Beschluss vom 24.07.2006 -
BVerwG 4 B 53.06ECLI:DE:BVerwG:2006:240706B4B53.06.0

Beschluss

BVerwG 4 B 53.06

  • OVG Rheinland-Pfalz - 20.04.2006 - AZ: OVG 8 A 10119/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. April 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 500 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3 Die Beschwerde möchte in dem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
„ob eine bauliche Veränderung trotz des Vorliegens einer Veränderung des Äußeren und trotz Vorliegens einer Funktionsverbesserung als geringfügig zu bewerten ist“.

4 Sie knüpft mit dieser Frage an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. September 2004 - 1 BvR 1860/02 - (www.BVerfG.de/entscheidungen) an. Das Bundesverfassungsgericht hat eine baurechtliche Beseitigungsanordnung im räumlichen Geltungsbereich der so genannten Pirmasenser Amnestie unter den besonderen Umständen des damaligen Falls als unangemessene, mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbare Belastung des Eigentümers qualifiziert. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Interesse der Öffentlichkeit, eine weitere Intensivierung des baurechtswidrigen Zustands zu verhindern und daher eine Funktionsverbesserung der nur geduldeten Wochenendhäuser zu unterbinden, jedenfalls dann, wenn die Funktionsverbesserung auf einer geringfügigen baulichen Veränderung beruhe, die sich leicht rückgängig machen lasse, nur die Beseitigung der nachträglich vorgenommenen Veränderungen trage, nicht jedoch den Abbruch des gesamten Hauses begründen könne. Die von der Beschwerde aufgeworfene, auf die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen an eine baurechtliche Beseitigungsanordnung zielende Frage lässt sich, soweit sie in dem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre, nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten.

5 Das Oberverwaltungsgericht hat die Geringfügigkeit der Änderung des Freisitzes nicht - wie die Beschwerde meint - unabhängig von der Art und dem Umfang der baulichen Veränderungen allein deshalb verneint, weil der Umbau das äußere Erscheinungsbild und die Funktion der amnestierten Bausubstanz nachhaltig verändert habe; es hat festgestellt, dass ein „erheblicher Eingriff in die Bausubstanz“ (UA S. 9) des Freisitzes vorliege. Insoweit hat es u.a. den Umstand gewürdigt, dass die Glas-/Kunststoffelemente und die Eingangstür des Wintergartens durch mit dem Dach des Freisitzes fest verschäumte Platten eingefügt worden waren (UA S. 10). An die Feststellungen zu den Baumaßnahmen und deren tatrichterliche Würdigung wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Ob es einen Eigentümer unangemessen belastet, wenn er, nachdem er, um einen geduldeten Schwarzbau besser nutzen zu können, erheblich in dessen Bausubstanz eingegriffen und dadurch auch das äußere Erscheinungsbild und die Funktion der Anlage nachhaltig verändert hat, nicht nur die funktionsverbessernden Maßnahmen rückgängig machen, sondern auch einen Teil des Schwarzbaus selbst beseitigen muss, hängt maßgebend von den Umständen des jeweiligen Falles ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. September 2004, a.a.O. Rn. 13).

6 2. Die Divergenzrügen greifen nicht durch.

7 a) Die geltend gemachte Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. September 2004 - 1 BvR 1860/02 - liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht ist - wie bereits dargelegt - nicht davon ausgegangen, dass jede Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes und der Funktion eines Wochenendhauses unabhängig von Art und Umfang der Baumaßnahmen „nicht geringfügig“ sei und damit den Vertrauensschutz für die betroffene Anlage insgesamt entfallen lasse. Es hat Feststellungen zu den baulichen Veränderungen getroffen und deren Erheblichkeit tatrichterlich gewürdigt.

8 b) Das Oberverwaltungsgericht ist auch nicht von dem Urteil des Senats vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 C 6.01 - (BRS 65 Nr. 233) abgewichen. Einen abstrakten Rechtssatz zu der Frage, ob Wochenendhäuser unter den Begriff der Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB fallen, enthält das genannte, ein Kasernengelände betreffende Urteil nicht.

9 3. Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend macht, ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Die Beschwerde legt nicht - wie dies erforderlich wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26) - dar, dass die Klägerin bereits im Berufungsverfahren auf eine Ortsbesichtigung hingewirkt habe oder warum sich dem Gericht die Erforderlichkeit dieser Aufklärungsmaßnahme auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen. In ihrer Berufungserwiderung vom 6. März 2006 hat die Klägerin weiteren Aufklärungsbedarf zu der Frage, ob das Grundstück im Außen- oder im unbeplanten Innenbereich liegt, nicht geltend gemacht; sie hat lediglich auf ihren Schriftsatz vom 7. Februar 2006 im Verfahren OVG 8 A 10031/06 verwiesen. In jenem Verfahren hat das das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. März 2006, auf den es im angefochtenen Urteil Bezug genommen hat, dargelegt, warum es die von der Klägerin geäußerten Zweifel an der Zugehörigkeit des Grundstücks zum Außenbereich nicht teilt. Jedenfalls nach Ergehen dieses Beschlusses hätte die Klägerin auf eine Ortsbesichtigung hinwirken müssen.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.