Beschluss vom 20.11.2007 -
BVerwG 8 B 29.07ECLI:DE:BVerwG:2007:201107B8B29.07.0

Beschluss

BVerwG 8 B 29.07

  • VG Dresden - 25.10.2006 - AZ: VG 5 K 1967/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25. Oktober 2006 wird aufgehoben, soweit nicht das Verfahren eingestellt und die Klage abgewiesen worden ist.
  2. Die insoweit noch offene Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 79 091,57 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat Erfolg.

2 Zwar weist die Sache nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, die der Beklagte ihr beimisst. Das angefochtene Urteil beruht jedoch auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler, dass das Verwaltungsgericht gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen hat. Auf die des Weiteren erhobene Aufklärungsrüge kommt es daher nicht an.

3 1. Der Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) ist verletzt, wenn im Prozess der Rechtsfindung nicht alle Tatsachen und Erkenntnisse Eingang gefunden haben, die nach Lage der Akten von Erheblichkeit sind. Dieser Mangel besteht im vorliegenden Fall. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt (UA S. 21), dass der Rechtsvorgängerin des Klägers zu 2 lediglich ein Betrag von 3 000 Mark der DDR zur freien Verfügung von dem Konto zugeflossen sei, das für sie anlässlich der Überführung der Paul E. KG in das Eigentum des Volkes eingerichtet worden sei. Zutreffend weist der Beklagte jedoch auf Unterlagen in den dem Verwaltungsgericht unterbreiteten Verwaltungsvorgängen hin (vgl. Beiakten XII S. 31, 33, 40), wonach weitere 10 000 Mark der DDR im Jahre 1973 zur Verfügung gestanden haben. Auf diese Unterlagen ist das Verwaltungsgericht nicht eingegangen, woraus zu schließen ist, dass sie übersehen worden sind. Nummer 2 Satz 1 des Tenors des angefochtenen Urteils beruht auf diesem Fehler (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

4 2. Der Beklagte leitet ferner rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) aus der Ansicht des Verwaltungsgerichts ab, dass eine wegen der Schädigung festgesetzte Geldleistung dem Gesellschafter nicht im Sinne von § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG tatsächlich zugeflossen ist, wenn dieser sie zur Zahlung von Vermögenssteuern verwendet hat, die auf die festgesetzte Geldleistung selbst erhoben wurden.

5 Die aufgeworfene Frage lässt sich ohne weiteres im vorliegenden Beschwerdeverfahren beantworten. Die Verwendung von Kontoguthaben aus staatlich verwalteten Konten zur Begleichung von Steuerschulden des Kontoinhabers erfüllt den Tatbestand des tatsächlichen Geldzuflusses im Verständnis dieser Vorschrift dann nicht, wenn über den Betrag nicht stattdessen auch anderweitig - etwa zu privaten Zwecken - hätte verfügt werden können. Unter dem tatsächlichen Zufluss einer Geldleistung ist die freie Verfügbarkeit des Adressaten über das Geld zu verstehen (Urteil vom 2. August 2001 - BVerwG 7 C 2.01 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 45). Auch wenn - wie im vorliegenden Falle - die Verwendung des Kontoguthabens auf entsprechenden Antrag des Kontoinhabers erfolgt war, blieb sie von einer Genehmigung abhängig.

6 3. Wegen des Verfahrensmangels macht der Senat im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens von der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung unter der Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht Gebrauch (§ 133 Abs. 6 VwGO).

7 Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 GKG und berücksichtigt den noch strittigen Betrag.