Beschluss vom 20.08.2004 -
BVerwG 5 B 2.04ECLI:DE:BVerwG:2004:200804B5B2.04.0

Beschluss

BVerwG 5 B 2.04

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 16.10.2003 - AZ: OVG 2 A 4116/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. August 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. R o t h k e g e l und
Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Ober-verwaltungsgerichts ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde als alleiniger Zulassungsgrund beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Beschwerde strebt eine "allgemeine Klärung" an, "welcher objektive Prüfungs- bzw. Feststellungszeitpunkt für die Frage entscheidungserheblich ist, ob jemand im Sinne ... des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG (Fassung des am 07.09.2001 in Kraft getretenen Spätaussiedlerstatusgesetzes vom 30.08.2001) im Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund familiärer Vermittlung ein einfaches Gespräch auf deutsch führen kann", sowie "ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen beim Vorliegen eines eindeutigen und nachvollziehbaren Sprachtests, demzufolge eine den gesetzlichen Anforderungen zweifellos nicht genügende deutsche Sprachkompetenz festgestellt worden ist, ein bei einer späteren, vor der Ausreise stattgefundenen Gelegenheit, beispielsweise ... einer gerichtlichen Anhörung konstatiertes, für ein einfaches Gespräch ausreichendes deutsches Sprachvermögen noch entsprechend dem gesetzlichen Wortlaut als auf Grund familiärer Vermittlung erworben angesehen werden kann". Diese Fragen bedürfen indessen in rechtsgrundsätzlicher Hinsicht keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, wie dies Voraussetzung für die Annahme grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist.
Soweit es um den Zeitpunkt geht, zu dem die Fähigkeit, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, vorliegen muss, ergibt sich die Antwort bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes ("im Zeitpunkt der Aussiedlung"); außerdem hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 4. September 2003 - BVerwG 5 C 33.02 - (BVerwGE 119, 6 <8>) klargestellt, dass insoweit auf den Zeitpunkt der Aussiedlung abzustellen ist. Es versteht sich damit von selbst - und bedarf deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren -, dass tatsächliche Feststellungen zum gesetzlich geforderten Sprachvermögen auch noch im Verlauf eines um die Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland geführten Verwaltungsrechtsstreits getroffen werden können, so dass das negative Ergebnis eines im Verwaltungsverfahren früher durchgeführten Sprachtests es also nicht ausschließt, dem Sprachvermögen eines Aufnahmebewerbers auch noch später, "beispielsweise (in) einer gerichtlichen Anhörung", vor der Aussiedlung (nochmals) nachzugehen.
Auf die Frage, ob das Erfordernis, dass das von § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG vorausgesetzte Sprachvermögen auf familiärer Vermittlung beruhen muss, es zulässt, einen "nachträglichen Erwerb einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden deutschen Sprachfähigkeit" zu berücksichtigen, käme es in einem Revisionsverfahren in vorliegender Sache nicht entscheidungserheblich an; denn die Vorinstanzen haben nicht in Zweifel gezogen, dass zwischen der Fähigkeit, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, und einer familiären Vermittlung dieser Fähigkeit ein "kausaler Bezug" (BVerwG, a.a.O., S. 9) bestehen muss. Das Oberverwaltungsgericht ist vielmehr nur der Schlussfolgerung der Beklagten entgegengetreten, dass "eine familiäre Vermittlung ... nicht gegeben (sei), weil angesichts des Ergebnisses des Sprachtests die Klägerin ihre Sprachkenntnisse im Wesentlichen nach der Anhörung durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Almaty erworben haben" müsse. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Schlussfolgerung nicht zwingend ist, wenn die - erstmalige - Ermittlung des Sprachvermögens der Klägerin zu 1 im Verwaltungsverfahren ergeben hat, dass ihre Deutschkenntnisse das erforderliche Sprachniveau nicht aufwiesen, von diesem Ergebnis aber bei den gerichtlichen Ermittlungen, ob die Klägerin zu 1 deutsche Volkszugehörige ist, - wie dargelegt - nicht als maßgeblich auszugehen ist.
Auch mit dem Standpunkt des Oberverwaltungsgerichts, dass eine Auffrischung oder Vertiefung der deutschen Sprachkenntnisse durch Selbststudium oder Teilnahme an einem Sprachkurs jedenfalls dann rechtlich nicht relevant seien, "soweit nicht festgestellt werden kann, dass im familiären Bereich eine Vermittlung des Deutschen nicht oder jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang stattgefunden hat, sondern die heute vorhandenen Deutschkenntnisse ganz überwiegend auf einem fremdsprachlichen Erwerb beruhen und somit keine hinreichende Grundlage mehr in einer bis zum Erreichen der Selbstständigkeit erfolgten Sprachvermittlung haben", ist kein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf verbunden; denn ein solcher Fall lag nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor. Zusätzlich außerfamiliär erworbene Sprachkenntnisse schließen die Annahme ausreichender familiärer Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse nicht aus. Entscheidend ist, dass die familiäre Vermittlung der Grund für die Fähigkeit ist, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen (BVerwG, a.a.O.); für die Zuordnung als deutscher Volkszugehöriger ist bezogen auf die deutsche Sprache deren familiäre Vermittlung bis zur Fähigkeit, ein einfaches Gespräch zu führen, maßgeblich. Feststellungen hierzu entziehen sich jedoch der Entwicklung verallgemeinerungsfähiger Maßstäbe in einem Revisionsverfahren, sie hängen vielmehr von der Würdigung des Sprachvermögens des jeweiligen Aufnahmebewerbers im Einzelfall ab, wie sie vorliegend von den Vorinstanzen zugunsten der Klägerin zu 1 vorgenommen worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG n.F.