Beschluss vom 23.07.2003 -
BVerwG 7 B 63.03ECLI:DE:BVerwG:2003:230703B7B63.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.07.2003 - 7 B 63.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:230703B7B63.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 63.03

  • VG Schwerin - 12.12.2002 - AZ: VG 3 A 1440/96

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 12. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 142 493 € festgesetzt.

Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Restitutionsberechtigung in Bezug auf ein Grundstück, das seine Mutter im Januar 1978 in das Eigentum des Volkes - Rechtsträger VEB Rundstab- und Sportgerätewerk - veräußerte, sowie die Rückgabe von Betriebsinventar, das sie bereits im Juni 1960 an den Rat der Stadt verkauft hatte. Das Landesamt lehnte die im Jahr 1992 angemeldeten Ansprüche ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil nicht feststellbar sei, dass der allein in Betracht kommende Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllt sei. Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensmängel zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung darin, dass das Verwaltungsgericht es unterlassen habe, die Vernehmungsfähigkeit des Zeugen Heinz G. durch ein amtsärztliches Zeugnis feststellen zu lassen. Die Rüge ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ladung des Zeugen aufgehoben, weil dieser ein ärztliches Attest vorgelegt hatte, wonach er auf unabsehbare Zeit vernehmungsunfähig war. Die Diagnose war laut Attest "hochgradige cerebrovasculäre Insuffizienz mit Hirnleistungsschwund, Zust. n. Herzinfarkt (schwer), Pflegebedürftigkeit". Das Attest wurde den Beteiligten zur Kenntnis gegeben. Dem Verwaltungsgericht musste sich die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung des Zeugen nicht aufdrängen, da keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestanden, dass das Attest "aus Gefälligkeit den Wünschen (des Zeugen) angepasst" gewesen sein könnte. Hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen solchen Verdacht gehabt, hätte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht einen entsprechenden Antrag stellen müssen. Das ist nicht geschehen. Diese Unterlassung lässt sich nicht durch Verfahrensrüge im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde wettmachen.
Nach Ansicht der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht seine Aufklärungspflicht ferner dadurch verletzt, dass es den Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht als Zeugen vernommen hat. Der Prozessbevollmächtigte hatte wenige Tage vor dem Verhandlungstermin den nicht unterzeichneten Entwurf einer eidesstattlichen Versicherung des Herrn Heinz G. vom 11. August 1993 vorgelegt, deren Inhalt auf ein Gespräch zwischen diesem und dem Prozessbevollmächtigten zurückging. Danach soll Herr G., den die Mutter des Klägers nach ihrer Ausreise aus der DDR mit der Verwaltung ihres Grundvermögens beauftragt hatte, im Jahr 1976 von dem Betriebsdirektor V. gebeten worden sein, seiner Auftraggeberin mitzuteilen, dass es hinsichtlich des in Rede stehenden Grundstücks "nur die Alternative Verkauf oder entschädigungslose Enteignung" gebe; die Wiedergabe dieser Äußerung gegenüber der nicht verkaufsbereiten Mutter des Klägers habe bewirkt, dass sie dem Verkauf zugestimmt habe. Das Verwaltungsgericht hat von einer Vernehmung des Prozessbevollmächtigten als Zeugen abgesehen, weil dieser bei seiner "informatorischen Befragung" in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, sich an den Inhalt seines Gesprächs mit Herrn G. nicht mehr zu erinnern, und - was das Verwaltungsgericht für entscheidend gehalten hat - nicht habe ausschließen können, dass die fragliche Äußerung des Herrn G. gegenüber der Mutter des Klägers in einer bestimmten, den Tatbestand unlauterer Machenschaften nicht erfüllenden Weise zu interpretieren gewesen sein könnte. Das Verwaltungsgericht hat damit der Äußerung des Herrn G., so wie sie der Prozessbevollmächtigte des Klägers verstanden hat, eine ambivalente Bedeutung in dem Sinne beigemessen, dass entweder eine manipulative Einflussnahme auf den Verkaufsentschluss der Mutter des Klägers oder ein zutreffender Hinweis auf eine vernachlässigbar geringe und darum "faktisch entschädigungslose" Enteignung gemeint gewesen sein konnte. Da von dem Prozessbevollmächtigten nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung keine brauchbare Aussage zur Frage einer Drohung mit einer entschädigungslosen Enteignung zu erwarten war, musste sich dem Verwaltungsgericht schon aus diesem Grund dessen förmliche Vernehmung nicht aufdrängen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.