Beschluss vom 21.12.2006 -
BVerwG 6 B 102.06ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B6B102.06.0

Beschluss

BVerwG 6 B 102.06

  • Bayerischer VGH München - 04.04.2006 - AZ: VGH 7 BV 05.388

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und Dr. Bier
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 20. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 67.06 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Rüge der Klägerin, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (§ 152a VwGO), ist unbegründet. Der Senat hat das Beschwerdevorbringen der Klägerin in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.

2 Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 30. Juli 2006 als grundsätzlich bedeutsam allein die Frage bezeichnet, ob Art. 48 BayVwVfG „den Anforderungen vom Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG (genügt), wenn die Rücknahme einer Promotionsentscheidung Gegenstand des Verfahrens ist“. Der Senat ist unter Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die aufgeworfene Frage ohne Weiteres beantworten lässt, ohne dass es dafür eines Revisionsverfahrens bedarf. Dass die Klägerin diese Erwägung nicht zu teilen vermag, begründet keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Davon abgesehen missversteht die Klägerin offensichtlich die Gründe des Beschlusses vom 20. Oktober 2006, wenn sie dem Senat vorhält, er habe eine grundsätzliche Klärung der ihm unterbreiteten Frage verweigert, weil eine Rücknahme von Promotionsentscheidungen zu selten vorkomme. Die von ihr zitierte Bemerkung in dem angegriffenen Beschluss schließt vielmehr an die Aussage an, dass bereits Art. 48 BayVwVfG ein umfassendes, dem Gesetzesvorbehalt grundsätzlich genügendes Abwägungsprogramm zwischen Vertrauensschutz und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bereithält. Dem hat der Senat in Anlehnung an entsprechende Überlegungen im erstinstanzlichen Urteil (S. 14 f.) hinzugefügt, dass die ohnehin nur seltenen Fälle der Rücknahme von Promotionsentscheidungen zu vielfältig sind, um dafür - über die allgemeine Rücknahmeregelung hinaus - ins einzelne gehende Festlegungen in der Promotionsordnung der Beklagten zu verlangen.

3 Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör wurde nicht dadurch verletzt, dass der Beschluss vom 20. Oktober 2006 hinsichtlich des Mindestinhalts einer Promotionsordnung für Fälle der Entziehung des Doktorgrades nicht auf das Verhältnis zwischen Art. 89 Satz 1 BayHSchG, der auf Art. 48 BayVwVfG verweist, einerseits und Art. 83 Satz 4 i.V.m. Art. 81 Abs. 3 Satz 2 Nr. 9 BayHSchG andererseits eingeht. Die Beschwerde hat insoweit keine grundsätzlich klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage des revisiblen Rechts formuliert. Sie hätte dies auch kaum mit Aussicht auf Erfolg tun können, denn die vorgenannten Bestimmungen des bayerischen Landeshochschulrechts sind einer Klärung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich. Ebenso wenig bedurfte es des von der Klägerin nunmehr vermissten Eingehens auf Art. 5 Abs. 3 GG, um zu beurteilen, ob die dem Senat von der Beschwerde allein unterbreitete Frage die Zulassung der Revision rechtfertigt.

4 Der angegriffene Beschluss war entgegen dem Rügevorbringen auch nicht in- sofern überraschend, als darin die nachträgliche Überprüfung der korrekten Zitierweise in einer Dissertation nicht der Ebene einer inhaltlichen (Neu-) Bewertung, sondern vielmehr der Frage zugeordnet wurde, ob die Dissertation wissenschaftlichen Mindeststandards i.S.d. § 8 Abs. 1 der Promotionsordnung der Beklagten noch genügt. Der gleiche Gedanke liegt bereits dem Berufungsurteil zugrunde. Schon danach handelt es sich bei der Beurteilung, ob Fremdtexte ausreichend zitiert wurden, nicht um eine inhaltliche Wertung, sondern um eine „rein tatsächliche Untersuchung“, die nicht der Neubewertung durch den Erst- und Zweigutachter bedürfe; die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne (ausreichendes) Zitat verstoße gegen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens und schließe damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus (Seite 6 f. BU).

5 Schließlich führt auch das von der Anhörungsrüge aufgeworfene Problem, ob die Beklagte bei ihrer Rücknahmeentscheidung Tatsachen berücksichtigen durfte, die ihr außerhalb der in Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG genannten Jahresfrist, wenn nicht gar schon bei Erlass des später zurückgenommenen Verwaltungsaktes bekannt waren, nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die auf diese Umstände zielten, hatte die Beschwerde nicht gestellt. Nur zur Abrundung sei bemerkt, dass die Rücknahmefrist nicht schon bei bloßer Kenntnis der Tatsachen, sondern erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahme außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1984 - BVerwG GrSen 1 und 2.84 - BVerwGE 70, 356 <362>).

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.