Beschluss vom 20.10.2006 -
BVerwG 2 B 64.06ECLI:DE:BVerwG:2006:201006B2B64.06.0

Beschluss

BVerwG 2 B 64.06

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 19.05.2006 - AZ: OVG 3 LB 5/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Bayer
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 900 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Mit der Begründung, der Kläger moniere „die Verletzung formellen wie materiellen Rechts“, wird ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht dargelegt.

2 Eine solche Darlegung setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>).

3 Soweit der Beschwerde zu entnehmen ist, dass in dem erstrebten Revisionsverfahren das Verhältnis zwischen § 202 Abs. 1 Buchst. b LBG SH und § 23 Abs. 3 Nr. 2 BRRG geklärt werden soll, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Die von der Beschwerde behauptete Unvereinbarkeit von Landesrecht und Rahmenrecht besteht offenkundig nicht. Wer gemäß § 202 Abs. 1 Buchst. b LBG SH „den dienstlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes nicht genügt“, hat sich im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 2 BRRG „nicht bewährt“. Zur Klärung des von der Beschwerde angenommenen Widerspruches zwischen Landes- und Bundesrecht bedarf es somit nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob es sich bei der Anwendung des Beamtenrechtsrahmengesetzes wegen der Aufhebung des Art. 75 GG durch Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b,105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) um auslaufendes Recht handelt, so dass auch aus diesem Grunde die Zulassung der Revision nicht gerechtfertigt wäre.

4 Mit den weiteren Ausführungen zum materiellen Recht erschöpft sich die Beschwerde darin, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts als rechtsfehlerhaft anzugreifen. Damit vernachlässigt die Beschwerde den grundsätzlichen Unterschied zwischen der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde und der Begründung einer bereits zugelassenen Revision. Wird lediglich die Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht angegriffen, kann die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben. Das gilt selbst dann, wenn ein Gericht eine Rechtsfrage fehlerhaft entschieden oder eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage überhaupt nicht erkannt hat (stRspr; z.B. bereits Beschluss vom 3. Oktober 1972 - BVerwG 6 B 57.71 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 92).

5 Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Ein Verfahrensmangel wird nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. z.B. Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5).

6 Die Rüge des Klägers, das angegriffene Urteil sei nicht mit Gründen versehen, so dass ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 138 Nr. 6 VwGO vorliege, ist nicht berechtigt. Die formellen Anforderungen an die Entscheidungsgründe ergeben sich aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach in dem Urteil die Gründe anzugeben sind, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, aus § 173 VwGO i.V.m. § 313 Abs. 3 ZPO, wonach die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, und aus den Möglichkeiten der Bezugnahme gemäß § 117 Abs. 5 VwGO sowie gemäß § 130b VwGO. Nicht erforderlich ist, dass sich das Gericht in dem schriftlichen Urteil mit jeglichem Vorbringen der Beteiligten auseinandersetzt, etwa soweit Randfragen berührt oder gar abwegige Rechtsauffassungen vertreten werden (vgl. Beschlüsse vom 5. Juni 1998 - BVerwG 9 B 412.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32 und vom 22. Juli 1999 - BVerwG 9 B 429.99 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 214). Gemäß § 138 Nr. 6 VwGO ist es auch nicht erforderlich, dass die Begründung des Urteils ausreichend, schlüssig und überzeugend erscheint. Vielmehr wäre ein Verfahrensmangel dann gegeben, wenn die Darlegungen des Berufungsgerichts gänzlich unverständlich, verworren oder widersprüchlich wären und damit nicht erkennen ließen, welche Erwägungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind (vgl. Urteil vom 30. Juni 1992 - BVerwG 9 C 5.91 - DVBl 1993, 47; insoweit in BVerwGE und Sammlung Buchholz nicht abgedruckt; Beschluss vom 2. November 1972 - BVerwG 5 CB 6.72 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 7).

7 Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts nimmt gemäß § 130b VwGO Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung und befasst sich - wenn auch in sehr gedrängter Form - mit dem Berufungsvorbringen, dass sich die Straßenverkehrsgefährdung, deretwegen der Kläger von einem Strafgericht verurteilt worden ist, bereits vor der Probezeit ereignet habe. Danach war für den Kläger erkennbar, welche Gründe für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts maßgeblich waren. Dass sich das Berufungsgericht nicht mit allen Einzelheiten des Vorbringens des Klägers in erster Instanz und in dem Verfahren auf Zulassung der Berufung auseinandergesetzt hat, begründet keinen zur Revision führenden Mangel.

8 Ebenso wenig greift die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch. Ein Verstoß gegen das durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, liegt dann vor, wenn ein Beteiligter nicht die Möglichkeit hat, all das vorzutragen, was aus seiner Sicht für die Entscheidung des Gerichts erheblich sein kann, wenn das Gericht dieses Vorbringen nicht zur Kenntnis nimmt oder wenn es bei seiner Entscheidung dieses Vorbringen nicht in Erwägung zieht (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1969 - 2 BvR 320/69 - BVerfGE 27, 248 <252>). Davon kann aber nicht schon dann ausgegangen werden, wenn sich das Gericht in den Entscheidungsgründen nicht mit allen Facetten des Beteiligtenvorbringens beschäftigt. Dies wird bereits durch die formalen Anforderungen an die Entscheidungsgründe ausgeschlossen, die knapp zu fassen sind. Vielmehr muss sich aus den besonderen Umständen ergeben, dass das Gericht den Anspruch eines Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. Dies wird von der Beschwerde nicht dargelegt und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich.

9 Nach den eingangs gemachten Ausführungen zum Nichtvorliegen des Zulassungsgrundes nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bedarf es keiner weiteren Erörterung der von der Beschwerde zusätzlich erhobenen Rüge, wegen der Verletzung von Rahmenrecht habe ein nicht vorschriftsmäßig besetztes Gericht (§ 138 Nr. 1 VwGO) über die Berufung entschieden.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG.