktober 2006 (Art. 38 Abs. 1) grundsätzlich unmittelbar anzuwenden ist, festzuhalten. Die Revision berücksichtigt nicht, dass die den Widerruf betreffenden Bestimmungen der Richtlinie über die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 14 i.V.m. Art. 11) im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar sind. Denn sie gelten gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie nur bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie gestellt werden. Der dem hier streitigen Widerruf zugrunde liegende Asylantrag wurde vom Kläger aber bereits 1997 und damit vor Inkrafttreten der Richtlinie gestellt. Abgesehen davon ist auch nicht erkennbar, dass sich für den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft aus Art. 14 i.V.m. Art. 11 der Richtlinie, der wörtlich an die entsprechenden Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention anknüpft, inhaltlich etwas anderes ergibt als aus § 73 Abs. 1 AsylVfG, der nach der Rechtsprechung des Senats ebenfalls im Sinne von Art. 1 C Nr. 5 und 6 GFK auszulegen und anzuwenden ist. Insoweit und wegen der weiteren Einzelheiten zur Auslegung von § 73 Abs. 1 AsylVfG wird wiederum auf das Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren BVerwG 1 C 21.06 Bezug genommen.

15 bb) Nach den genannten Grundsätzen durfte das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner im Revisionsverfahren nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und für das Revisionsgericht bindenden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) tatrichterlichen Feststellungen und Prognosen annehmen, dass die im Anerkennungsbescheid angenommene ursprüngliche Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Irak wegen der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Deutschland mit der Beseitigung des Regimes von Saddam Hussein inzwischen weggefallen ist. Nach seinen Feststellungen hat nämlich dieses Regime durch die am 20. März 2003 begonnene Militäraktion unter Führung der USA seine politische und militärische Herrschaft über den Irak endgültig verloren (UA S. 7). Mit der Zerschlagung der Machtstrukturen dieses Regimes sei eine asylrelevante Verfolgung irakischer Staatsangehöriger durch dieses Regime nicht mehr möglich. Die Kriegsalliierten in Verbund mit der neu gewählten irakischen Regierung würden die Errichtung eines neuen irakischen Regimes ähnlich dem des gestürzten Machthabers Saddam Hussein in überschaubarer Zeit nicht zulassen. Es sei deshalb auch mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen, dass sich eine Staatsgewalt neu etablieren könne, „von der Irakern in Anknüpfung an das gegen das untergegangene Regime angeblich gerichtete eigene Tun Übergriffe drohten“ (UA S. 8 f.).

16 Die weiteren Feststellungen der Berufungsentscheidung tragen auch den Schluss, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr in den Irak nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Der Kläger hat danach weder von den Koalitionstruppen noch von der jetzigen irakischen Regierung Gefährdungen zu erwarten. Auch eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, wie sie jetzt gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG zu berücksichtigen ist, droht dem Kläger danach nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (UA S. 10). Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 2006 rechtfertige keine andere Beurteilung, da es unschlüssig, gesteigert und deshalb unglaubhaft sei (UA S. 11), ist hiergegen revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Die Revision hat sich gegen diese Würdigung des genannten Vorbringens nicht mit durchgreifenden Rügen gewandt.

17 Ferner scheitert der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung des Klägers auch nicht am Fehlen jeglicher staatlicher oder quasistaatlicher Herrschaftsmacht im Irak im Sinne einer übergreifenden prinzipiell schutz- und verfolgungsmächtigen Ordnung von gewisser Dauer (vgl. hierzu Urteil vom 20. Februar 2001 - BVerwG 9 C 20.00 - BVerwGE 114, 16 <21 ff.>). Es kann (weiterhin) offen bleiben, ob das völlige Fehlen einer solchen Herrschaftsmacht im Herkunftsstaat - unabhängig vom Wegfall der Verfolgungsgefahr - dem Widerruf der Anerkennung entgegenstünde (vgl. auch Urteil vom heutigen Tag im Verfahren BVerwG 1 C 21.06 ). Den Feststellungen der Berufungsentscheidung lässt sich nämlich entnehmen, dass das Berufungsgericht trotz der mancherorts außer Kontrolle geratenen Sicherheitslage vom Vorhandensein einer „grundsätzlichen Kontrolle des Staatsgebiets auch durch alliierte Kräfte“ ausgeht (UA S. 9). Nach diesen und den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts zu den inzwischen geschaffenen staatlichen Strukturen im Irak, gegen die durchgreifende Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind, sind auch die Anforderungen an das Bestehen einer staatlichen oder staatsähnlichen Gewalt im Sinne einer prinzipiell schutz- und verfolgungsmächtigen Ordnung - wenn auch möglicherweise nicht in allen Teilen des Staatsgebiets - nach den Maßstäben der oben erwähnten Rechtsprechung erfüllt.

18 Das Berufungsgericht ist schließlich auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG hier nicht gegeben sind. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und das Vorbringen des Klägers rechtfertigen nicht die Annahme, dass dieser sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe - mithin Nachwirkungen früherer Verfolgungsmaßnahmen - berufen kann, um die Rückkehr in den Irak abzulehnen (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Urteil vom 1. November 2005 a.a.O. <289 ff.>). Ohne Erfolg macht die Revision einen Verfahrensmangel geltend, der darin liege, dass das Berufungsgericht insoweit die familiäre Situation sowie den Integrationsstand des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland nicht aufgeklärt habe. Die Revision zeigt nicht - wie erforderlich - auf, dass der Kläger im Berufungsverfahren einen entsprechenden Antrag gestellt hat, noch gibt sie an, inwiefern sich eine derartige Aufklärung auf der Grundlage der materiellen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, das ersichtlich der einschlägigen Rechtsprechung des Senats gefolgt ist, hätte aufdrängen müssen. Vielmehr kommt es auf die von der Revision in diesem Zusammenhang geltend gemachten Gesichtspunkte nicht an.

19 d) Erweist sich damit der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung in Nr. 1 des angegriffenen Bescheids als rechtmäßig, so ist auch die in Nr. 2 enthaltene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Feststellung hat ohnehin keinen selbständigen Regelungscharakter. Denn das Nichtvorliegen der genannten Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerruf ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des in Nr. 1 ausgesprochenen Widerrufs und vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang geprüft worden.

20 e) Soweit in dem Revisionsbegehren ein isolierter Anfechtungsantrag auf Aufhebung der negativen Feststellungen zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG mangels Zuständigkeit des Bundesamts enthalten sein sollte, kann offen bleiben, ob ein derartiger Antrag überhaupt erforderlich ist. Es spricht viel dafür, dass Nr. 3 des Widerrufsbescheids so auszulegen ist, dass die Feststellungen zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nur für den Fall der Unanfechtbarkeit des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung getroffen werden sollten (vgl. zu einer entsprechenden Auslegung der Feststellung des Bundesamts zum ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz - damals nach § 53 AuslG - bei Ablehnung des Asylantrags Urteil vom 26. Juni 2002 - BVerwG 1 C 17.01 - BVerwGE 116, 326 <331>). Dann würden diese Feststellungen mit der Aufhebung des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung ohne weiteres gegenstandslos. Deren gerichtliche Aufhebung wäre dann rein deklaratorisch. Unabhängig hiervon kann ein auf die Aufhebung von Nr. 3 des Bescheids gerichteter isolierter Anfechtungsantrag hier keinen Erfolg haben (vgl. zur isolierten Anfechtungsklage auch Urteil vom 21. November 2006 - BVerwG 1 C 10.06 - juris), da der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung rechtmäßig ist und damit an der Zuständigkeit des Bundesamts für die Feststellungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG kein Zweifel besteht.

21 2. Hinsichtlich des Hilfsbegehrens des Klägers auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG hat die Revision Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, der Rechtsstreit sei insoweit noch in der ersten Instanz anhängig und nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden (UA S. 4, 11). Es hat allerdings im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Kläger einen derartigen Hilfsantrag in der ersten Instanz gestellt hat. Es entspricht nämlich der typischen Interessenlage des im Verwaltungsverfahren unterlegenen Asylsuchenden, sein dem Verwaltungsgericht unterbreitetes Rechtsschutzbegehren - wenn es nicht ausnahmsweise deutlich erkennbar eingeschränkt sein sollte - sachlich umfassend auszulegen und im Zweifel von einem auf Feststellung von Abschiebungsverboten gerichteten Hilfsbegehren auszugehen (vgl. Urteil vom 21. November 2006 - BVerwG 1 C 10.06 - juris Rn. 12 f.). Dies gilt entsprechend auch für die Klage gegen einen Widerrufsbescheid des Bundesamts, in dem zugleich das Vorliegen von ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten verneint wird. Für eine Einschränkung dieses Begehrens bestehen hier keine hinreichenden Anhaltspunkte.

22 Das Berufungsgericht hätte aber, da es den Hauptantrag des Klägers abgewiesen hat, über das in Rede stehende Hilfsbegehren entscheiden müssen. Da das Verwaltungsgericht dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben hat, hat es folgerichtig über den Hilfsantrag nicht entschieden. Durch die auf den Antrag der Beklagten vom Berufungsgericht zugelassene Berufung ist das Klagebegehren einschließlich des Hilfsantrags in der Berufungsinstanz angefallen. Dass ein Hilfsantrag, über den die Vorinstanz nicht zu entscheiden brauchte, weil sie dem Hauptantrag entsprochen hat, durch das Rechtsmittel der Gegenseite gegen die Verurteilung nach dem Hauptantrag ebenfalls in der Rechtsmittelinstanz anfällt, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 19.96 - BVerwGE 104, 260; Beschlüsse vom 20. September 2004 - BVerwG 1 B 27.04 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 81 und vom 22. November 2006 - BVerwG 1 B 159.06 - juris).

23 Der Senat kann mangels diesbezüglicher Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts über das Hilfsbegehren nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist deshalb insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.