Verfahrensinformation

Die Kläger, zwei Untergliederungen des Wohlfahrtsverbandes der katholischen Kirche (Caritasverband), begehren die staatliche Förderung ihrer Schwangerschaftsberatungsstellen in Cottbus und Strausberg für den Zeitraum vom 31. Juli bis zum 31. Dezember 2007 und für das Jahr 2008. Das beklagte Landesamt lehnte die Förderanträge mit der Begründung ab, die in den betroffenen Einzugsbereichen insgesamt beantragte Anzahl der Beratungsstellen gehe über den erforderlichen Bedarf hinaus, so dass eine Auswahlentscheidung zu treffen sei. Vorrangig zu fördern seien Beratungsstellen, die neben der allgemeinen Beratung auch eine Schwangerschaftskonfliktberatung (einschließlich der Ausstellung des Beratungsscheins) anböten. Diese Voraussetzung erfüllten die Kläger nicht. Die Ablehnung der Förderung stehe auch mit dem gesetzlichen Pluralitätserfordernis im Einklang. Ein plurales Beratungsangebot im Sinne des Schwangerschaftskonfliktgesetzes sei erreicht, wenn in einem Versorgungsbereich mindestens zwei Träger mit unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung vorhanden seien. Das sei hier der Fall.


Das Verwaltungsgericht Cottbus hat die dagegen erhobenen Klagen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die erstinstanzlichen Urteile geändert und den Beklagten zur Zahlung der beantragten Fördergelder verpflichtet. Es hat angenommen, dass die von den Klägern betriebenen Beratungsstellen für die Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Beratungsangebots erforderlich seien. Die katholische Kirche sei die größte Religionsgemeinschaft im Bundesgebiet und nehme in Fragen des Schwangerschaftsabbruchs einen exponierten Standpunkt ein, der sich von der weltanschaulichen Ausrichtung der anderen Träger von Beratungsstellen unterscheide. Der Ausschluss des von ihr vorgehaltenen Beratungsangebots von der öffentlichen Förderung widerspreche zudem dem staatlichen Schutzauftrag für das ungeborene Leben.


Hiergegen wendet sich der Beklagte mit den vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revisionen.


Pressemitteilung Nr. 54/2015 vom 25.06.2015

Öffentliche Förderung für Schwangerenberatungsstellen der Caritas in Brandenburg

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in vier Parallelverfahren entschieden, dass ein Land die öffentliche Förderung von katholischen Schwangerenberatungsstellen nur ablehnen darf, wenn und soweit die Beratungsstellen zur Sicherstellung eines ausreichenden pluralen und wohnortnahen Beratungsangebots nicht erforderlich sind. Die Erforderlichkeit beurteilt sich anhand des tatsächlichen Beratungsangebots und -bedarfs in dem betroffenen Versorgungsbereich.


Kläger sind zwei Caritasverbände in Brandenburg. Ihre Anträge auf Förderung der Beratungsstellen in Cottbus und Strausberg für die Jahre 2007 (August bis Dezember) und 2008 lehnte das beklagte Landesamt mit der Begründung ab, in den betroffenen Versorgungsbereichen gebe es mehr Beratungsstellen als notwendig. § 3 des Landesausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz (BbgAGSchKG) sehe für diesen Fall vor, dass vorrangig Beratungsstellen gefördert würden, die außer der allgemeinen Beratung nach § 2 SchKG auch die Schwangerschaftskonfliktberatung nach den §§ 5 ff. SchKG anböten und die Beratungsbescheinigung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch ausstellten. Diese Voraussetzung erfüllten die Beratungsstellen der Kläger nicht, nachdem die katholische Kirche 2001 entschieden habe, in ihren Einrichtungen keine Beratungsscheine mehr auszustellen. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat ihnen stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den Klägern die Förderung in der beantragten Höhe - insgesamt gut 70 000 € für die Beratungseinrichtung in Cottbus (volle Personalstelle) und gut 35 000 € für die Einrichtung in Strausberg (halbe Stelle) - auszuzahlen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen des Beklagten zurückgewiesen. Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz haben auch Beratungsstellen, die wie die Kläger ausschließlich die allgemeine Beratung nach § 2 SchKG anbieten, Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten, sofern sie zur Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Angebots wohnortnaher Beratungsstellen erforderlich sind. Das Oberverwaltungsgericht hat § 3 BbgAGSchKG ohne Bundesrechtsverstoß dahin ausgelegt, dass der dort geregelte Vorrang für die Konfliktberatungsstellen erst dann zum Tragen komme, wenn das vorhandene Beratungsangebot auch den Kriterien der Wohnortnähe und Trägervielfalt gerecht werde. Danach haben die Beratungsstellen der Kläger einen Anspruch auf Förderung, weil sie nach den verbindlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Angebots i. S. d. § 3 SchKG und des § 2 Abs. 1 BbgAGSchKG erforderlich sind. Anders als der Beklagte hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass dem Pluralitätserfordernis durch das Vorhandensein von zwei Beratungsstellen mit unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung noch nicht Genüge getan ist, wenn dabei das Beratungsangebot einer - wie das Oberverwaltungsgericht in Bezug auf die katholische Kirche in Brandenburg bindend festgestellt hat - gesellschaftlich relevanten Gruppe unberücksichtigt bleibt, obwohl es sich in der weltanschaulichen Ausrichtung von den übrigen Beratungsstellen unterscheidet und obwohl - wie das Oberverwaltungsgericht ebenfalls festgestellt hat - dafür eine entsprechende Nachfrage bei den Ratsuchenden vorhanden ist. Bundesrechtlich ist dagegen nichts zu erinnern. Das Erfordernis der Pluralität nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz bezweckt die Sicherstellung eines Mindeststandards für die weltanschauliche Vielfalt des Beratungsangebots, der hier nicht unterschritten wird.


BVerwG 3 C 1.14 - Urteil vom 25. Juni 2015

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 48.12 - Urteil vom 05. Dezember 2013 -

VG Cottbus, 7 K 419/08 - Urteil vom 21. Juni 2011 -

BVerwG 3 C 2.14 - Urteil vom 25. Juni 2015

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 49.12 - Urteil vom 05. Dezember 2013 -

VG Cottbus, 7 K 441/08 - Urteil vom 21. Juni 2011 -

BVerwG 3 C 3.14 - Urteil vom 25. Juni 2015

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 50.12 - Urteil vom 05. Dezember 2013 -

VG Cottbus, 7 K 992/08 - Urteil vom 21. Juni 2011 -

BVerwG 3 C 4.14 - Urteil vom 25. Juni 2015

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 51.12 - Urteil vom 05. Dezember 2013 -

VG Cottbus, 7 K 495/11 - Urteil vom 21. Juni 2011 -


Beschluss vom 22.01.2013 -
BVerwG 6 B 48.12ECLI:DE:BVerwG:2013:220113B6B48.12.0

Leitsatz:

Ein internetfähiger PC ist auch dann ein Rundfunkempfangsgerät im Sinne des Gebührenrechts, wenn er ausschließlich zu Arbeitszwecken angeschafft und genutzt wird.

  • Rechtsquellen
    RGebStV § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2

  • VG Gera - 09.06.2009 - AZ: VG 3 K 2353/08 Ge
    Thüringer OVG - 11.07.2012 - AZ: OVG 1 KO 613/09

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.01.2013 - 6 B 48.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:220113B6B48.12.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 48.12

  • VG Gera - 09.06.2009 - AZ: VG 3 K 2353/08 Ge
  • Thüringer OVG - 11.07.2012 - AZ: OVG 1 KO 613/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Januar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 231,84 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts im Wege der Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dazu bringt er drei für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfragen (1. bis 3.) vor, welche die Gebührenpflichtigkeit von internetfähigen PCs betreffen. Die darauf gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

2 In der Beschwerdebegründung wird nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise ein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO dargelegt bzw. bezeichnet. Eine solche Darlegung setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Die Formulierung einer in diesem Sinn ungeklärten Rechtsfrage unterlässt der Kläger, indem er die - vom Berufungsurteil zu Grunde gelegte - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rundfunkgebührenpflichtigkeit sog. internetfähiger PCs im Stil einer Berufungsbegründung angreift. Die von ihm gestellten Fragen sind daher durchweg in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2010 - BVerwG 6 C 12.09 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 58) und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden (BVerfG, Beschluss vom 22. August 2012 - 1 BvR 199/11 - NJW 2012, 3423); den Kläger überzeugen lediglich diese Antworten nicht. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht erfolgreich gestützt werden.

3 1. Der Kläger hält sinngemäß die Frage für klärungsbedürftig, ob ein ausschließlich zu Arbeitszwecken angeschaffter und genutzter internetfähiger PC im Rahmen des auf das Rundfunkgebührensystem anzuwendenden Grundsatzes der Typengerechtigkeit als Rundfunkempfangsgerät angesehen werden kann (Beschwerdebegründung S. 3 bis 9). Dazu hat der beschließende Senat in seinem Urteil vom 27. Oktober 2010 ausgeführt, internetfähige PCs seien Rundfunkempfangsgeräte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV (BVerwG 6 C 12.09 a.a.O. Rn. 15 ff.). Dem Kläger ist nach eigenem Bekunden diese Rechtsprechung bekannt, und es sind keine Argumente vorgebracht worden, die in der einschlägigen Rechtsprechung des Senats nicht schon behandelt sind und die zu einer Abweichung von dieser Rechtsprechung Anlass geben. Daher besteht kein Bedürfnis für eine erneute revisionsrechtliche Klärung der aufgeworfenen Frage.

4 Dies gilt auch für den Fall, dass ein internetfähiger PC - wie der Kläger vorliegend geltend macht - ausschließlich zu Arbeitszwecken angeschafft und genutzt wird. Auch ein derartiger PC erfüllt die technischen Eigenschaften eines Rundfunkempfangsgerätes und verliert sie nicht dadurch, dass von ihnen kein Gebrauch gemacht wird. Bei dem internetfähigen PC handelt es sich um eine technische Einrichtung, die zur drahtlosen oder drahtgebundenen Hör- oder Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunk im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV geeignet ist. Ob ein Gerät zum Rundfunkempfang bestimmt ist, ist nicht erheblich. Die Vorschrift stellt nicht auf die subjektive Zweckbestimmung eines Gerätes, sondern allein auf dessen objektive Eignung ab (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60 <90 f.>). Auf die Nutzungsgewohnheiten kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (Urteil vom 20. April 2011 - BVerwG 6 C 31.10 - ZUM 2011, 770 Rn. 16).

5 2. Der Kläger bringt weiter vor, der Mitteldeutsche Rundfunk fordere Rundfunkgebühren auf internetfähige PCs, da er aus eigener Entscheidung das Internet als zusätzlichen Vertriebsweg zur Verbreitung seiner Rundfunksendungen verwende. Daher sei es essentiell notwendig, die Frage zu klären, ob der Übertragungsweg des Internets als zusätzlicher Vertriebsweg der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angesehen werden könne, der sich ebenso wie die herkömmlichen Übermittlungswege auf die Bestands- und Entwicklungsgarantie des dualen Rundfunksystems stützen könne (Beschwerdebegründung S. 10 bis 11).

6 Auch diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits beantwortet. Dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Internet aufgrund eigener Entscheidung als zusätzlichen Verbreitungsweg für ihre Programme in Anspruch nehmen und damit die Empfangsmöglichkeit auch Internetnutzern „aufdrängen“, die an einem tatsächlichen Empfang nicht interessiert sind, wirkt sich danach auf diese verfassungsrechtliche Beurteilung nicht entscheidend aus. Die Erweiterung des Sendebetriebs auf neue Ton- und Bildmedien ist, soweit es sich um „Rundfunk“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG handelt, von der auch nach neuerer Rechtsprechung fortbestehenden verfassungsrechtlichen Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im dualen System gedeckt (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05, 809/06, 830/06 - BVerfGE 119, 181 <218>); sie lässt sich aufgrund der bestehenden Konkurrenz mit den privaten Rundfunkanbietern kaum vermeiden. Der Anspruch der Rundfunkanstalten auf ausreichende finanzielle Ausstattung erfasst daher in grundsätzlich gleicher Weise auch die Verbreitung von Rundfunkprogrammen im Internet (Urteil vom 27. Oktober 2010 - BVerwG 6 C 12.09 - a.a.O. Rn. 48).

7 3. Für nicht abschließend geklärt in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hält der Kläger schließlich die Frage, ob es sich bei dem Übertragungsweg „Internet“ um Rundfunk im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrages handele (Beschwerdebegründung S. 12 bis 14).

8 Auch diese Frage ist entgegen der Ansicht des Klägers in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits beantwortet. Bei dem Empfang von Hörfunk und Fernsehsendungen mit Hilfe eines internetfähigen PC handelt es sich danach um Rundfunk. Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrags - RStV - in der hier noch anwendbaren Fassung des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrags war Rundfunk die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. Mit „Veranstaltung“ ist die planmäßige und periodische Programmgestaltung durch einen Rundfunkveranstalter gemeint. Unter dieses Begriffsverständnis fallen jedenfalls diejenigen Angebote, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder privaten Rundfunkanbietern vermittels des Internets neben anderen Übertragungswegen - wie z.B. terrestrisch, über Kabel oder Satellit - medienübergreifend und flächendeckend verbreitet werden. Der Übertragungsweg ändert an der Veranstaltereigenschaft oder dem Begriff der Veranstaltung nichts (Urteil vom 27. Oktober 2010 - BVerwG 6 C 12.09 - a.a.O. Rn. 18).

9 4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 2 VwGO zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.