Beschluss vom 22.04.2008 -
BVerwG 8 B 103.07ECLI:DE:BVerwG:2008:220408B8B103.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.04.2008 - 8 B 103.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:220408B8B103.07.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 103.07

  • VG Magdeburg - 24.07.2007 - AZ: VG 5 A 344/06 MD

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. April 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 24. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 9 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie beschränkt sich von vornherein auf das Verfahren zur Rückgabe des Flurstückes 193/50 der Flur 6 in der Gemarkung M. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

2 1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

3 a) Zwar hat das Verwaltungsgericht über den mit Schriftsatz vom 28. Februar 2007 gestellten Antrag des Klägers, ihm die Verwaltungsvorgänge zur Einsicht in die Kanzleiräume für drei Tage zu überlassen, nicht entschieden. Die Vorenthaltung von Akteneinsicht stellt aber nicht aus sich selbst heraus - gewissermaßen automatisch - einen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs dar. Ob dies der Fall ist, bemisst sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. Urteil vom 3. November 1987 - BVerwG 9 C 235.86 - Buchholz 310 § 100 VwGO Nr. 5). Der Bevollmächtigte des Klägers hätte sich weiterhin um die Akteneinsicht bemühen müssen, wenn er sich ohne die Akten zu einer Begründung seines Begehrens nicht in der Lage sah (vgl. Beschluss vom 10. Oktober 1989 - BVerwG 9 B 268.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 276). Dies hat er unterlassen.

4 Denn obwohl er sich mit weiteren Schriftsätzen vom 7. Mai, 14. Juni, 11. und 20. Juli 2007 erneut an das Gericht gewandt und teilweise sehr ausführlich Stellung genommen hat, hat er weder an die Entscheidung über seinen Antrag auf Akteneinsicht erinnert, noch diesen Antrag wiederholt. Entgegen seinem Beschwerdevorbringen hat er ausweislich der Niederschrift auch in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2007 weder den Antrag auf Akteneinsicht gestellt noch die fehlende Verbescheidung seines Antrags gerügt. Die Prozessförderungspflicht und die den Beteiligten obliegende Mitwirkungslast hätten es erfordert, dass der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung sein Begehren erneuert und die Akten gegebenenfalls im Rahmen der mündlichen Verhandlung oder einer dafür gewährten Unterbrechung eingesehen hätte.

5 b) Auch die Rüge mangelhafter Aufklärung des Sachverhaltes (§ 86 Abs. 1 VwGO) greift nicht durch. Eine erfolgreiche Aufklärungsrüge setzt u.a. die Darlegung voraus, dass die vermisste Aufklärung in der Tatsacheninstanz rechtzeitig beantragt wurde oder welche weiteren Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten, deren Erhebung sich dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Daran fehlt es hier. Anträge zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes, insbesondere zur Beiziehung konkreter Unterlagen, hat der auch in der ersten Instanz anwaltlich vertretene Kläger ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2007 nicht gestellt. Die Beschwerde legt auch nicht dar, welche weiteren Unterlagen das Gericht hätte beiziehen sollen und wo diese Unterlagen gegebenenfalls zur Verfügung gestanden hätten. Soweit die Beschwerde ihrerseits Kopien eines angeblichen Bebauungsplanes vom 6. August 1980 vorlegt, dessen Verbindlichkeit aus den Kopien nicht ersichtlich ist, trägt sie weder vor, woher diese Unterlagen stammen, noch warum sie nicht in der mündlichen Verhandlung bereits vorgelegt wurden.

6 Im Übrigen wendet sich die Beschwerde mit ihren Ausführungen gegen die Bewertung der vorliegenden Unterlagen durch das Verwaltungsgericht und setzt dieser Bewertung ihre eigene entgegen. Damit erweisen sich die Darlegungen als materiellrechtlicher Angriff gegen die Würdigung im angefochtenen Urteil. Mit solchem Vorbringen lässt sich ein das Revisionsverfahren eröffnender Verfahrensmangel nicht dartun.

7 2. Entgegen der Auffassung der Beschwerde weicht das angefochtene Urteil nicht von den in der Beschwerdeschrift zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes ab. Der Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist gegeben, wenn ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz vorliegt, mit dem die Vorinstanz einem in der bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde hat keinen Rechtssatzwiderspruch aufgezeigt. Sie bemängelt vielmehr, dass das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall fehlerhaft angewandt habe. Ein Anwendungsfehler ist aber keine Abweichung im Sinne des Revisionszulassungsrechts.

8 Im Übrigen unterstellt die Beschwerde der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Unrecht, dass eine Enteignung auf Grund einer nur grob umrissenen Planung ohne konkret und detailliert geplantes Vorhaben immer eine machtmissbräuchliche Inanspruchnahme sei. Vielmehr ist die Frage, wie konkret die Pläne zur Bebauung einer enteigneten Fläche sein müssen, um nicht eine unzulässige Vorratsenteignung und damit eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzunehmen, einer generellen Beantwortung nicht zugänglich (vgl. Beschluss vom 26. Juni 2006 - BVerwG 8 B 4.06 - juris Rn. 6).

9 3. Der Streitsache kommt schließlich auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die von der Beschwerde sinngemäß für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage,
welches die maßgeblichen Kriterien für die Annahme der machtmissbräuchlichen Enteignung einer Teilfläche sind,
ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Enteignungen hat das Bundesverwaltungsgericht insbesondere dann als willkürlich oder manipulativ beurteilt und dem Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG zugeordnet, wenn ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben wurde, um in Wahrheit zu ganz anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen, oder wenn der wahrheitsgemäß angegebene Grund der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte. Die einfache Rechtswidrigkeit eines Enteignungsakts unterhalb der Schwelle der Willkürlichkeit reicht demgemäß für die Annahme einer unlauteren Machenschaft nicht aus; denn die Vorschrift des § 1 Abs. 3 VermG will keinen Anspruch auf Rückübertragung von Vermögenswerten allein deswegen gewähren, weil bei einer vermögensentziehenden Maßnahme Regelungen des DDR-Rechts nicht beachtet worden sind (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 38.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6 m.w.N.). Die Frage, wie konkret die Pläne zur Bebauung einer enteigneten Fläche sein müssen, um nicht eine unzulässige Vorratsenteignung und damit eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzunehmen, ist grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und deshalb einer generellen Beantwortung nicht zugänglich (s.o., Beschluss vom 26. Juni 2006 - BVerwG 8 B 4.06 - a.a.O.).

10 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47, 52 GKG.