Beschluss vom 20.05.2003 -
BVerwG 7 B 97.02ECLI:DE:BVerwG:2003:200503B7B97.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.05.2003 - 7 B 97.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:200503B7B97.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 97.02

  • VG Chemnitz - 02.05.2002 - AZ: VG 9 K 934/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Mai 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
G ö d e l und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
  2. Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 2. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
  3. Die Klägerinnen tragen als Gesamtschuldnerinnen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 226 093,26 € festgesetzt.

I


Die Klägerinnen begehren die Rückübertragung eines Grundstücks nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes. Ihr Antrag wurde von dem Vermögensamt abgelehnt, weil die notarielle Veräußerung des Unternehmens und der dazugehörenden Grundstücke durch die Klägerin zu 2 und die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 den Tatbestand der unlauteren Machenschaften ungeachtet der geltend gemachten rechtlichen Mängel - insbesondere der Missachtung der angeordneten Testamentsvollstreckung sowie des Vertretungsmangels auf Seiten des staatlichen Erwerbers - nicht erfüllte. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wesentlichen aus demselben Grunde abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

II


Die Beschwerde der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch leidet das angefochtene Urteil unter den geltend gemachten Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Die von den Klägerinnen aufgeworfene Frage,
ob die Übergehung des Testamentsvollstreckers entgegen § 2211 BGB allein oder auch ggf. mit weiteren zivilrechtlichen Mängeln der Vertretungs- und Verfügungsbefugnis den Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllt,
ist nicht grundsätzlich bedeutsam. Eine fallübergreifende Bedeutung ist von ihrer Beantwortung nicht zu erwarten. Sie hängt nämlich maßgeblich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und erfordert eine Gesamtwürdigung des jeweiligen Sachverhalts. Davon geht zu Recht auch das angefochtene Urteil aus. Seine Annahme, eine unlautere Machenschaft bei Verletzung von Verfahrensvorschriften sei davon abhängig, ob der Verstoß bewusst mit dem Ziel erfolgt sei, auf diese Weise Zugriff auf das Eigentum des Betroffenen zu nehmen, entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Diesen manipulativen Zugriff hat es unter Würdigung der konkreten Fallumstände sowohl mit Blick auf den behaupteten Vertretungsmangel auf Seiten des Erwerbers als auch hinsichtlich der objektiven Missachtung der Testamentsvollstreckung verneint. Dabei kann - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - dem Umstand Bedeutung zukommen, dass die Verkäuferinnen von der Anordnung der Testamentsvollstreckung Kenntnis hatten und gleichwohl den Kaufvertrag - ohne Beanstandungen zu erheben - abschlossen. Allein der Umstand, dass die Beschwerde diese Beurteilung nicht teilt, verleiht der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
2. Die Verfahrensrüge greift ebenfalls nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die ihm obliegende Pflicht zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Die anwaltlich vertretenen Klägerinnen haben im Verhandlungstermin am 2. Mai 2002 keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Unter diesen Umständen könnte die Verfahrensrüge nur dann Erfolg haben, wenn sich dem Verwaltungsgericht auf der maßgeblichen Grundlage seiner eigenen materiellen Rechtsauffassung von Amts wegen weitere Ermittlungen zu entscheidungserheblichen Fragen hätten aufdrängen müssen. Diese Voraussetzungen hat die Beschwerde nicht dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
a) Das Verwaltungsgericht musste die Parteivernehmung der Klägerin zu 1, die an der seinerzeitigen Kaufvertragsverhandlung nicht beteiligt war, im Zusammenhang mit deren Bewertung als unlautere Machenschaft nicht in Erwägung ziehen. Im Klageverfahren war hierzu lediglich vorgetragen worden (Schriftsatz vom 24. April 2002), der Klägerin zu 1 sei "noch genau erinnerlich, wie sich deren Vater, der Testamentsvollstrecker M.W., gegen die Veräußerung wendete". Auf der Basis der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kam es auf diese Aussage nicht entscheidungserheblich an. Denn das Verwaltungsgericht geht bei der Prüfung des § 1 Abs. 3 VermG davon aus, dass sich die Klägerinnen zur Begründung einer schädigenden Maßnahme nicht auf begangene Rechtsverstöße berufen können, an denen sie selbst bzw. ihre Rechtsvorgängerin beteiligt waren, ohne hierzu durch Nötigung oder Täuschung gezwungen gewesen zu sein (vgl. UA S. 11). Daran würde die unter Beweis gestellte Feststellung des fehlenden Einverständnisses des Testamentsvollstreckers nichts ändern.
b) Die unterbliebene Zeugenvernehmung des früheren Steuerberaters des Unternehmens begründet ebenfalls keinen Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen könnte. Im für die Sachaufklärung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (2. Mai 2002) stand dieser Zeuge als Beweismittel nicht mehr zur Verfügung, weil er nach den Angaben der Klägerinnen bereits zuvor, nämlich am 17. April 2002, verstorben war. Soweit es um die Einschätzung der steuerlichen Behandlung des Unternehmens durch die DDR-Behörden geht, hat das Verwaltungsgericht dessen im Verwaltungsverfahren festgehaltene Auffassung gewürdigt (UA S. 11 f.) und daraus gefolgert, auch er habe deren Übereinstimmung mit der Rechtsordnung der DDR bestätigt (vgl. hierzu Beschluss vom 31. Mai 2001 - BVerwG 8 B 44.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 25). Mit Blick darauf musste sich dem Verwaltungsgericht weiterer Ermittlungsbedarf nicht aufdrängen. Die im Beschwerdeverfahren aus einem Vermerk des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen über eine Aussage des Steuerberaters zitierten "manipulativen Verstöße in bilanzrechtlicher bzw. steuerrechtlicher Hinsicht" hätten von den Klägerinnen ins Klageverfahren eingeführt und ggf. zum Gegenstand eines Beweisantrages gemacht werden müssen. Dieses Versäumnis kann durch die Aufklärungsrüge im Beschwerdeverfahren nicht mehr wettgemacht werden.
Soweit die Beschwerde nunmehr ferner angibt, die vermisste Beweisaufnahme hätte ergeben, dass "staatlicher Machtmissbrauch hier speziell in der Gestaltung der Übergehung des Testamentsvollstreckers vorgelegen hatte", bezeichnet sie keine konkreten, in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachen, sondern lediglich rechtliche Folgerungen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.