Beschluss vom 22.09.2005 -
BVerwG 1 WB 32.05ECLI:DE:BVerwG:2005:220905B1WB32.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.09.2005 - 1 WB 32.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:220905B1WB32.05.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 32.05

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
sowie
Generalmajor Keerl und
Oberstabsapotheker Dr. Neben
als ehrenamtliche Richter
am 22. September 2005
b e s c h l o s s e n :

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der 1968 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit (SaZ) mit einer festgesetzten Dienstzeit von 15 Jahren und sieben Monaten, die mit Ablauf des 31. Dezember 2005 enden wird. Vom 1. Juli 1987 bis zum 30. Juni 1989 leistete er Wehrdienst als Reserveoffizieranwärter im Status eines SaZ. Am 1. November 1989 nahm er an der Universität R. das Studium der Zahnmedizin auf und legte am 14. April 1992 die zahnärztliche Vorprüfung erfolgreich ab.

2 Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung vom 8. April 1992 wurde der Antragsteller zum 1. Juni 1992 mit dem Dienstgrad Leutnant als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes eingestellt. Vom 1. Oktober 1992 bis 31. März 1995 wurde er im Wege der Beurlaubung kommandiert, um auf Kosten des Bundes das Studium der Zahnmedizin abzuschließen. Am 8. Dezember 1994 erhielt er die Approbation als Zahnarzt. Am 30. August 1996 folgte die zahnärztliche Promotion. Seit dem 19. Dezember 1994 ist der Antragsteller Sanitätsstabsoffizier (SanStOffz) Zahnarzt und wird seit dem 1. Juli 2001 als Leiter der Zahnarztgruppe W. im Sanitätszentrum K. (bis zum 31. März 2005 Standortsanitätszentrum N.) verwendet. Zum Oberstabsarzt wurde er am 1. Juli 1997 ernannt.

3 Das Dienstzeitende des Antragstellers war zunächst auf den 31. Mai 2008 festgesetzt worden. In einem Klageverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht R. (Az.: ...) betreffend die Ablehnung eines Antrags auf Dienstzeitverkürzung nach § 40 Abs. 7 SG schlossen der Antragsteller als Kläger und die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Verteidigung, als Beklagte am 28. April 2004 einen Vergleich. Darin verpflichtete sich die Bundesrepublik Deutschland, die Dienstzeit des Antragstellers mit dem Dienstzeitende 31. Dezember 2005 neu festzusetzen. Der Antragsteller verzichtete im Gegenzug auf weitere Anträge betreffend eine Dienstzeitverkürzung.

4 Mit Schreiben vom 23. August 2004 beantragte der Antragsteller beim Personalamt der Bundeswehr (PersABw) eine „Ausbildung zur Erlangung der vollen kassenzahnärztlichen Vorbereitungszeit während meiner Dienstzeit als SaZ mit dem Ziel der Niederlassungsmöglichkeit als Kassenzahnarzt nach Beendigung meiner Dienstzeit“. Es bestehe die Möglichkeit einer sechsmonatigen Freistellung vom militärischen Dienst als SanStOffz Zahnarzt unter Belassung der Geld- und Sachbezüge, während der die Ausbildung in Form einer nichtselbstständigen Tätigkeit in einer zivilen Praxis erfolgen könne. Das PersABw legte dieses Schreiben als Antrag auf Sonderurlaub unter Belassung der Geld- und Sachbezüge aus und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. November 2004 ab.

5 Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 19. November 2004 hob das PersABw mit Schreiben vom 8. Februar 2005 den angefochtenen Bescheid auf und legte den Antrag vom 23. August 2004 zur erneuten Entscheidung zuständigkeitshalber dem Bundesminister der Verteidigung (BMVg) vor.

6 In Erwiderung eines Aufklärungsschreibens des zuständigen Referenten im BMVg - PSZ I 7 - vom 9. Februar 2005 erklärte der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 24. Februar 2005, dass er eine Freistellung vom militärischen Dienst vom 1. Juni 2005 bis 30. November 2005 unter Belassung der Geld- und Sachbezüge zur Erlangung der vollen kassenzahnärztlichen Vorbereitungszeit während seiner Dienstzeit beantrage. Darüber hinaus sei sein Antrag auch darauf gerichtet, zur „Dienstleistung zivile Weiterbildung Zahnmedizin“ abkommandiert zu werden.

7 Den auf die Gewährung von Sonderurlaub unter Belassung der Geld- und Sachbezüge gerichteten Antrag lehnte der BMVg - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 27. April 2005 ab und wies den Antragsteller darauf hin, dass hinsichtlich seines Antrags auf Kommandierung zur Dienstleistung in einer zivilen Weiterbildung Zahnmedizin ein gesonderter Bescheid des PersABw als der personalbearbeitenden Stelle für Sanitätsoffiziere (SanOffz) ergehen werde.

8 Den Antrag auf Kommandierung des Antragstellers zur Dienstleistung zivile Weiterbildung Zahnmedizin lehnte das PersABw mit Bescheid vom 24. Mai 2005 ab. Dagegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 13. Juni 2005 Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entscheiden ist.

9 Gegen den ihm am 3. Mai 2005 zugestellten Bescheid des BMVg vom 27. April 2005 hat der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Mai 2005 die gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Diesen Antrag hat der BMVg - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 21. Juni 2005 dem Senat vorgelegt.

10 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:

11 Er benötige eine allgemeine sechsmonatige Freistellung vom militärischen Dienst zur Erlangung der kassenzahnärztlichen Zulassung, die ihm entweder als Sonderurlaub oder als Freistellung vom militärischen Dienst jeweils unter Belassung der Geld- und Sachbezüge oder als Abkommandierung zur zivilen Weiterbildung Zahnmedizin zu gewähren sei. Er sei existenznotwendig auf die beantragte Freistellung angewiesen, weil zu befürchten sei, dass er bei Ableistung der kassenzahnärztlichen Vorbereitungszeit erst nach Dienstzeitende keine Zulassung mehr erhalten werde. Er habe die einmalige Möglichkeit, zum Jahreswechsel 2005/2006 eine Zahnarztpraxis in W. zu übernehmen. Bei Ableistung der notwendigen Vorbereitungszeit zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit nach Dienstzeitende könne er seine Zulassung frühestens im Juli 2006 beantragen. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayern, Bezirksstelle O., habe ihm jedoch mit Schreiben vom 12. September 2003 mitgeteilt, dass zu diesem Zeitpunkt möglicherweise bereits eine Zulassungssperre bestehen und er deshalb keine Zulassung mehr erhalten werde. Damit wäre seine gesamte Existenz gefährdet. In Nr.  83 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu § 9 Soldatenurlaubsverordnung sei als wichtiger Grund für die Gewährung eines Sonderurlaubs die Vorbereitung eines Berufswechsels außerhalb einer Berufsförderung ausdrücklich genannt. Hierauf berufe er sich. Ein dienstliches Interesse an seiner Freistellung sei ebenfalls gegeben. Schließlich rüge er eine Ungleichbehandlung der SanOffz Arzt mit den SanOffz Zahnarzt. Für die Zahnmediziner sei im „SanOA Brief 1993“ vom 8. Juni 1993 als Ziel formuliert worden, die kassenzahnärztliche Vorbereitungszeit den SanOffz Zahnarzt während der Dienstzeit bei einem niedergelassenen Kassenzahnarzt zu ermöglichen. Eine entsprechende Regelung für Humanmediziner bestehe seit langem.

12 Er beantragt,

13 festzustellen, dass der Bescheid des BMVg vom 27. April 2005 rechtswidrig ist.

14 Der BMVg beantragt,

15 den Antrag zurückzuweisen.

16 Der Feststellungsantrag sei unbegründet. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Geld- und Sachbezüge; der Gewährung dieses Urlaubs stünden dienstliche Gründe entgegen. Aufgrund der derzeit angespannten Personalbedarfslage im zahnärztlichen Dienst sei der Antragsteller unabkömmlich. Das im Bescheid vom 27. April 2005 angegebene Fehl von insgesamt 34 SanStOffz Zahnarzt sei mittlerweile weiter angewachsen. Zum Stichtag 1. Juni 2005 könnten im zahnärztlichen Dienst insgesamt 36 Dienstposten nicht besetzt werden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass in der Zahnarztgruppe W. nur ein SanStOffz Zahnarzt-Dienstposten vorhanden sei, auf dem der Antragsteller verwendet werde. Mangels anderer verfügbarer SanStOffz Zahnarzt werde der Antragsteller bis zum Ablauf seiner neu festgesetzten Dienstzeit (31. Dezember 2005) an seinem derzeitigen Standort W. als Leiter der Zahnarztgruppe dringend benötigt, um die zahnärztliche Versorgung sicherzustellen. Darüber hinaus liege ein „wichtiger Grund“ für eine Beurlaubung des Antragstellers nicht vor. Die von ihm angeführte einmalige Gelegenheit, die Zahnarztpraxis eines aus Altersgründen ausscheidenden Praxisinhabers in W. übernehmen zu können, stelle keinen außergewöhnlichen Sonderfall dar, der eine vorzeitige Beurlaubung des Antragstellers rechtfertigen könne. Eine drohende Existenzgefährdung des Antragstellers sei nicht ersichtlich. Nach Ablauf seiner Dienstzeit bestehe die Möglichkeit, sich als Zahnarzt in anderen Regionen im Bundesgebiet niederzulassen. Überdies seien alle SanStOffz Zahnarzt, die sich wie der Antragsteller nach Ablauf ihrer Dienstzeit als SaZ als Vertragszahnarzt in einer Region niederlassen wollten, in der eine Zulassungsbeschränkung bestehe bzw. unmittelbar drohe, in gleicher Weise betroffen. Die vom Antragsteller vorgelegte Bescheinigung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern, Bezirksstelle O., weise keinen konkreten aktuellen Aussagegehalt über die im Jahr 2006 bestehenden Niederlassungsbeschränkungen für Zahnärzte im Bezirk W. auf.

17 Soweit der Antragsteller im Hinblick auf die Möglichkeit einer sechsmonatigen zivilen Weiterbildung während seiner Dienstzeit als SaZ einen fehlenden sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung von SanStOffz Arzt und SanStOffz Zahnarzt behaupte, verkenne er, dass die Ausbildungs- und Verwendungsgänge dieser SanStOffz nicht vergleichbar seien. Bei dem angeführten SanOA-Brief vom 8. Juni 1993 handele es sich lediglich um eine bloße Absichtserklärung des Verfassers, der keinerlei Bindungswirkung zukomme. Der BMVg - FüSan II 3 - (früher: InSan II 3) habe als Erlasshalter für die Aus- und Weiterbildung von Sanitätsoffizieren von dieser Absichtserklärung (im Erlass vom 3. März 1997) Abstand genommen, weil anders als im ärztlichen Bereich für die zahnärztliche Versorgung in der Bundeswehr eine über die Approbation hinausgehende gesonderte Ausbildung in einer zivilen Weiterbildungsstätte nicht notwendig sei und nicht im dienstlichen Interesse liege.

18 Den Antrag des Antragstellers, den BMVg im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2005 unter Belassung der Geld- und Sachbezüge vom militärischen Dienst freizustellen, hat der Senat mit Beschluss vom 30. Juni 2005 - BVerwG 1 WDS-VR 2.05 - zurückgewiesen.

19 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des BMVg - PSZ I 7 - 408/05 -, die Verfahrensakten des BMVg - PSZ I 8 - 183/03 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

20 Der Feststellungsantrag bleibt ohne Erfolg.

21 Das ursprüngliche Rechtsschutzanliegen des Antragstellers aus seinem Antrag vom 23. August 2004 und aus dem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 24. Februar 2005, zur Durchführung der Vorbereitungszeit zur Erlangung der kassenzahnärztlichen Zulassung während der Dienstzeit als SaZ vom 1. Juni bis zum 30. November 2005 unter Fortzahlung der Geld- und Sachbezüge Sonderurlaub zu erhalten oder - in Gestalt eines getrennten Antrages - für diese Zeit vom militärischen Dienst freigestellt zu werden, hat sich mit Ablauf des 1. Juni 2005, spätestens mit Ablauf des 1. Juli 2005 erledigt. Die Beteiligten machen nicht geltend, dass auch noch ein nachträglicher Übergang des Antragstellers in diese sechsmonatige Ausbildung oder in eine verkürzte Ausbildung in Betracht kommt. Dies ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Vielmehr bezieht und beschränkt sich der Antrag ausdrücklich auf die volle Absolvierung der sechs Monate dauernden Vorbereitungszeit während der Dienstzeit, die für den Antragsteller am 31. Dezember 2005 endet. Auch im Schreiben seines Bevollmächtigten vom 12. September 2005 hat der Antragsteller noch einmal die Erforderlichkeit der „sechsmonatigen Vorbereitungszeit“ bekräftigt.

22 Der Antragsteller verfolgt sein Rechtsschutzanliegen deshalb mit einem Fortsetzungsfeststellungsantrag in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter, der auch im Wehrbeschwerdeverfahren grundsätzlich statthaft ist (vgl. hierzu: Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - <BVerwGE 53, 134 [137]>, vom 21. November 1995 - BVerwG 1 WB 53.95 - <BVerwGE 103, 278 [ff.] = Buchholz 252 § 9 SBG Nr. 1>, vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 15.01 - <Buchholz 442.40 § 30 LuftVG Nr. 6 = NZWehrr 2001, 165> und vom 4. November 2004 - BVerwG 1 WB 29.04 -).

23 Ein derartiger Antrag setzt ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich dieses Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Zusätzlich kommt auch unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ein berechtigtes Feststellungsinteresse in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (Beschlüsse vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 - <BVerwGE 119, 341 = NZWehrr 2004, 163> und - BVerwG 1 WB 24.03 - <Buchholz 236.110 § 6 SLV 2002 Nr. 1> jeweils m.w.N., vom 22. Januar 2004 - BVerwG 1 WB 34.03 -, vom 4. November 2004 - BVerwG 1 WB 29.04 - und vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 WB 19.04 -). Ein Feststellungsinteresse in diesem Sinne muss der Antragsteller spezifiziert darlegen und geltend machen.

24 Diese Voraussetzung ist erfüllt.

25 Der Antragsteller hat in den Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. August 2005 und vom 12. September 2005 ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hinblick auf einen behaupteten Amtshaftungsanspruch und einen ihm drohenden Schaden näher dargelegt.

26 Soweit der Feststellungsantrag die Gewährung von Sonderurlaub betrifft, ist er danach zulässig, jedoch unbegründet.

27 Der angefochtene Bescheid des BMVg vom 27. April 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Bewilligung des angestrebten Sonderurlaubs.

28 Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 30. Juni 2005 - BVerwG 1 WDS-VR 2.05 - im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt:

29 „Für den Sonderurlaub der Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit gelten gemäß § 28 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 SG i.V.m. § 9 der Verordnung über den Urlaub der Soldaten (Soldatenurlaubsverordnung - SUV) die Vorschriften für Bundesbeamte entsprechend, sofern sich aus den folgenden Vorschriften (der SUV) nichts anderes ergibt. Nach der hier über § 9 SUV allein einschlägigen Bestimmung des § 13 Abs. 2 der Verordnung über Sonderurlaub für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst (Sonderurlaubsverordnung - SUrlV) kann einem Soldaten Sonderurlaub unter Fortzahlung der Geld- und Sachbezüge nur gewährt werden, wenn der Urlaub auch dienstlichen Zwecken dient und wenn außerdem die Voraussetzungen für einen Urlaub unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SUrlV vorliegen (Beschlüsse vom 8. November 1977 - BVerwG 1 WB 143.76 - <BVerwGE 53, 339 [343]> und vom 10. Juli 1990 - BVerwG 1 WB 96.90 - <DokBer B 1990, 273>). Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SUrlV kann Sonderurlaub nur gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen.

30 Für die beantragte Urlaubsgewährung liegt kein ‚wichtiger Grund’ in diesem Sinne vor. Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit haben grundsätzlich die freiwillig eingegangenen Verpflichtungen zur Dienstleistung voll zu erfüllen. Da eine Beurlaubung aus wichtigem Grund die Erfüllung der Dienstpflicht tangiert, kann sie nicht schon in Betracht gezogen werden, wenn der Soldat seine Belange selbst für wichtig hält, sondern nur dann, wenn sie bei objektiver Betrachtung gewichtig und schutzwürdig sind. Je länger der beantragte Sonderurlaub dauern soll, umso stärker wird das öffentliche Interesse an der vollen Dienstleistung berührt, umso höhere Anforderungen sind demgemäß an die Gewichtigkeit und Schutzwürdigkeit des geltend gemachten Urlaubsgrundes zu stellen (Beschlüsse vom 19. Mai 1992 - BVerwG 1 WB 137.91 - und vom 24. August 1993 - BVerwG 1 WB 56.93 - <BVerwGE 93, 389 = NZWehrr 1994, 211 = ZBR 1994, 183>). Hiernach stellt die angestrebte Absolvierung der Vorbereitungszeit zur Erlangung der kassenzahnärztlichen Zulassung bereits während der Dienstzeit keinen wichtigen Grund dar. Hiervon könnte nur dann gesprochen werden, wenn sich der Antragsteller in einer Ausnahmesituation befände, die sich als wirkliche Zwangslage darstellt (Beschluss vom 24. August 1993 - BVerwG 1 WB 56.93 - <a.a.O.>). Eine derartige Zwangslage ist für den Senat nicht erkennbar, denn der Antragsteller kann auch im Anschluss an die reguläre Verpflichtungszeit die kassenzahnärztliche Vorbereitungszeit absolvieren. Auch unter Berücksichtigung der Nr. 83 Abs. 3 Satz 1 ZDv 14/5 F 511 liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 SUrlV nicht vor. Hier wird lediglich die Vorbereitung eines Berufswechsels außerhalb der Berufsförderung als Beispielsfall eines wichtigen Grundes aufgeführt. Der Antragsteller strebt jedoch nicht einen Berufswechsel an. Im Übrigen entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass die Möglichkeit der Übernahme einer Zahnarztpraxis zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen ‚wichtigen Grund’ für die Gewährung eines Sonderurlaubs darstellt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Änderung der Zulassungspraxis der Zahnärztekammern seit In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform (Beschluss vom 9. Dezember 1999 - BVerwG 1 WB 59.99 -; vgl. ferner Beschluss vom 24. August 1993 - BVerwG 1 WB 56.93 - <a.a.O.>).

31 Darüber hinaus stehen der beantragten Sonderurlaubsgewährung dienstliche Gründe im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 SUrlV entgegen. Der BMVg hat schon im Beschwerdebescheid und sodann in der Senatsvorlage im Einzelnen vorgetragen, dass der Antragsteller aufgrund der zurzeit angespannten Personalbedarfslage im zahnärztlichen Dienst unabkömmlich sei. Zum Stichtag 1. Juni 2005 könnten im zahnärztlichen Dienst der Bundeswehr insgesamt 36 Dienstposten nicht besetzt werden. Darüber hinaus hat der BMVg im Einzelnen ausgeführt, dass in der Zahnarztgruppe W. der Antragsteller als Leiter dringend benötigt werde, um die zahnärztliche Versorgung sicherzustellen. Verfügbare einspringende SanStOffz Zahnarzt stünden nicht zur Verfügung. Diesen Ausführungen ist der Antragsteller auch im Schreiben seines Bevollmächtigten vom 29. Juni 2005 nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Selbst wenn der Vortrag zutreffen sollte, dass seit dem 1. Januar 2005 in der Zahnarztgruppe K. drei Zahnärzte ‚stationiert’ seien, ändert dies nichts an dem vom BMVg mitgeteilten Fehl von 36 Dienstposten. Darüber hinaus ist der Antragsteller in der Zahnarztgruppe W. als L e i t e r der Zahnarztgruppe eingesetzt und in dieser Funktion nach Darstellung des BMVg unabkömmlich. Bei der Frage, welcher Personalbedarf in einzelnen Bereichen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr besteht, handelt es sich nicht um einen gerichtlich überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Derartige Bedarfsermittlungen des BMVg dienen vornehmlich der Verwirklichung planerischer Vorstellungen und stellen organisatorische Maßnahmen dar, mit deren Hilfe der BMVg den Auftrag der Bundeswehr realisieren will. Sie stehen damit grundsätzlich außerhalb der Kriterien von Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit. Es handelt sich dabei vielmehr in erster Linie um Zweckmäßigkeitsfragen, die einer gerichtlichen Kontrolle nach ständiger Rechtsprechung des Senats entzogen sind (vgl. z.B. Beschlüsse vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 1 WB 59.01 - m.w.N. und vom 21. Februar 2002 - BVerwG 1 WB 75.01 - m.w.N.). Es gehört nicht zu den Aufgaben der Wehrdienstgerichte, ihre Vorstellungen über die Organisation oder die Bedarfsplanung der Bundeswehr an die Stelle derjenigen der dazu berufenen Vorgesetzten zu setzen. Der BMVg darf hiernach einen längerfristigen Sonderurlaub nicht nur dann ablehnen, wenn die Leistungsfähigkeit eines militärischen Verbandes oder einer militärischen Einheit dadurch ernsthaft beeinträchtigt würde. Vielmehr genügt für die ablehnende Entscheidung, dass in dem betreffenden militärischen Bereich aufgrund der Beurlaubung erkennbare Schwierigkeiten überwunden werden müssten (Beschlüsse vom 15. Dezember 1998 - BVerwG 1 WB 58.98 -, vom 9. Dezember 1999 - BVerwG 1 WB 59.99 - und vom 21. Februar 2002 - BVerwG 1 WB 75.01 -). Das ist hier - wie dargelegt - der Fall.

32 Bei summarischer Prüfung ist schließlich nicht festzustellen, dass der angestrebte Sonderurlaub ‚auch dienstlichen Zwecken’ dient. Hierbei kommt es nicht auf die subjektive Betrachtungsweise des Antragstellers an, sondern auf die objektive Gewichtigkeit und Schutzwürdigkeit der in Betracht kommenden Zwecke. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats dient ein Sonderurlaub nur dann ‚auch dienstlichen Zwecken’, wenn der Vorgesetzte mit der Gewährung des Urlaubs nach der gegebenen Bedarfslage konkrete dienstliche Zwecke verfolgt, welche die Belassung der Bezüge rechtfertigen (Beschlüsse vom 19. Mai 1981 - BVerwG 1 WB 123.79 - <BVerwGE 73, 182 [186]> und vom 10. Juli 1990 - BVerwG 1 WB 96.90 - <a.a.O.>). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass der Antragsteller mit der Bewilligung eines Sonderurlaubs bis zu seinem Dienstzeitende anschließend die im Sonderurlaub durchgeführte Vorbereitungszeit noch für Zwecke der Bundeswehr nutzbar machen könnte.“

33 An dieser rechtlichen Beurteilung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung weiter fest. Der Antragsteller hat nach Übermittlung des Senatsbeschlusses vom 30. Juni 2005 keine Aspekte vorgetragen, die die vorbezeichneten rechtlichen Erwägungen in Frage stellen könnten. Auch der Hinweis des Antragstellers auf den Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung - Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr - vom 3. März 1997 (InSan II 3 - Az.: 16-05-13) rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung des Sonderurlaubsbegehrens des Antragstellers. Mit den in diesem Erlass festgelegten „Richtlinien für die Einstellung, Aus- und Weiterbildung der Sanitätsoffizier-Anwärter und Sanitätsoffiziere“ hat das Bundesministerium der Verteidigung sein ihm im Rahmen des § 3 SG zustehendes Verwendungsermessen für bestimmte Ausbildungen der SanOffz gebunden. Der Erlass modifiziert hingegen nicht die in § 13 SUrlV genannten Voraussetzungen für die Gewährung eines Sonderurlaubs unter Fortzahlung der Geld- und Sachbezüge. Liegt für die Gewährung eines Sonderurlaubs unter Fortzahlung der Geld- und Sachbezüge kein „wichtiger Grund“ vor und stehen seiner Gewährung dienstliche Gründe entgegen, ist ein darauf bezogener Antrag abzulehnen, ohne dass es auf die Bestimmungen im Erlass vom 3. März 1997 ankommt.

34 Soweit sich der Feststellungsantrag auch gegen die Ablehnung der Kommandierung des Antragstellers zur Dienstleistung zivile Weiterbildung Zahnmedizin richtet, ist der Antrag unzulässig.

35 Dieser Kommandierungsantrag ist Gegenstand eines gesonderten Wehrbeschwerdeverfahrens des Antragstellers gegen den Bescheid des nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 ZDv 14/5 B 125 sachlich zuständigen PersABw vom 24. Mai 2005. Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 13. Juni 2005 gegen diesen Bescheid hat der BMVg im Rahmen des Rechtsstreits BVerwG 1 WDS-VR 4.05 dieses Wehrbeschwerdeverfahren gesondert dem Senat vorgelegt, über das auch in einer getrennten Entscheidung zu befinden sein wird.

36 Für den Fall, dass der Freistellungsantrag des Antragstellers auf eine „Freistellung vom militärischen Dienst“ im Sinne der Nr. 1 Abs. 2 5. Strichaufzählung ZDv 14/5 F 511 zu beziehen sein sollte, ist der Feststellungsantrag ebenfalls unzulässig, weil dem Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate - insoweit die instanzielle Zuständigkeit fehlt. Nach der vorbezeichneten Bestimmung ist die Freistellung vom militärischen Dienst die Erlaubnis des Dienstherrn, anstatt am militärischen Dienst an einer Fachausbildung für das spätere Berufsleben teilzunehmen. Sie wird SaZ nach Maßgabe des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) und der hierzu ergangenen Durchführungsbestimmungen erteilt. Zuständig für die Freistellung vom militärischen Dienst sind nach § 21 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zu §§ 4, 5 und 5 a SVG vom 14. November 1994 (VMBl. S. 336) die personalbearbeitenden Stellen. Das ist hier ebenfalls nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 ZDv 14/5 B 125 das PersABw. Über die Freistellung hätte das PersABw „entsprechend der Entscheidung nach Abs. 2 Satz 1“ (in § 21 Abs. 2 Satz 1 der Durchführungsverordnung zu §§ 4, 5, 5 a SVG) zu entscheiden. Für den Senat ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller eine derartige - vorrangige - Entscheidung der in § 21 Abs. 2 Satz 1 der Durchführungsverordnung genannten Stelle beantragt hätte. Gegenwärtig ist eine instanzielle Zuständigkeit des Senats nach § 21 Abs. 1 WBO insoweit nicht gegeben, weil keine anfechtbare Entscheidung des BMVg - oder eines der in § 22 WBO genannten Inspekteure oder Vorgesetzten - ergangen ist.

37 Von der Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten sieht der Senat ab, weil er die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 WBO nicht für gegeben erachtet.