Beschluss vom 21.12.2006 -
BVerwG 4 A 1027.06ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B4A1027.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.12.2006 - 4 A 1027.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B4A1027.06.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 1027.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und Dr. Jannasch
beschlossen:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld. Er ist Eigentümer des mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks, ... St. ... in 15827 Blankenfelde. Das Grundstück liegt in der Umgebung des planfestgestellten Flughafens, wird aber nicht für das Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommen. Der Kläger fühlt sich insbesondere durch den zu erwartenden Fluglärm beschwert.

2 Mit seiner am 14. Oktober 2004 erhobenen Klage beantragt der Kläger,
den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 in der Fassung vom 21. Februar 2006 aufzuheben,
hilfsweise:
a) die Regelung unter Ziff. 5.1.7 Abs. 2 des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses aufzuheben;
b) unter Aufhebung der Ziff. 5.1.5 Absatz 4 des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses die für die eingeschränkte Nutzung des Außenwohnbereichs des Grundstücks ... St. ... in Blankenfelde zu leistende Entschädigung auf 10 % des Verkehrswerts festzusetzen, den das Grundstück hätte, wenn es vom Fluglärm nicht mehr als unwesentlich belastet würde.

3 Der Beklagte und die beigeladenen Träger des Vorhabens beantragen Abweisung der Klage.

4 Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 haben nahezu 4000 Personen Klagen erhoben, die in rund 60 Verfahren zusammengefasst waren. Der beschließende Senat hat von der ihm durch § 93a Abs. 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vorab Musterverfahren durchzuführen und die übrigen Verfahren auszusetzen. Die Beteiligten aller Verfahren sind dazu gemäß § 93a Abs. 1 Satz 2 VwGO angehört worden, die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens mit Schreiben vom 28. April 2005. Der Kläger, dessen Klage nicht als Musterverfahren vorgesehen war, hat sich ebenso wie der Beklagte und die Beigeladenen mit dem beabsichtigten Vorgehen einverstanden erklärt. Mit Beschluss vom 4. Juli 2005 - BVerwG 4 A 1002.04 - hat der Senat das vorliegende Verfahren gem. § 93a Abs. 1 VwGO ausgesetzt.

5 Über die ausgewählten Musterklagen, die in vier Verfahren zusammengefasst waren, ist auf die mündliche Verhandlung vom 7. bis 9., 14. bis 16. und 21. bis 23. Februar 2006 durch Urteile vom 16. März 2006 entschieden worden (vgl. BVerwG 4 A 1001.04 , BVerwG 4 A 1073.04 , BVerwG 4 A 1078.04 und BVerwG 4 A 1075.04 - letzteres abgedruckt in BVerwGE 125, 116 ff.). Die Anfechtungsklagen wurden abgewiesen, die hilfsweise erhobenen Anträge auf Planergänzung hatten, soweit es um besseren Lärmschutz ging, teilweise Erfolg.

6 Mit Schreiben vom 29. Juni 2006 hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass sein Verfahren nach dem rechtskräftigen Abschluss der Musterverfahren fortzuführen sei (Aktenzeichen BVerwG 4 A 1027.06 ), gegebenenfalls auch nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 VwGO. Dem Schreiben war ein Abdruck des Urteils vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - und des Protokolls über die mündliche Verhandlung beigefügt; eine Übersendung der drei weiteren, nahezu inhaltsgleichen Musterurteile wurde den Klägern bei Bedarf angeboten. Der Kläger wünscht eine streitige Beendigung des Verfahrens.

7 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf das Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 ff.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung in den Musterverfahren verwiesen.

II

8 Der Senat macht von der ihm durch § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.

9 1. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO sind gegeben.

10 Über die Musterklagen ist durch die Urteile vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1001.04 , BVerwG 4 A 1073.04 , BVerwG 4 A 1078.04 und BVerwG 4 A 1075.04 - letzteres abgedruckt in BVerwGE 125, 116 ff.) rechtskräftig entschieden worden. Die Beteiligten sind zu der gewählten Entscheidungsform gehört worden (§ 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO). Auf die Aufforderung des Gerichts, sich zu der Frage zu äußern, ob der hier zu entscheidende Streitfall gegenüber den Musterurteilen wesentliche Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder ob der Sachverhalt noch nicht geklärt ist, hat der Kläger auf die nach seiner Ansicht besondere Belastung seines Grundstücks mit Fluglärm hingewiesen, die u.a. eine höhere als die im Planfeststellungsbeschluss festgesetzte Entschädigung für die Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs gebiete.

11 Nach einstimmiger Auffassung des Senats ist der Sachverhalt des hier zu ent-scheidenden Streitfalls geklärt. Die Lage des Wohngrundstücks des Klägers ist bekannt. Es befindet sich innerhalb des in Anlage 2 zum Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 festgelegten Tag- und Nachtschutzgebiets sowie - nach den Angaben des Klägers und des Beklagten - innerhalb des in Anlage 3 zu diesem Planfeststellungsbeschluss festgelegten Entschädigungsgebiets Außenwohnbereich. Daraus folgt, dass das Grundstück in erheblichem Maße von Fluglärm betroffen wäre und dass dem Kläger deshalb ein Anspruch auf passive Schallschutzmaßnahmen und auf Entschädigung nach Maßgabe der Regelungen im Planfeststellungsbeschluss zusteht. Weder dem Klagevorbringen noch dem sonstigen Akteninhalt lässt sich entnehmen, dass entscheidungserhebliche Tatsachen noch aufgeklärt werden müssten.

12 Der Senat ist weiterhin einstimmig der Auffassung, dass die Sache gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Von solchen Besonderheiten ist regelmäßig dann auszugehen, wenn in den ausgesetzten Verfahren neue, in den Musterverfahren noch nicht angesprochene Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in den entschiedenen Verfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen könnte (vgl. Rudisile, in: Schoch u.a., VwGO Kommentar, Stand: April 2006, § 93a VwGO Rn. 20).

13 Die vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten sind nicht wesentlich, denn sie werfen keine Fragen auf, die nicht schon in den Musterurteilen erschöpfend und abschließend behandelt worden wären. Die Lärmeinwirkungen unter Berücksichtigung der festgesetzten Schutzgebiete sind für den Kläger nicht anders zu beurteilen als für die Kläger der Musterverfahren. Die Grundstücke der dortigen Kläger repräsentieren die gesamte Bandbreite der möglichen Lärmbelastungen, nämlich von Grundstücken, die in keinem der vier Schutzgebiete (Tagschutzgebiet, Nachtschutzgebiet, Entschädigungsgebiet Außenwohnbereich, Übernahmeanspruch) liegen, über solche Grundstücke, die nur von einigen dieser Schutzgebiete erfasst sind, bis hin zu Grundstücken, die in allen Schutzgebieten liegen. Damit ist in den Musterurteilen auch über die Lärmbetroffenheiten solcher (Wohn)Grundstücke entschieden worden, die wie das Grundstück des Klägers vom Tag- und Nachtschutzgebiet sowie vom Entschädigungsgebiet Außenwohnbereich erfasst sind. Dass sich das Grundstück des Klägers nach seinen Angaben fast unmittelbar auf der Achse der neuen Südbahn befindet, begründet keine entscheidungserhebliche Besonderheit. Denn diese Lage ist, was auch der Kläger nicht in Frage stellt, bei der Berechnung des auf dem Grundstück zu erwartenden Fluglärms berücksichtigt worden.

14 2. Der Antrag des Klägers, den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 aufzuheben, ist nicht begründet. Der Senat nimmt Bezug auf die Gründe in den genannten Musterurteilen. Diese Gründe, denen nichts hinzuzufügen ist, gelten uneingeschränkt auch für den Kläger.

15 3. Auch die beiden Hilfsanträge können keinen Erfolg haben.

16 Die vom Kläger angegriffene Regelung in Teil A II. 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses ist rechtmäßig. Darin wird die - auch dem Kläger zustehende - Erstattung der Kosten für die Schallschutzeinrichtungen begrenzt, wenn diese Kosten 30 % des Verkehrswerts von Grundstück und Gebäuden überschreiten und damit außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen; der Anspruch auf Entschädigung beträgt in diesem Fall 30 % des genannten Verkehrswerts. Diese Kappung der Entschädigungshöhe ist rechtlich nicht zu beanstanden, wie der Senat im Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 <Rn. 422> näher ausgeführt hat. Hierauf wird Bezug genommen. Der Kläger hat sich mit diesen Ausführungen nicht auseinandergesetzt; irgendwelche Besonderheiten im Vergleich zur Entscheidungsgrundlage der Musterurteile sind nicht ersichtlich.

17 Gleiches gilt für die vom Kläger beanstandete Regelung in Teil A II. 5.1.5 Abs. 4 des Planfeststellungsbeschlusses. Danach beträgt die Entschädigung für die Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs pauschal mindestens 4 000 € pro Einfamilienhaus oder 2 % des Verkehrswerts des Grundstücks, wenn der Eigentümer nachweisen kann, dass diese Entschädigungssumme den Pauschalbetrag übersteigt. Wie im Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 <Rn. 394 ff., 409 ff.> dargelegt, ist diese Regelung einschließlich der Bestimmung über den maßgeblichen Zeitpunkt für die Ermittlung des Verkehrswerts rechtlich fehlerfrei getroffen worden. Das gilt auch für das Grundstück des Klägers.

III

18 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.