Beschluss vom 23.02.2004 -
BVerwG 5 B 5.04ECLI:DE:BVerwG:2004:230204B5B5.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.02.2004 - 5 B 5.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:230204B5B5.04.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 5.04

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 17.10.2003 - AZ: 2 A 3546/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. R o t h k e g e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet.
Aus dem Beschwerdevortrag ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Kläger behaupten zwar Meinungsverschiedenheiten der Obergerichte zur Frage, ob der Direktor einer Sowchose nach § 5 BVFG vom Spätaussiedlerstatus ausgeschlossen sei, belegen das aber nicht. Sie behaupten weiter, dass zur Rechtsauffassung, "dass die Funktion eines Sowchos-Direktors, da dieser angeblich zur lokalen Nomenklatura gehört, und weil dessen Ein- und Absetzung von der Zustimmung des Komitees nur erfolgen kann, eine Sonderstellung inne hat", bereits Revisionen zugelassen worden seien, belegen aber auch das nicht.
Die Kläger bezeichnen in ihrer Beschwerdebegründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die in einem Revisionsverfahren zu klären sei. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass Funktionen mit Entscheidungs- und Leitungskompetenz, "insbesondere soweit sie gelenkt von der KPdSU ausgeübt wurden, für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems als bedeutsam geltend in Betracht kommen konnten" (Urteil vom 29. März 2001 - BVerwG 5 C 15.00 - Buchholz 412.3 § 5 BVFG Nr. 3 = DVBl 2001, 1526). Soweit in dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiter ausgeführt ist, es genüge nicht schon "jede Funktion auf einer mit Entscheidungs- und Leitungskompetenz ausgestatteten Ebene einer staatlichen Einrichtung, die aufgrund der Organisationsstruktur des kommunistischen Herrschaftssystems dessen Aufrechterhaltung diente", und es könnten ungeachtet des Umstandes, dass die Partei auf die staatlichen, wirtschaftlichen und anderen Einrichtungen Einfluss habe nehmen können und genommen habe, "grundsätzlich alle diejenigen Funktionen, die auch in anderen, nichtkommunistischen Staats- und Gesellschaftsordnungen erforderlich sind und ausgeübt werden, nicht als für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich bedeutsam geltend angesehen werden", lässt dies Raum für die vom Berufungsgericht vorgenommene Prüfung in Bezug auf herausgehobene Leitungspositionen in Wirtschaft und Landwirtschaft auch dann, wenn die Betroffenen nicht hauptamtliche Parteifunktionäre gewesen sind (bereits Beschluss des Senats vom 21. Januar 2004 - BVerwG 5 B 96.03 - zur Tätigkeit als Direktor einer Sowchose).
Soweit die Kläger dem Berufungsgericht vorhalten, es habe die Machtbefugnisse des Direktors einer Sowchose und die Bedeutung seiner Zugehörigkeit zur Nomenklatura verkannt, rügen sie lediglich die konkret auf den Direktor einer Sowchose bezogene Tatsachenwürdigung und Rechtsanwendung als fehlerhaft, legen aber nicht dar, inwieweit insofern noch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären sei. Die Herausarbeitung einer Kasuistik von Sachverhalten, deren Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG eine Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles voraussetzt, ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 2004 - BVerwG 5 B 42.03 - und - BVerwG 5 B 96.03 -).
Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.
Zu Unrecht rügen die Kläger, das Berufungsgericht habe ihren "Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs" verletzt, indem es ihre Schriftsätze nicht berücksichtigt habe, in denen sie dargelegt und unter Beweis gestellt hätten, "dass im Falle des Klägers als Sowchos-Direktor organisatorisch und im Hinblick auf die Beziehungen zum Parteiapparat kein Unterschied zu den Direktoren der Industrie- und Handelsunternehmen besteht". Aus dem Umstand, dass das Berufungsgericht der Argumentation in den Schriftsätzen der Kläger nicht gefolgt ist, kann nicht geschlossen werden, es habe diese nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt.
Auch war das Berufungsgericht nach § 130a VwGO befugt, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Die Kläger halten dem zwar entgegen, "zwischen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und der Entscheidung in der zweiten Tatsacheninstanz (hätten) auch bezüglich der Beurteilung von Tatsachen unterschiedliche Ansichten auch was Tatsachen und deren Feststellung angeht," vorgelegen, führen dazu aber - da das Verwaltungsgericht ihre Klage abgewiesen hat - offensichtlich unzutreffend an: "Das Verwaltungsgericht ist von einer völlig anderen Beurteilung ausgegangen und hat der Klage stattgegeben. Im Berufungsverfahren haben die Kläger mehrere Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtig ist." Das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung kann auch nicht darauf gestützt werden, dass darin die besondere Situation der Kläger hätte berücksichtigt werden können und müssen. Denn die Kläger haben nicht dargelegt, dass die vom Berufungsgericht für die individuelle Bedeutung eines Direktors einer Sowchose in diesem Zusammenhang relevant erachteten Kriterien der Mitarbeiterzahl (hier 475) und der Leitungszeit (hier ab 1976) nicht zutreffen oder sich dem Berufungsgericht weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Für die Beurteilung nach § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG kommt es auf eine für den Kläger angedeutete Möglichkeit deutscher Staatsangehörigkeit oder Zeiten weit vor der Funktion als Direktor einer Sowchose nicht an.
Die Revision kann schließlich nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen werden.
Die von der Beschwerde behauptete Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den von der Beschwerde herangezogenen Urteilen vom 29. März 2001 nicht, wie die Kläger behaupten, entschieden, "dass alleine eine hauptamtliche Funktion in diesem Parteiapparat, denn nur dieser sicherte den Machtanspruch der Partei, nach § 5 BVFG relevant sein kann". Im Übrigen bezeichnet die Beschwerde keine Aussage aus dem Berufungsurteil, die den vom erkennenden Senat in seinen Urteilen vom 29. März 2001 aufgestellten Rechtssätzen widerspräche, sondern behauptet nur eine unrichtige Sachverhaltsbeurteilung und Subsumtion unter diese Rechtssätze durch das Oberverwaltungsgericht.
Soweit die Kläger dem Berufungsgericht vorhalten, es gebe "keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Leiter eines landwirtschaftlichen Staatsbetriebes, der zweifelsohne zur Wirtschaft der ehemaligen Sowjetunion gehört, nur deshalb, weil er in der Landwirtschaft tätig ist, (in Bezug auf § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG) anders zu behandeln ist, als der Leiter in anderen Wirtschaftszweigen", bezeichnen sie keinen vom Berufungsgericht aufgestellten und von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden abstrakten Rechtssatz. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung zur Auslegung und Anwendung des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG nicht auf eine Unterscheidung zwischen landwirtschaftlichen und anderen Staatsbetrieben gestützt.
Materielle Rechtsanwendungsfehler, wie sie die Kläger - ob zu Recht oder Unrecht - rügen, rechtfertigen nach § 132 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 VwGO die Zulassung der Revision nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.