Beschluss vom 22.06.2005 -
BVerwG 4 B 35.05ECLI:DE:BVerwG:2005:220605B4B35.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.06.2005 - 4 B 35.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:220605B4B35.05.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 35.05

  • Niedersächsisches OVG - 07.03.2005 - AZ: OVG 1 LB 174/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. J a n n a s c h und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. März 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 000 € festgesetzt.

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.
Die Beschwerde macht als Verfahrensmangel geltend, das Oberverwaltungsgericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen. Es sei ohne vorherigen Hinweis von seinem Beschluss, mit dem es die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassen habe, abgewichen. Das trifft nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht hat an seiner im Zulassungsbeschluss geäußerten Rechtsauffassung, dass die mit der Teilung beabsichtigte Nutzung des Grundstücks bei der Genehmigung zu überprüfen sei und dem Nachbarn dementsprechend das Recht zustehe, die Teilungsgenehmigung daraufhin überprüfen zu lassen, ob diese Nutzung seine rechtlich geschützten Interessen verletze, ausdrücklich festgehalten (vgl. UA S. 9). Eine Verletzung der Rechte des Nachbarn hat es im Urteil jedoch nur als gegeben angesehen, wenn die Ausnutzung der durch die Grundstücksteilung erfolgten Rechtsposition rechtsmissbräuchlich sei. Diese Voraussetzung ist in der mündlichen Verhandlung erörtert worden. Das stellt auch die Beschwerde nicht in Abrede.
Insoweit macht die Beschwerde jedoch geltend, die Klägerin habe mangels eines vorherigen richterlichen Hinweises in tatsächlicher Hinsicht nicht die erforderlichen Angaben zum Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs machen können, weil zwar ihr Prozessbevollmächtigter, nicht aber die Klägerin persönlich zur mündlichen Verhandlung erschienen sei. Damit ist weder eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) noch des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Will das Gericht seine Entscheidung auf Rechtsgründe stützen, die im gesamten Verfahren nicht erörtert wurden und auch nicht offensichtlich sind, so ist es seine Pflicht, gemäß § 86 Abs. 3 VwGO die Beteiligten darauf hinzuweisen, damit sie sich dazu äußern und gegebenenfalls ihre tatsächlichen Angaben ergänzen können. Findet eine mündliche Verhandlung statt und sind die Beteiligten zu ihr erschienen, so genügt es in der Regel, wenn das Gericht in der mündlichen Verhandlung auf die bisher nicht erörterten rechtlichen Erwägungen, auf die es seine Entscheidung stützen will, hinweist und den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 5 C 50.70 - BVerwGE 36, 264 <267>). So ist das Oberverwaltungsgericht verfahren. Die Klägerin hatte die Möglichkeit, sich durch ihren Prozessbevollmächtigten zu dem rechtlichen Hinweis des Gerichts zu äußern. Hätte der Prozessbevollmächtigte ergänzende tatsächliche Angaben der Klägerin persönlich für erforderlich gehalten, hätte er gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 227 ZPO beantragen müssen, die Verhandlung zu vertagen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1999 - BVerwG 7 B 155.99 - Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 29). Die Beschwerde legt nicht dar, warum es der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein sollte, einen solchen Antrag zu stellen.
Daran scheitert auch die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs. Zur Begründung einer solchen Rüge muss der Beschwerdeführer vortragen, dass er erfolglos sämtliche verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich in der Vorinstanz rechtliches Gehör zu verschaffen; zu diesen Möglichkeiten gehört auch der Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 8 B 307.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 24). Im Übrigen legt die Beschwerde nicht - wie es zur substantiierten Darlegung der Gehörsrüge erforderlich wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328) - dar, was die Klägerin persönlich in der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Mit ihrer auf diese Vorschrift gestützten Rüge macht die Beschwerde geltend, das Oberverwaltungsgericht sei von seinen bisherigen Entscheidungen, nämlich von dem Beschluss über die Zulassung der Berufung und von einem Beschluss vom 26. Februar 2004 abgewichen. Gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision jedoch nur zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung von früheren Entscheidungen des Berufungsgerichts ist kein Grund, die Revision zuzulassen.
3. Die Rechtssache hat schließlich nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Die Frage, ob die Anfechtung einer Teilungsgenehmigung durch den Grundstücksnachbarn unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauches zulässig ist, beurteilt sich, soweit es um die von der Beschwerde allein thematisierte Frage des Rechtsmissbrauchs geht, nach den Umständen des konkreten Einzelfalls; sie ist einer verallgemeinerungsfähigen Klärung für eine Vielzahl von Fällen nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.