Beschluss vom 22.01.2004 -
BVerwG 7 B 97.03ECLI:DE:BVerwG:2004:220104B7B97.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.01.2004 - 7 B 97.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:220104B7B97.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 97.03

  • Bayerischer VGH München - 27.05.2003 - AZ: VGH 22 B 94.314

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Die Klägerin wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur wesentlichen Änderung und zum Betrieb einer Asphaltmischanlage der Beigeladenen. Sie ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks, das etwa 1 500 m von der Anlage entfernt liegt. Die nach Einholung von TÜV-Gutachten zum Lärmschutz und zur Luftreinhaltung erteilte Genehmigung umfasst eine Erhöhung der Mischleistung auf 160 t/h und die Verarbeitung von Altasphalt bis zu einem Anteil von 50 %. Ihr sind Nebenbestimmungen u.a. zur Emissionsbegrenzung, zu den Ableitungsbedingungen und zur Emissionsmessung beigefügt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Anhörung zweier Sachverständiger des TÜV Süddeutschland die Berufung zurückgewiesen; mit ihrem Aufhebungsantrag sei die Klage zwar zulässig, doch verletze der angefochtene Bescheid in der Gestalt der nachfolgend ergangenen Änderungsbescheide die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Revision gegen sein Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Frage, ob eine Verletzung der Schutz- und Abwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verneint werden kann, "wenn die Bestimmung der Schornsteinhöhe gemäß Nr. 2.4 TA Luft 1986 für jeden Stoff bzw. jede Stoffklasse einzeln statt für alle zu emittierenden Stoffe gemeinsam erfolgte und die Schornsteinhöhenermittlung deshalb zu niedrig ausgefallen ist", rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die zur Abgasableitung erforderliche Schornsteinhöhe nicht nach Nr. 2.4.3 TA Luft habe berechnet werden können, weil angesichts der vergleichsweise geringen Emissionsmassenströme das Nomogramm nicht anwendbar sei; die Gründe hierfür sind im Einzelnen in Nr. 5.4.3 der Begründung des Bescheids vom 13. August 1993 dargelegt. Nach Nr. 2.4.3 TA Luft ist die Schornsteinhöhe anhand eines Nomogramms zu bestimmen, für das der Volumenstrom sowie der jeweilige, durch den S-Wert zu dividierende Emissionsmassenstrom maßgebend sind. Da die in Anhang B der TA Luft festgelegten S-Werte entsprechend dem Wirkungspotential der Stoffe und Stoffklassen unterschiedlich sind, ist bei Schadstoffgemischen die Schornsteinhöhe für jeden Stoff mit dem betreffenden Emissionsmassenstrom einzeln zu berechnen und die Schornsteinhöhe nach dem höchsten ermittelten Wert zu bemessen. Das kann unter Umständen bewirken, dass bei gleicher Gesamtemission, aber unterschiedlich zusammengesetzten Abgasgemischen die Schornsteinhöhe von Emissionsquellen verschieden bestimmt wird. Auch eine Summationswirkung wird bei der Bestimmung der Schornsteinhöhe nicht berücksichtigt. Die TA Luft 1986 enthält für solche Fälle ebenso wenig eine Sonderregelung wie die TA Luft 2002 (Nr. 5.5 i.V.m. den verschärften S-Werten des Anhangs 7). Die entsprechende Praxis wird in der Kommentarliteratur vereinzelt für korrekturbedürftig gehalten, wenn sie zu "offensichtlich falschen Ergebnissen" führt (vgl. Kalmbach/Schmölling, TA Luft, 4. Aufl. 1994, Erl. A 2 Rn. 38).
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Schutz- und Abwehrpflicht bei Schadstoffgemischen eine von Nr. 2.4.3 TA Luft abweichende Schornsteinhöhenberechnung gebietet, würde sich - von allem anderen abgesehen - im Revisionsverfahren schon deswegen nicht stellen, weil keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass die in der TA Luft vorgeschriebene Einzelbetrachtung eine "offensichtlich falsche" Schornsteinhöhe ergibt, die zu für die Klägerin unzumutbaren Schadstoffimmissionen führen könnte. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof angehörte Sachverständige ... hat dargelegt, dass selbst dann, wenn die deutlich verschärften S-Werte nach der hier unanwendbaren TA Luft 2002 zugrunde gelegt würden, die von den einschlägigen Schadstoffen ausgehende Belastung nach wie vor außerhalb des Anwendungsbereichs des Nomo-gramms läge. Nach der deshalb anzuwendenden Regelung über die Mindesthöhe des Schornsteins (Nr. 2.4.2 Abs. 1 Satz 1 TA Luft) und der auf Asphaltmischanlagen zugeschnittenen Sonderregelung der Nr. 3.3.2.15.1 TA Luft müssen die Abgase über einen Schornstein von mindestens 12 m Höhe über dem mit 15 m festgestellten Immissionsniveau abgeleitet werden. Unter den für die Anlage der Beigeladenen maßgeblichen Ableitbedingungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs schädliche Umwelteinwirkungen zum Nachteil der Klägerin auszuschließen, da nach den Berechnungen des TÜV-Gutachtens vom 4. März 1991, die durch die im Bericht des TÜV Süddeutschland vom 18. November 2001 mitgeteilten Ergebnisse der Emissionsmessungen für Staub und Kohlenmonoxid bestätigt werden, die einschlägigen Emissionsmassenströme die Bagatellgrenze der Nr. 2.6.1.1 Abs. 5 TA Luft deutlich unterschreiten und die Emission sonstiger Schadstoffe einschließlich krebserzeugender Stoffe weit unter den festgesetzten Emissionsgrenzwerten bleibt.
Auch die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, ob eine Verletzung der Schutz- und Abwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verneint werden kann, wenn die Bestimmung der Schornsteinhöhe aufgrund der Regelung der Nr. 3.3.2.15.1 TA Luft 1986 erfolgte und weder die unebene Geländeform noch eine vorhandene Tallage i.S. des Nr. 2.4.4 Abs. 3 TA Luft 1986 Berücksichtigung gefunden haben, führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Sie beantworten sich unmittelbar aus Wortlaut und systematischem Zusammenhang der einschlägigen Regelungen. Da die Bestimmung der Schornsteinhöhe nach dem Nomogramm idealisierte Ausbreitungsverhältnisse voraussetzt, bedarf der entsprechende Wert nach Nr. 2.4.4 Abs. 3 TA Luft einer Korrektur, wenn die Anlage in einem Tal liegt oder die Ausbreitung der Emissionen durch Geländeerhebungen gestört wird. Findet das Nomogramm jedoch keine Anwendung, ist auch für eine solche Korrektur der Schornsteinhöhe kein Raum. Ob der dieser Vorschrift zugrunde liegende Rechtsgedanke auf eine Bestimmung der Schornsteinhöhe unabhängig vom Nomogramm übertragen werden kann, wäre mangels Anhaltspunkten für einen die entsprechende Anwendung rechtfertigenden Sachverhalt in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich; denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hätte der Senat davon auszugehen, dass das in Rede stehende Gebiet nicht zu einer durch die mögliche Ausbildung von Leewirbeln gekennzeichneten Tallage gehört und die Ausbreitung der über den Schornstein emittierten Luftschadstoffe aus der Anlage der Beigeladenen nicht durch unebene Geländeformen behindert wird.
2. Die Revision ist auch nicht wegen des von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Beschwerde sieht in der Ablehnung ihrer in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge, zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte und zur Abgasableitung über den Schornstein Sachverständigengutachten einzuholen, einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Vorwurf ist unbegründet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn ein Beweisantrag unter Beachtung der prozessualen Vorschriften abgelehnt wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass die unter Beweis gestellten Tatsachen bereits Gegenstand der Sachverständigenanhörung in der mündlichen Verhandlung waren. Über die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten oder eine weitere sachverständige Stellungnahme einzuholen ist, entscheidet das Gericht nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO nach Ermessen. Die Ablehnung ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sich dem Gericht die Notwendigkeit der weiteren Beweiserhebung aufdrängen musste, weil ihm die bereits vorliegende Stellungnahme eines Sachverständigen nicht ihrem Zweck entsprechend die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde vermitteln und damit die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung ermöglichen konnte. Das ist in aller Regel nur dann der Fall, wenn das bereits vorliegende Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters Anlass gibt (vgl. BVerwGE 71, 38 <45> m.w.N.).
Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass sich dem Verwaltungsgerichtshof die Einholung der beantragten Sachverständigengutachten aufdrängen musste. Nach dem vom Beklagten vorgelegten Bericht des TÜV Süddeutschland vom 18. November 2001 über Emissionsmessungen wurden beim bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage der Beigeladenen alle einschlägigen Emissionsgrenzwerte unterschritten. Der Sachverständige ... hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass die festgesetzten Emissionsgrenzwerte für krebserzeugende Stoffe auch unter ungünstigsten Betriebsbedingungen eingehalten werden. Die von der Beschwerde behaupteten, aus dem TÜV-Gutachten vom 4. März 1991 hergeleiteten Bedenken in Bezug auf Emissionen krebserzeugender Stoffe, insbesondere von Benzol und 1,3-Butadien, waren damit durch neuere Erkenntnisse überholt und konnten schon deshalb kein hinreichender Anlass für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens sein. Auch zu den Fragen der Abgasableitung, namentlich zur Bestimmung der Schornsteinhöhe, hat der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung in nicht zu beanstandender Weise Stellung genommen. Angesichts dessen hat der Verwaltungsgerichtshof die Beweisanträge verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Die gegenteilige Ansicht der Beschwerde verkennt die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen der Entscheidung über die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.