Beschluss vom 22.06.2005 -
BVerwG 7 B 154.04ECLI:DE:BVerwG:2005:220605B7B154.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.06.2005 - 7 B 154.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:220605B7B154.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 154.04

  • VG Leipzig - 11.08.2004 - AZ: VG 2 K 2455/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 11. August 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, durch den die Beklagte ein Grundstück in Leipzig an die Beigeladene nach dem Vermögensgesetz zurückübertragen hat.
Die damalige Eigentümerin und Rechtsvorgängerin der Beigeladenen verzichtete im November 1985 auf ihr Eigentum an dem Grundstück. Es wurde daraufhin in Volkseigentum überführt. Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben über die Gründe des Eigentumsverzichts durch Vernehmung der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als Zeugin. Es hat sodann den Restitutionsbescheid der Beklagten durch das angefochtene Urteil aufgehoben: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen nicht aufgrund einer objektiv möglicherweise vorliegenden Überschuldung des Grundstücks auf ihr Eigentum verzichtet. Deshalb sei der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Beigeladene benennt zwar eingangs ihrer Beschwerdebegründung den Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sie macht aber im Weiteren keine Ausführungen, die sich diesem Zulassungsgrund zuordnen ließen. Er ist deshalb nicht ordnungsgemäß dargelegt.
2. Die Ausführungen der Beigeladenen ergeben auch nicht, dass das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensfehler beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wie die Beigeladene in ihrer ergänzenden Beschwerdebegründung ausdrücklich geltend macht.
a) Die Beigeladene rügt zum einen, das Verwaltungsgericht habe gegen § 105 VwGO, § 162 ZPO verstoßen; es habe die vorläufige Aufzeichnung der Aussage der Zeugin weder vorgelesen noch durch die Zeugin genehmigen lassen. Die Beigeladene hat jedoch nach § 173 VwGO, § 295 Abs. 1 ZPO ihr Recht verwirkt, diesen Verfahrensmangel zu rügen. Ein anwaltlich vertretener Verfahrensbeteiligter kann derartige Mängel der Protokollierung nur rügen, wenn er sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung beanstandet hat (Urteil vom 23. Februar 1983 - BVerwG 6 C 96.82 - BVerwGE 67, 43 <47>, NJW 1983, 2275). Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat die anwaltlich vertretene Beigeladene in der mündlichen Verhandlung, die sich unmittelbar an die Beweisaufnahme angeschlossen hat, nicht darauf hingewirkt, dass die Aufzeichnung über die Aussage der Zeugin verlesen und von dieser genehmigt wird. Die Beigeladene behauptet dies auch nicht.
b) Soweit die Beigeladene rügt, das Verwaltungsgericht habe die Grundsätze der Beweiswürdigung verletzt, ist ein Verfahrensfehler nicht dargetan. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind in der Regel revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzurechnen. Ein Verfahrensfehler kann ausnahmsweise gegeben sein, wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder die allgemeinen Erfahrungssätze missachtet. Derartiges hat die Beigeladene nicht dargelegt. Sie hält die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts für nicht überzeugend. Sie meint, das Verwaltungsgericht habe Umstände überbewertet, die es für die mangelnde Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin herangezogen hat; es habe andere Umstände nicht hinreichend gewichtet, die für einen überschuldungsbedingten Verzicht auf das Grundstück gesprochen hätten. Die Beigeladene stellt damit nur ihre abweichende Würdigung des Sachverhalts den Feststellungen des Verwaltungsgerichts entgegen. Dass auch eine andere Würdigung des Sachverhalts möglich gewesen wäre, reicht indes für die Darlegung eines Verfahrensfehlers nicht aus.
c) Die Beigeladene will darüber hinaus möglicherweise geltend machen, das Verwaltungsgericht habe seine Überzeugung auf der Grundlage einer Aussage gebildet, die die Zeugin so nicht gemacht habe. Insoweit ist aber ebenfalls kein Verfahrensfehler dargelegt. In Betracht käme allenfalls ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO. Er kann auch verletzt sein, wenn das Gericht den Inhalt einer Zeugenaussage fehlerhaft erfasst und sich seine Überzeugung deshalb auf der Grundlage eines unzutreffenden Sachverhalts bildet.
Die Beigeladene stützt indes ihren Vorwurf im Wesentlichen darauf, das Verwaltungsgericht habe die Aussage der Zeugin fehlerhaft und unvollständig protokolliert und diese unrichtig protokollierte Aussage seiner Beweiswürdigung zugrunde gelegt. Der Senat kann offen lassen, ob die Beweiskraft des Protokolls wegen des unterlaufenden Protokollierungsfehlers erschüttert ist und ob die Beigeladene wegen der insoweit eingetretenen Verwirkung ihres Rügerechts auch gehindert ist, anknüpfend an den unterlaufenen Protokollierungsfehler eine inhaltliche Unrichtigkeit des Protokolls geltend zu machen. Denn das Verwaltungsgericht hat einen entsprechenden Antrag der Beigeladenen auf Berichtigung des Protokolls durch unanfechtbaren Beschluss abgelehnt. Jedenfalls deshalb muss der Senat davon ausgehen, dass die Aussage der Zeugin in dem Protokoll zutreffend festgehalten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 4 GKG.