Beschluss vom 21.12.2006 -
BVerwG 5 B 9.06ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B5B9.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.12.2006 - 5 B 9.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B5B9.06.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 9.06

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 09.11.2005 - AZ: OVG 2 A 3385/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke
und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. November 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Denn die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Tätigkeit als Instrukteur eines städtischen Rayonkomitees des Komsomol unter § 5 Nr. 2 Buchst. b BVFG falle, ist keine Frage, die in einem Revisionsverfahren geklärt werden müsste.

2 Die von der Klägerin angeführten Umstände, dass das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht die in der Zeit von 1967 bis 1973 vom Ehemann der Klägerin ausgeübte Funktion in Bezug auf deren Bedeutung für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems entgegengesetzt beurteilt haben und es eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu der speziellen Frage, ob die Tätigkeit als Instrukteur eines städtischen Rayonkomitees des Komsomol unter § 5 Nr. 2 Buchst. b BVFG falle, noch nicht gebe, rechtfertigen nicht die Annahme, diese Frage sei grundsätzlich in einem Revisionsverfahren zu klären.

3 Das Gesetz hat in § 5 Nr. 2 Buchst. b BVFG bewusst nicht einzelne Funktionen benannt, deren Ausübung den Erwerb der Rechtsstellung nach § 4 Abs. 1 oder 2 BVFG ausschließt, sondern allgemein gefasst denjenigen ausgeschlossen, der „in den Aussiedlungsgebieten eine Funktion ausgeübt hat, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt oder aufgrund der Umstände des Einzelfalles war“. Dementsprechend ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, zu § 5 Nr. 2 Buchst. b BVFG eine Kasuistik gefächert bis hin zu einzelnen detaillierten Funktionen in konkreten Einrichtungen zu entwickeln (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 21. Januar 2004 - BVerwG 5 B 94.03 und 5 B 96.03 ). Vielmehr obliegt die Erhebung und Würdigung der nach den Vorgaben des § 5 Nr. 2 Buchst. b BVFG relevanten Umstände den Tatsachengerichten.

4 Im Grundsätzlichen hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass Parteifunktionen mit der Aufgabe, den Willen der Partei in staatlichen, wirtschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Einrichtungen durchzusetzen, für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galten, dass das aber nicht gleichermaßen für alle Funktionen in den staatlichen, wirtschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Einrichtungen galt, auf die die Partei Einfluss nehmen konnte und genommen hat, woraus folgt, dass alle diejenigen Funktionen, die auch in anderen, nichtkommunistischen Staats- und Gesellschaftsordnungen erforderlich sind und ausgeübt werden - z.B. die Funktion „Staatsanwalt-Kriminalist“ -, nicht als für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich bedeutsam geltend angesehen werden können (Urteil vom 29. März 2001 - BVerwG 5 C 15.00 - Buchholz 412.3 § 5 BVFG Nr. 3 = DVBl 2001, 1526).

5 Ausgehend von dieser bereits vorliegenden Klärung im Grundsätzlichen, die sich auch das Berufungsgericht zu eigen gemacht hat, besteht auf der Grundlage der im Berufungsurteil getroffenen, mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen zur Aufgabe und Struktur des Komsomol kein weiterer Bedarf an grundsätzlicher Klärung in Bezug auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage zur Bedeutung der Funktion eines Instrukteurs eines städtischen Rayonkomitees des Komsomol. Denn danach war der Komsomol keine Einrichtung, wie sie auch in anderen, nichtkommunistischen Staats- und Gesellschaftsordnungen vorkommen, sondern eine kommunistische Jugendorganisation, die monopolistisch in enger Abhängigkeit von, d.h. unter Führung und Kontrolle der KPdSU als „Schule des Kommunismus“ die Jugend im Geiste des von der KPdSU vorgegebenen Marxismus-Leninismus indoktrinierte und kontrollierte, und oblag diese Aufgabenerfüllung in personeller Hinsicht in erster Linie den hauptamtlichen Funktionären des Komsomol. Der Instrukteur eines städtischen Rayonkomitees des Komsomol war nicht in einer Grundorganisation des Komsomol (am Arbeitsplatz, in den Schulen und Hochschulen), sondern als hauptamtlicher Funktionär, wenngleich der untersten territorial-administrativen Gliederung des Komsomol tätig. Weiterer Klärungsbedarf folgt auch nicht daraus, dass das Berufungsgericht wegen der herausragenden Bedeutung des Komsomol als monopolistischer kommunistischer Massenorganisation jede hauptamtliche Tätigkeit auch auf Rayonebene als bedeutsam eingestuft und eine (weitere) Differenzierung hauptamtlicher Funktionärstätigkeit etwa anhand der konkret ausgeübten Funktion im Einzelfall, die z.B. für eine Tätigkeit in Bereichen, die es auch in nichtkommunistischen Staats- und Gesellschaftsordnungen gibt, erforderlich ist, als nicht gerechtfertigt gesehen hat.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG (Aufnahmebescheid 5 000 €, Einbeziehung 2 000 €).