Beschluss vom 22.03.2006 -
BVerwG 1 B 31.06ECLI:DE:BVerwG:2006:220306B1B31.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.03.2006 - 1 B 31.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:220306B1B31.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 31.06

  • Hessischer VGH - 07.12.2005 - AZ: VGH 6 UE 1461/03.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. März 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Dezember 2005 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt den allein geltenden Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2 Die Beschwerde rügt, das Berufungsurteil sei nicht mit Gründen versehen. Denn das Gericht habe zur Begründung seiner Auffassung, dass es für eine Rückkehrgefährdung des Klägers wegen exilpolitischer Aktivitäten keine Anhaltspunkte gebe, auf sein Urteil vom 22. Januar 2003 - 6 UE 2656/97.A - Bezug genommen, aber weder dessen Inhalt in den Urteilsgründen wiedergegeben noch dieses Urteil als Anlage beigefügt. Dem angefochtenen Urteil selbst lasse sich daher nicht nachvollziehbar entnehmen, warum die Klage trotz der vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten des Klägers abgewiesen worden sei. Der Kläger sei deshalb auch in seinem Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs verletzt.

3 Mit diesem und dem weiteren Vorbringen der Beschwerde ist ein Verfahrensmangel nicht schlüssig aufgezeigt. Dabei kann dahinstehen, ob die Beschwerde sich auf den Verfahrensmangel des Fehlens von Urteilsgründen gemäß § 138 Nr. 6 VwGO berufen oder auch einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO rügen will. Denn in beiden Fällen könnte die Rüge nur Erfolg haben, wenn die Annahme der Beschwerde zuträfe, dass die Bezugnahme auf die genannte frühere Entscheidung des Berufungsgerichts unzulässig ist und deshalb die dortigen Ausführungen nicht als Bestandteil der Begründung des vorliegenden Urteils angesehen werden können. Das ist indes nicht der Fall. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es prozessrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Gericht in der Begründung seiner Entscheidung auf tatsächliche Feststellungen oder rechtliche Erwägungen in früheren Entscheidungen Bezug nimmt, die in das Verfahren ordnungsgemäß eingeführt worden und den Beteiligten bekannt sind oder von denen sie ohne Schwierigkeiten Kenntnis erlangen können (vgl. Beschluss vom 22. August 2001 - BVerwG 1 B 95.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 249 und Beschluss vom 2. Oktober 1998 - BVerwG 5 B 94.98 - <juris> m.w.N.). Der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass gemessen daran gegen die hier beanstandete Bezugnahme prozessrechtliche Bedenken bestehen. Sie legt weder dar, dass die fragliche Entscheidung nicht ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt worden ist, noch gibt sie an, dass sie dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht bekannt war und dieser von ihr auch keine Kenntnis hat erlangen können. Ausweislich des Sitzungsprotokolls der Berufungsverhandlung vom 7. Dezember 2005 ist vielmehr u.a. auch die zitierte Entscheidung des Berufungsgerichts vom 22. Januar 2003 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Nach Aktenlage ist diese Entscheidung (neben einer weiteren Entscheidung) außerdem bereits zuvor durch gerichtliches Schreiben vom 21. November 2005 „zur Frage der Rückkehrgefährdung wegen exilpolitischer Betätigung“ mit der - unwidersprochen gebliebenen - Bemerkung in das Verfahren eingeführt worden, das Gericht sehe von einer Übersendung der Entscheidungen ab, weil es davon ausgehe, dass sie dem Bevollmächtigten des Klägers und den übrigen Beteiligten bekannt seien (GA Bl. 418). Dass und warum es unter diesen Umständen dem Berufungsgericht verwehrt sein sollte, in den Urteilsgründen auf diese Entscheidung Bezug zu nehmen, macht die Beschwerde nicht ersichtlich. Dies ergibt sich auch nicht aus dem von ihr zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 1995 - BVerwG 4 B 248.95 - (Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 30). Das darin aufgestellte Erfordernis, dass zur Vermeidung eines Begründungsmangels die in Bezug genommene Entscheidung gemeinsam mit der Bezug nehmenden Entscheidung zugestellt werden müsse, bezieht sich erkennbar nur auf den dort zugrunde liegenden besonderen Fall der Bezugnahme auf eine neu ergangene, bisher noch nicht zugestellte andere Entscheidung des Gerichts, deren Entscheidungsgründe den Beteiligten noch nicht bekannt sein konnten. Für den hier vorliegenden Fall einer Bezugnahme auf eine früher ergangene, bereits in das Verfahren eingeführte Entscheidung des Gerichts kann aus diesem Beschluss nichts hergeleitet werden.

4 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.