Beschluss vom 23.01.2009 -
BVerwG 7 B 55.08ECLI:DE:BVerwG:2009:230109B7B55.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.01.2009 - 7 B 55.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:230109B7B55.08.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 55.08

  • OVG des Saarlandes - 30.09.2008 - AZ: OVG 1 A 2/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Januar 2009
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Guttenberger und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 30. September 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Klägerin trotz ihres Ausscheidens aus dem Entsorgungsverband Saar (EVS) zum 1. Januar 2000 und ihrer Bekundung, ab dem 1. Januar 2006 von ihr eingesammelte Bioabfälle durch deren Überlassung an einen Dritten selbst zu verwerten, weiterhin zu deren Anlieferung an die Bioverwertungsanlage des Beklagten verpflichtet ist. Die Klägerin verweist auf § 3 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes über den Entsorgungsverband Saar (EVSG), wonach eine Überlassungspflicht für Verwertungsabfälle nicht bestehe, wenn die jeweilige Gemeinde insoweit nach § 3 Abs. 1 EVSG aus dem EVS ausgeschieden ist. Der Beklagte bezieht sich auf § 2 Abs. 2 Nr. 4 EVSG, wonach die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Behandlung von Bioabfällen dem überörtlichen Aufgabenbereich zugehöre und dieser damit im vollen Umfang der Aufgabenwahrnehmung durch eine Gemeinde entzogen sei.

2 Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht dessen Urteil abgeändert und festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, die von ihr eingesammelten verwertbaren Bioabfälle dem Beklagten zu überlassen.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

II

4 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Revision ist nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

5 Die Beschwerde sieht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör - § 108 Abs. 2 VwGO - darin begründet, dass das Oberverwaltungsgericht den Inhalt der hilfsweise vorgetragenen Erwägungen in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 7. August 2008 verkannt und übergangen habe. Dieser Vortrag bezog sich darauf, dass selbst dann, wenn die Verwertung von Bioabfällen als örtliche Aufgabe anzusehen sei, § 3 Abs. 4 Satz 3 EVSG eine „Befreiung“ von der Überlassungspflicht nur für den Fall vorsehe, dass die Verwertungsaufgabe von der Gemeinde selbst wahrgenommen werde. Bei einer bloßen Aufgabenverlagerung auf einen Dritten verbleibe es bei der Überlassungspflicht an den EVS.

6 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör das Gericht dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Davon kann bereits grundsätzlich ausgegangen werden; im Einzelnen setzt dies voraus, dass die wesentlichen der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen nicht nur im Tatbestand erwähnt, sondern in den Entscheidungsgründen auch verarbeitet werden oder dass gegebenenfalls ihre fehlende Entscheidungserheblichkeit dargelegt wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2004 - 2 BvR 779/04 - juris Rn. 20 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 - BVerwG 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 102 <110 f.>; Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht aber nicht, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Dies gilt insbesondere für solches Vorbringen, das nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>).

7 An diesen Grundsätzen gemessen hat sich das Oberverwaltungsgericht mit dem Hilfsvorbringen des Beklagten auf den Seiten 12 bis 14 seines Schriftsatzes vom 7. August 2008 in ausreichendem Maße auseinander gesetzt. In den Entscheidungsgründen geht das Gericht auf Seite 43 unten auf diesen Vortrag ein und verneint sinngemäß die Rechtsauffassung des Beklagten, dass die Klägerin die Verwertung von Bioabfall nur übernehmen könne, wenn sie diese Aufgabe selbst wahrnehme. Zudem verweist das Gericht - dem Hilfsvorbringen des Beklagten entgegentretend - auf die Regelungen des Saarländischen Abfallwirtschaftsgesetzes, wonach sich die Klägerin Dritter zur eigenverantwortlichen Erfüllung übernommener Pflichten bedienen kann (Seite 44 oben). Auch wenn es zu einer anderen Rechtsauffassung gelangt, hat das Oberverwaltungsgericht damit ersichtlich ohne gegen § 108 Abs. 2 VwGO zu verstoßen das Vorbringen des Beklagten aufgenommen und gewichtet.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.