Beschluss vom 22.07.2004 -
BVerwG 4 B 48.04ECLI:DE:BVerwG:2004:220704B4B48.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.07.2004 - 4 B 48.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:220704B4B48.04.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 48.04

  • OVG des Saarlandes - 30.03.2004 - AZ: OVG 1 R 8/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w , den Richter am Bundesverwaltungsgericht G a t z und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des
  2. Saarlandes vom 30. März 2004 wird zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.
a) Die Klägerin hält für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig die Frage, ob das Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf den Zutritt von Licht und Luft und einen Sozialabstand durch die landesrechtliche Abstandsflächenvorschrift abschließend geregelt ist. Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, denn das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf Belichtung, Besonnung und Belüftung sowie den Wohnfrieden trotz Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen als rechtlich möglich angesehen (vgl. UA S. 16), das Vorliegen eines Verstoßes jedoch aus tatsächlichen Gründen verneint (vgl. UA S. 17 ff.).
b) Die Beschwerde möchte bei verständiger Würdigung in einem Revisionsverfahren außerdem geklärt wissen, ob, wenn ein Vorhaben sich nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung einfügt, das Kriterium der Grundstücksfläche im Sinne der räumlichen Anordnung nachbarschützend ist.
Auch diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Eine Rechtsverletzung der Klägerin kommt insoweit schon deshalb nicht in Betracht, weil sich das Vorhaben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts objektiv-rechtlich auch hinsichtlich der Anordnung der Halle auf dem Baugrundstück in die nähere Umgebung einfügt (vgl. UA S. 17 f.).
2. Die geltend gemachte Abweichung des Berufungsurteils von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 1974 - BVerwG 4 C 77.73 - (Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 45) und vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - (BVerwGE 55, 369) liegt nicht vor. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur gegeben, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712).
Die genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts enthalten - wie die Beschwerde insoweit zutreffend darlegt - entscheidungstragend den Rechtssatz, dass bei der Anwendung von § 34 Abs. 1 BauGB die Umgebung einmal insoweit berücksichtigt werden muss, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat das Berufungsgericht nicht aufgestellt. Es hat bei der Bestimmung der maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabens ausdrücklich auch diejenige Bebauung in die Betrachtung einbezogen, die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks mit beeinflusst (vgl. UA S. 17). Dass das Berufungsgericht insoweit nur die Bebauung, nicht auch den Hausgarten erwähnt, lässt nicht den Schluss zu, es habe den Hausgarten nicht als Teil der näheren Umgebung angesehen. Es hat - wie insbesondere die Ausführungen zur Verschattung des Grundstücks zeigen (vgl. UA S. 21 f.) - die Auswirkungen der umstrittenen Halle nicht nur auf das Wohnhaus der Klägerin, sondern auf ihr Grundstück insgesamt in den Blick genommen, einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme jedoch auch insoweit verneint. Aus diesem Grunde würde sich auch die von der Beschwerde unter 3. aufgeworfene Frage, ob zur näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB auch die Wohnnutzung im Freien, nämlich der Hausgärten um die in dieser Umgebung vorhandenen Wohnhäuser gehört, in einem Revisionsverfahren nicht stellen.
Die Divergenzrüge kann auch nicht - wie die Beschwerde hilfsweise geltend macht - als Grundsatzrüge Erfolg haben. Die insoweit aufgeworfene Frage, ob im Fall des Zusammentreffens von Wohnnutzung mit Hausgärten und gewerblicher Bodennutzung die Wohnnutzung die Zulässigkeit der räumlichen Anordnung von Hochbauten im Grenzbereich beeinflussen kann, ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Welche Anforderungen das bundesrechtlich insoweit allein in Betracht kommende Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - BVerwG 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122 sowie Urteile vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - und vom 28. Oktober 1993 - BVerwG 4 C 5.93 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nrn. 44 und 120).
3. Die von der Beschwerde in einer weiteren Grundsatzrüge sinngemäß aufgeworfene Frage, ob § 34 Abs. 1 BauGB im Hinblick auf die Klägerin eine im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG inhaltbestimmende Wirkung hat und ob diese Wirkung den Hausgarten einschließt, lässt sich ohne weiteres außerhalb eines Revisionsverfahrens beantworten: Inhalt und Schranken des Eigentums werden gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Gesetze bestimmt. Der eigentumsrechtliche Schutz der Klägerin könnte deshalb über die sich aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebende Rechtsposition nicht hinausgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3 sowie auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.