Beschluss vom 23.05.2006 -
BVerwG 1 B 124.05ECLI:DE:BVerwG:2006:230506B1B124.05.0

Beschluss

BVerwG 1 B 124.05

  • Bayerischer VGH München - 26.07.2005 - AZ: VGH 14 B 01.30599

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Mai 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund, Richter und
Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juli 2005 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig. Sie legt den allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.

2 Die Klägerin, eine 1999 nach Deutschland eingereiste iranische Staatsangehörige, wendet sich mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde gegen die auf die Berufung des Beteiligten im Berufungsurteil ausgesprochene Abweisung ihrer in erster Instanz nur noch auf asyl- und ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1, § 53 AuslG (jetzt § 60 AufenthG) gerichteten Klage auch insoweit, als das Verwaltungsgericht ihr asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) zugesprochen hatte, weil sie in Deutschland zum christlichen Glauben übergetreten ist und deshalb bei einer Rückkehr in den Iran verfolgt würde. Die in erster Instanz mit dem Verfahren der Klägerin verbundene Klage ihrer Tochter (der damaligen Klägerin zu 2), die nicht zum christlichen Glauben übergetreten ist, hat das Verwaltungsgericht rechtskräftig insgesamt als unbegründet abgewiesen.

3 1. Die Beschwerde meint zunächst, „die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit und die Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Urteils“ ergebe sich daraus, dass sich die Klägerin in Deutschland der „internationalen Gemeinde Christi“, einer freikirchlichen evangelischen Gemeinschaft, angeschlossen habe, die im Iran „nicht als offizielle christliche Religion“ anerkannt werde, die vom Gesetz geschützt sei (Beschwerdebegründung unter 5., S. 4 f.). Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung „nicht ausreichend zwischen der im Iran akzeptierten armenischen christlichen Kirche bzw. der katholischen Kirche und freikirchlichen evangelischen Gemeinden unterschieden.“ Damit wird eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht aufgezeigt. Vielmehr wendet sich die Beschwerde mit ihrem Vorbringen im Gewande der Grundsatzrüge lediglich gegen die dem Tatsachengericht vorbehaltene Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und seine Gefahrenprognose, ohne eine rechtliche Grundsatzfrage zu benennen und ohne einen insoweit noch denkbaren Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) - etwa der verfahrensfehlerhaft unterlassenen weiteren Aufklärung - zu bezeichnen.

4 2. Die Beschwerde macht weiter geltend, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, „ob der Begriff der Religion in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Lichte von Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (des Rates vom 29. April 2004, ABl der EU 2004 L Nr. 304, S. 12) auch religiöse Betätigungen im öffentlichen Bereich erfasst“ bzw. „ob durch die Richtlinie 2004/83/EG auch schon für die Übergangszeit bis 10.10.2006 der Begriff des religiösen Existenzminimums ... auch die religiöse Betätigung im öffentlichen Bereich erfasst“ (Beschwerdebegründung unter 6., S. 5 ff.). Sie führt hierzu aus, der VGH habe diese Frage mit der Erwägung verneint, dass sich ein weitergehender Schutzanspruch des Einzelnen im Hinblick auf eine über den Kernbereich der Religionsausübung hinausgehende Glaubensbetätigung insbesondere auch nicht aus der angeführten Richtlinie ergebe. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne mit der „Verneinung der Berücksichtigung der Umsetzung bis zum 10.10.2006 die entsprechenden europarechtlichen Anforderungen und die anzuwendende Auslegungsregelung betreffend § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.“ Das ergebe sich in Anwendung der Maßstäbe aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - (Urteile vom 24. Oktober 1996, Rs C 72/95, vom 13. Oktober 1990, Rs C 106/89 und vom 18.12.1997, Rs C 129/96) zu den Pflichten der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Richtlinien. Bei Bejahung der bezeichneten Grundsatzfrage „würde die von der Klägerin in Anspruch genommene öffentliche Religionsausübung und Missionierung im Iran auch unter den Schutzbereich von § 60 AufenthG fallen.“

5 Auch mit diesem Vorbringen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargetan. Insbesondere zeigt die Beschwerde nicht auf, warum die in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sowohl zu Art. 16a GG als auch zu § 51 Abs. 1 AuslG geklärte Frage, wann ein asylrelevanter Eingriff in die Religionsfreiheit, deren Schutzbereich auch die öffentliche Ausübung des Glaubens umfasst, vorliegt (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 C 9.03 - BVerwGE 120, 16 m.w.N.), im Fall der Klägerin erneut klärungsbedürftig geworden sein soll. Die Beschwerde befasst sich auch nicht damit, inwiefern sich ein solcher Klärungsbedarf aus der Neufassung des § 60 Abs. 1 AufenthG im Vergleich zu dem früheren § 51 Abs. 1 AuslG ergeben soll, und nimmt auch nicht in den Blick, dass schon die bisherige Rechtsprechung die Anforderungen der - nunmehr vom Gesetz ausdrücklich in Bezug genommenen - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) berücksichtigt hat (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 a.a.O. S. 22). Dass sich „im Lichte“ der Richtlinie 2004/83/EG nunmehr etwas Abweichendes ergeben soll, behauptet die Beschwerde zwar, führt es aber auch nicht ansatzweise unter Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung näher aus. Ob die der Sache nach zugleich mittelbar als klärungsbedürftig angesprochene Frage, ob das Berufungsgericht Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist (und in welcher Weise) hätte beachten müssen, hinreichend bezeichnet ist, kann dahingestellt bleiben. Sie würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nämlich nicht selbständig, sondern nur im Zusammenhang - als Vorfrage - mit der Auslegung des § 60 Abs. 1 AufenthG stellen. Ebenfalls offen bleiben kann, ob die Beschwerde mit der pauschalen Behauptung in der Beschwerdeschrift, die Klägerin wolle auch im Iran ihren Glauben öffentlich ausüben und missionieren, ausreichend darlegt, dass sich aus Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur allgemein ein weitergehender Flüchtlingsschutz, sondern in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG auch und gerade für die Klägerin in Bezug auf eine künftige religiöse Betätigung nach Rückkehr in den Iran ein Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling ergeben soll, wenn man - wie in dem erstrebten Revisionsverfahren geboten (§ 137 Abs. 2 VwGO) - die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen (Verfolgungsvortrag und Verfolgungsprognose) zugrunde legt.

6 3. Die Beschwerde enthält keine Zulassungsrügen hinsichtlich der Ablehnung des hilfsweise beantragten aufenthaltsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2, 5 und 7 AufenthG (BA S. 11).

7 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.