Beschluss vom 24.08.2006 -
BVerwG 7 B 39.06ECLI:DE:BVerwG:2006:240806B7B39.06.0

Beschluss

BVerwG 7 B 39.06

  • Bayerischer VGH München - 09.01.2006 - AZ: VGH 22 A 04.40010, 04.40011, 04.40012

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. August 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert und Krauß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 2 und 3 jeweils zu einem Zehntel, die Kläger zu 1 und 4 jeweils zu zwei Fünftel.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Kläger wenden sich gegen die atomrechtliche Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen aus den Blöcken B und C des Kernkraftwerks Gundremmingen II im Standortzwischenlager Gundremmingen. Nach der auf 40 Jahre befristeten Genehmigung dürfen bestrahlte Brennelemente in bis zu 192 Transport- und Lagerbehältern der Bauart Castor V/52 trocken aufbewahrt werden. Die Behälter sind in einem Lagergebäude aus Stahlbeton unterzubringen, dem nach dem Aufbewahrungskonzept keine wesentliche Schutzfunktion gegen Einwirkungen von außen zukommt. Durch Einwirkungen von außen verursachte mechanische oder thermische Lasten sollen vor allem durch die Transport- und Lagerbehälter abgewehrt werden. Die Kläger zu 2 und 3 wohnen rund 4 bzw. 5 km von dem Zwischenlager entfernt. Das Gemeindegebiet des Klägers zu 1 beginnt rund 3 km östlich des Zwischenlagers. Der Kläger zu 4 betreibt Trinkwassergewinnungsanlagen östlich des Zwischenlagers. Die Kläger sehen sich durch die Genehmigung in ihren Rechten verletzt, weil für die Errichtung des Zwischenlagers kein Bedürfnis bestehe, die Endlagerung der abgebrannten Brennelemente nicht gesichert und weder die gebotene Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung der Kernbrennstoffe beim bestimmungsgemäßen Betrieb des Zwischenlagers sowie bei Störfällen noch der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet sei.

2 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen, weil die Kläger durch die atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung nicht in ihren Rechten verletzt würden, und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kläger bleibt ohne Erfolg.

3 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4 a) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob „mit § 23 Abs. 1 Nr. 4 AtG eine wirksame, d.h. verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit des Bundesamtes für Strahlenschutz zur Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen aus einem Kernkraftwerk in einem dezentralen Standortzwischenlager vor(liegt) oder ... diese Bestimmung gegen die Vorschriften des Grundgesetzes über die Bundesauftragsverwaltung (verstößt)“, ist nicht klärungsbedürftig. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Bund gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG berechtigt ist, für Angelegenheiten auf dem Gebiet der Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken einschließlich der Beseitigung radioaktiver Stoffe selbständige Bundesoberbehörden durch Bundesgesetz zu errichten (BVerfGE 104, 238 <247>). Das gilt nicht nur für die Entsorgung nach § 9a Abs. 3 AtG, sondern auch für die Erteilung einer atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 AtG. Eine solche „fakultative Bundesverwaltung“ lässt die Regelung des Art. 87c GG unberührt, wonach auf dem Gebiet des Atomrechts ergehende Gesetze mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen können, dass sie von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt werden. Ebenso ist geklärt, dass der Standortbezug einer behördlichen Aufgabe ihrer Eignung zur zentralen Erledigung durch eine Bundesbehörde nicht entgegensteht, wenn die Aufgabe ohne Mittel- und Unterbehörden sowie ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder wahrgenommen werden kann (Urteil vom 30. Juni 2005 - BVerwG 7 C 26.04 - BVerwGE 124, 47 <68> = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 19). Das Beschwerdevorbringen lässt weiteren Klärungsbedarf zu dieser Frage nicht erkennen.

5 b) Die Frage, ob „das Bundesamt für Strahlenschutz vor dem Inkrafttreten des § 6 Abs. 3 AtG (n.F.) ... (am) 27.04.2002 ... für die Durchführung des bereits mit dem Antrag der Betreiber des Kernkraftwerkes Gundremmingen vom 25.02.2000 eingeleiteten Verwaltungsverfahrens“ zuständig war, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Da die angefochtene Genehmigung von der zuständigen Behörde erteilt wurde, ist nicht entscheidungserheblich, ob diese Behörde auch für die vorangegangenen Verfahrensschritte zuständig war, deren Ergebnis sich die Genehmigungsbehörde zu Eigen gemacht hat. Soweit der Beschwerde darüber hinaus die Frage zu entnehmen sein sollte, ob die Rechtsgrundlage der angefochtenen Genehmigung § 7 AtG oder, wie vom Verwaltungsgerichtshof angenommen, § 6 Abs. 1 AtG ist, würde das die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen, weil sich die Antwort bereits aus dem Gesetz ergibt. Nach § 6 Abs. 3 AtG bedarf einer Genehmigung nach Absatz 1, wer zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Errichtung eines Standortzwischenlagers (§ 9a Abs. 2 Satz 3 AtG) innerhalb des abgeschlossenen Geländes einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität in einem gesonderten Lagergebäude in Transport- und Lagerbehältern bestrahlte Kernbrennstoffe bis zu deren Ablieferung an eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle aufbewahrt. Dabei ist nicht zweifelhaft, dass unter einem „gesonderten Lagergebäude“ ein als Lager bestimmtes Gebäude zu verstehen ist, das baulich nicht in den Gebäudekomplex der Kernkraftanlage integriert und deshalb einer eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Daran ändert sich nichts, wenn beim Betrieb des räumlich getrennten Lagergebäudes andere Anlageneinrichtungen mitbenutzt werden oder sonstige funktionelle Überschneidungen bestehen. Davon geht das Gesetz vielmehr aus, indem es den Kraftwerksbetreiber zur Errichtung eines Standortzwischenlagers innerhalb des abgeschlossenen Geländes der Kernkraftanlage und zur Aufbewahrung der bestrahlten Brennelemente in dem Zwischenlager bis zu deren Ablieferung an ein Endlager verpflichtet, um den Weiterbetrieb des Kernkraftwerks zu sichern. Ein solcher Zusammenhang führt schon deshalb nicht zu einer wesentlichen Änderung der Kernkraftanlage i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG, weil der Betrieb des Standortzwischenlagers die genehmigte Kernkraftanlage und ihren Betrieb faktisch nicht beeinflusst, so dass damit die Frage der Anlagengenehmigung nicht erneut aufgeworfen wird.

6 c) Über die Frage, ob die angefochtene Genehmigung „rechtswidrig (ist), weil die Erfüllung der in § 9a Abs. 3 Satz 1 AtG enthaltenen Verpflichtung des Bundes, Anlagen zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten, hinsichtlich der schadlosen Endlagerung von Kernbrennstoffen aus Kernkraftwerken faktisch unmöglich ist“, würde in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden sein: Es kann - ganz abgesehen davon, dass die von der Beschwerde vorausgesetzten Tatsachen nicht durch entsprechende tatsächliche Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs gedeckt sind - von einer faktischen Unmöglichkeit der Einrichtung eines Endlagers schon deshalb keine Rede sein, weil selbst der Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (Ak-End) in seinem im Dezember 2002 vorgelegten Abschlussbericht die Verfügbarkeit eines bis 2030 betriebsbereiten Endlagers für möglich gehalten hat und die Aufgabe des Bundes, Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Stoffe einzurichten und die benötigten Endlagerkapazitäten rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, in der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 11. Juni 2001 (abgedruckt in Posser/Schmans/ Müller-Dehn, Atomgesetznovelle 2002, S. 285 <297>) ausdrücklich bekräftigt worden ist.

7 d) Mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsbedürftig sind ferner die Fragen, ob „es der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (gebietet), dass trotz der in § 9a Abs. 2 Satz 3 AtG geregelten Verpflichtung der Betreiber von Kernkraftwerken, für die Errichtung von dezentralen Standortzwischenlagern und die Aufbewahrung der anfallenden bestrahlten Kernbrennstoffe in diesen Standortzwischenlagern zu sorgen, zwar nicht dem Grunde nach, jedoch hinsichtlich der Kapazität des dezentralen Standortzwischenlagers eine Bedürfnisprüfung im Rahmen der Erteilung der atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung stattzufinden hat und gegebenenfalls die von den Anlagenbetreibern beantragte Kapazität reduziert werden muss“, und ob „das in § 9a Abs. 1 Satz 2 AtG normierte und ab 1.07.2005 geltende Verbot der Wiederaufarbeitung abgebrannter Kernbrennstoffe gegen europarechtliche Vorschriften, insbesondere gegen die Warenverkehrsfreiheit des Art. 93 EAGV, (verstößt) und dies ebenfalls die zulässige Kapazität des dezentralen Standortzwischenlagers (beeinflusst)“. Denn erstens sind den Klägern als Dritten Einwände gegen den Umfang der genehmigten Lagerung von Brennelementen verwehrt. Dritte sind unabhängig von der Auslegungsgröße eines Standortzwischenlagers durch die der Schadensvorsorge dienenden Grenzwerte geschützt. Gegen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, dass die der Schadensvorsorge dienenden Grenzwerte nicht überschritten werden, sind keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden. Die Minimierung der Strahlenexposition kann ein Dritter nicht beanspruchen (Urteil vom 19. Dezember 1985 - BVerwG 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 <318> = Buchholz 451.171 AtG Nr. 15). Zweitens würde, selbst wenn eine Unvereinbarkeit des Wiederaufarbeitungsverbots mit europäischem Gemeinschaftsrecht unterstellt wird, dies nicht die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung bewirken. Davon abgesehen dient das genehmigte Standortzwischenlager nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ausschließlich der Erfüllung der Betreiberverpflichtung nach § 9a Abs. 2 Satz 3 AtG. Die Genehmigung ist deshalb nicht eine Art Vorratsgenehmigung für die Einlagerung zusätzlicher radioaktiver Reststoffe, sondern ausdrücklich auf die im Kernkraftwerk Gundremmingen anfallenden bestrahlten Brennelemente begrenzt.

8 e) Die Frage, ob „die Abwehr gezielter terroristischer Störmaßnahmen Dritter typischerweise eine Aufgabe des Staates oder eine private Angelegenheit des Betreibers einer kerntechnischen Anlage“ ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Die Abwehr terroristischer Störmaßnahmen ist typischerweise eine öffentliche Aufgabe der Polizei und nicht eine private Angelegenheit des Eigentümers oder Betreibers der Anlage. Das bedeutet indes nicht, dass zur Abwehr einer von solchen Störmaßnahmen ausgehenden Gefahr nicht auch von Privaten zu treffende Schutzmaßnahmen in Betracht kämen (Urteil vom 19. Januar 1989 - BVerwG 7 C 31.87 - BVerwGE 81, 185 <188 f.> = Buchholz 451.171 AtG Nr. 27). Da Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter nicht allein dem von der Anlage ausgehenden Betriebsrisiko zuzurechnen sind, sondern maßgeblich durch das Verhalten Dritter bestimmt werden, ist der vorsorgende Schutz durch aufeinander abgestimmte Maßnahmen des Kraftwerkbetreibers und der staatlichen Sicherheitskräfte nach einem integrierten Sicherungs- und Schutzkonzept zu gewährleisten (Stellungnahme des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 22. November 2005, vorgelegt im Ausgangsverfahren zu BVerwG 7 B 35.06 ).

9 f) Die Frage, ob „ein gezielter, terroristisch motivierter Flugzeugabsturz zum Bereich des Restrisikos“ gehört, wäre in einem Revisionsverfahren nicht zu klären. Aus der Normstruktur der §§ 6 und 7 AtG ergibt sich, dass die Exekutive die Verantwortung für die Risikoermittlung und Risikobewertung trägt; das gilt auch für die Zuordnung eines Szenarios zum Restrisikobereich (Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <120 f.> m.w.N. = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 5). Die Gerichte sind darauf beschränkt zu überprüfen, ob die der behördlichen Beurteilung zugrunde liegende Risikoermittlung und Risikobewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt, die Behörde also im Hinblick auf die Ergebnisse des von ihr durchgeführten Genehmigungsverfahrens „diese Überzeugung von Rechts wegen haben durfte“ (Urteil vom 22. Oktober 1987 - BVerwG 7 C 4.85 - BVerwGE 78, 177 <180 f.> = Buchholz 451.171 AtG Nr. 20). Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die Genehmigungsbehörde das Risiko eines gezielten Flugzeugabsturzes der so genannten Sicherheitsebene 4 zugeordnet hat, die auslegungsüberschreitende „spezielle, sehr seltene Ereignisse wie Flugzeugabsturz ...“ erfasst (BTDrucks 15/3650 S. 65 f.) und jedenfalls unter dem Aspekt des Drittschutzes zum Bereich des Restrisikos gehört. Er hat diese Einstufung im Rahmen der ihm eröffneten Prüfung als frei von Fehlern bei der Risikoermittlung und Risikobewertung beurteilt. Diese Beurteilung wäre mangels einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge im Revisionsverfahren zugrunde zu legen. Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtsverletzung der Kläger für den Fall eines gezielten Flugzeugabsturzes geprüft und verneint, weil es nach der beanstandungsfreien Einschätzung der Genehmigungsbehörde aufgrund des gebotenen Katastrophenschutzes jedenfalls nicht zu einer gesundheitsgefährdenden oder eigentumsbeeinträchtigenden Freisetzung radioaktiver Stoffe kommen werde.

10 g) Aus entsprechenden Gründen ist die Frage, ob „ein gezieltes, terroristisch motiviertes Attentat mit 1 000 kg Sprengstoff zum Bereich des Restrisikos“ gehört, nicht entscheidungserheblich. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Einschätzung der Genehmigungsbehörde, dass die Verbringung einer solchen Menge an Sprengstoff in das Lagergebäude praktisch ausgeschlossen sei, als frei von Bewertungsfehlern beurteilt. Diese Beurteilung wäre mangels einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge im Revisionsverfahren zugrunde zu legen.

11 2. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensmängel zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Pflicht zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht verletzt (§ 86 Abs. 1 VwGO). Grund und Maß der Aufklärungspflicht des Gerichts bestimmen sich nach dessen materiellrechtlichen Auffassung selbst dann, wenn dieses verfehlt sein sollte.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beurteilung der Genehmigungsbehörde, dass von einem Verlust der Langzeitdichtfunktion der Castorbehälter nicht ausgegangen werden könne, als frei von Ermittlungs- und Bewertungsfehlern erachtet. Die Beurteilung der Genehmigungsbehörde beruht auf den von ihr eingeholten Sachverständigengutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt und des TÜV Süddeutschland. Die Gutachten haben die Langzeitsicherzeit der Castorbehälter auf der Grundlage von Ähnlichkeitsbetrachtungen untersucht und selbst für den hypothetischen Fall eines vollständigen Hüllrohrversagens eine Freisetzung radioaktiver Stoffe ausgeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Anhaltspunkt weder dafür gefunden, dass die Genehmigungsbehörde die von den Gutachten angewandten Methoden von Rechts wegen nicht habe zugrunde legen dürfen, noch dafür, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse ausgeblendet oder in grober Weise falsch gewichtet habe. Es sei nicht zu widerlegen, dass die Annahme der Genehmigungsbehörde, bei Einhaltung der Anforderungen der Aufbewahrungsgenehmigung betrage die Schadensquote der Brennstabhüllrohre nach 40 Jahren nicht mehr als 1 %, hinreichend konservativ sei. Für den wenig wahrscheinlichen Fall, dass die Behälterdichtheit nachlasse, sehe das Aufbewahrungskonzept mit dem Dichtsystem voneinander unabhängiger Doppeldeckel und einer schaltergesteuerten Drucküberwachung der Dichtwirkung ausreichende Schutzvorkehrungen vor. Angesichts dessen musste es sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht aufdrängen, weitere Sachverständigengutachten einzuholen.

13 Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Gefahr einer Beeinträchtigung der Castorbehälter durch Überflutung des Lagergebäudes, durch Brandbekämpfung im Lagergebäude oder durch mechanische Einwirkungen musste sich dem Verwaltungsgerichtshof schon deswegen nicht aufdrängen, weil Anhaltspunkte für eine mögliche Überschreitung der Störfallplanungswerte in derartigen Störfällen weder von den Klägern dargelegt noch ersichtlich waren. Davon abgesehen hat der Verwaltungsgerichtshof die auf Sachverständigengutachten gestützte Beurteilung der Genehmigungsbehörde, eine Beeinträchtigung der Castorbehälter sei im Fall einer Überflutung der Lagerhalle wegen der Wasserdichtheit der Behälter sowie des Korrosionsschutzes ihrer Oberfläche, im Fall einer Brandbekämpfung im Lagergebäude mangels Gefährdung der Behälterintegrität und im Fall eines Behälterabsturzes aufgrund der Behälterkonstruktion nicht zu erwarten, als frei von Ermittlungs- und Bewertungsfehlern erachtet. Die Beschwerde setzt dieser Beurteilung ihre eigene, abweichende Beurteilung entgegen. Damit lässt sich der behauptete Aufklärungsmangel nicht begründen.

14 Ebenso wenig musste der Verwaltungsgerichtshof zu den Folgen eines gezielten Flugzeugabsturzes ein Sachverständigengutachten einholen. Da nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs die Einschätzung der Genehmigungsbehörde, dass ein gezielter Flugzeugabsturz dem Bereich des Restrisikos zuzuordnen ist, frei von Ermittlungs- und Bewertungsfehlern ist, haben die Kläger als Drittbetroffene keinen Anspruch auf bestimmte Schutzvorkehrungen. Von diesem rechtlichen Standpunkt aus kam es nicht darauf an, die Richtigkeit der von den Klägern behaupteten Folgen eines gezielten Flugzeugabsturzes durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag der Kläger zielte nicht darauf, die vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Willkürfreiheit der von der Genehmigungsbehörde vorgenommenen Zuordnung eines Flugzeugabsturzes zum Restrisikobereich zu widerlegen, sondern war darauf gerichtet, die Richtigkeit der Folgenbeurteilung eines Flugzeugabsturzes durch die Genehmigungsbehörde in Zweifel zu ziehen. Unabhängig hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Prüfung, ob die Einschätzung der Genehmigungsbehörde auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem im Zeitpunkt der Behördenentscheidung gegebenen Stand von Wissenschaft und Technik Rechnung trägt, die Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt (z.T. geschwärzt) nebst (ungeschwärzter) Zusammenfassung zu den Auswirkungen eines gezielten Flugzeugabsturzes, des TÜV Süddeutschland zur Behältersicherheit und die Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission zur Sicherheit deutscher Zwischenlager bei gezieltem Absturz von Großflugzeugen vom 11. Juli 2002 nachvollzogen. Er ist auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, dass die gutachtlich gestützten Annahmen der Genehmigungsbehörde zur Behältersicherheit nicht erschüttert worden seien, weil die Kläger einen Geschehensablauf, der nach dem Maßstab der praktischen Vernunft nicht auszuschließen ist und zu einem nach dem Gesetz von einem Einzelnen nicht hinzunehmenden Risiko führen könnte, nicht dargelegt hätten. Angesichts dessen hat der Verwaltungsgerichtshof, obwohl ihm die im Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt zugrunde gelegten Szenarien und Auswirkungen wegen der teilweisen Schwärzungen nicht in sämtlichen Einzelheiten bekannt waren, den Beweisantrag verfahrensfehlerfrei abgelehnt; denn er durfte die Annahme, eine Rechtsverletzung der Kläger infolge eines gezielten Flugzeugabsturzes sei praktisch ausgeschlossen, für nicht widerlegbar halten. Aus demselben Grund war eine Beiziehung der ungeschwärzten Teile des Gutachtens des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt nicht geboten. Da aus der materiellrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichtshofs die vorliegenden Gutachten ausreichten, ihn zur sachkundigen Beurteilung der entscheidungserheblichen Fragen in die Lage zu versetzen, war die Einholung eines weiteren Gutachtens weder notwendig noch veranlasst (Urteil vom 6. Februar 1971 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41 f.> = Buchholz 303 § 414 ZPO Nr. 1).

15 Auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Folgen eines Hohlladungsbeschusses hat der Verwaltungsgerichtshof verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Einschätzung der Genehmigungsbehörde, ein Hohlladungsbeschuss zwischengelagerter Brennelemente mit Waffen nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sei mangels Verfügbarkeit für die potentiellen Täter praktisch ausgeschlossen, als frei von Ermittlungs- und Bewertungsfehlern beurteilt. Angesichts dessen war die unter Beweis gestellte Behauptung der Kläger, ein Hohlladungsbeschuss mit Waffen nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik führe zu einer Überschreitung des Dosisgrenzwerts und des Evakuierungswerts, nicht entscheidungserheblich. Eine Beweiserhebung hinsichtlich der Durchschlagswirkung von Hohlladungsgeschossen musste sich dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht wegen eines angeblich widersprüchlichen Behördenvorbringens aufdrängen. Abgesehen davon, dass der Widerspruch nicht besteht, weil die Genehmigungsbehörde aufgrund der Beschussproben 2005 bei unterstelltem zweifachen Durchschlagen der Behälterwand von einem gegenüber 1992 verdoppelten Freisetzungsquellterm ausgegangen ist, war aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofs schon wegen der von ihm festgestellten deutlichen Unterschreitung des Evakuierungsrichtwerts an den Wohnorten der Kläger eine weitere Aufklärung nicht geboten.

16 Die Aufklärungsrüge hinsichtlich der Beiziehung weiterer Unterlagen ist unzulässig, weil sie dem gesetzlichen Darlegungserfordernis nicht genügt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat die entsprechenden Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung durch begründete Beschlüsse abgelehnt, weil er die Überzeugungskraft des Gutachtens zur Behältersicherheit für nicht erschüttert hielt, weil es sich bei einem zufälligen oder gezielten Flugzeugabsturz auf ein Zwischenlager um dem Restrisikobereich zuzuordnende Ereignisse handele, weil keine Anhaltspunkte für die Annahme von Mängeln der Anlagesicherung beständen, weil sich die Lastannahmen zu einem Hohlladungsbeschuss bereits aus den Auslegungsgrundlagen für den Schutz kerntechnischer Anlagen ergäben und die Folgenabschätzung aus den nicht geschwärzten Teilen des Gutachtens sowie den Bekundungen des Vertreters der Genehmigungsbehörde hierzu in der mündlichen Verhandlung hinreichend deutlich geworden sei und weil der Inhalt der Richtlinie für den Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter und der Auslegungsgrundlagen für ortsfeste kerntechnische Einrichtungen, soweit er entscheidungserheblich erscheine, „verbal hinreichend umschrieben“ worden sei. Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb die Beiziehung dieser Unterlagen nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs erforderlich gewesen sein sollte, sondern begnügt sich damit, der Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit durch den Verwaltungsgerichtshof eine eigene, hiervon abweichende Beurteilung entgegenzusetzen; auf diese Weise lässt sich ein Aufklärungsmangel nicht darlegen.

17 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Beim Ansatz des Streitwerts für Drittanfechtungsklagen gegen eine atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung orientiert sich der Senat an Nr. 6.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 und Nr. 6.3 des Streitwertkatalogs vom 7./8. Juli 2004.

Beschluss vom 27.09.2006 -
BVerwG 7 B 39.06ECLI:DE:BVerwG:2006:270906B7B39.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.09.2006 - 7 B 39.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:270906B7B39.06.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 39.06

  • Bayerischer VGH München - 09.01.2006 - AZ: VGH 22 A 04.40010, 04.40011, 04.40012

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert und Guttenberger
beschlossen:

  1. 1. Das Rubrum des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2006 wird wie folgt berichtigt:
  2. a) Der Beschwerdeführer zu 4 und das Aktenzeichen der Vorinstanz „VGH 22 A 04.40014 “ werden gestrichen.
  3. b) Die Bezeichnung „Prozessbevollmächtigter zu 1 bis 4“ wird geändert in „Prozessbevollmächtigter zu 1 bis 3“.
  4. 2. Der Beschlusstenor erhält die Fassung:
  5. „Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
  6. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 2 und 3 jeweils zu einem Sechstel, der Kläger zu 1 zu zwei Drittel.
  7. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 90 000 € festgesetzt.“
  8. 3. Im ersten Absatz der Gründe wird der Satz „Der Kläger zu 4 betreibt Trinkwassergewinnungsanlagen östlich des Zwischenlagers.“ gestrichen.

Gründe

1 Der Beschluss vom 24. August 2006 war wegen offensichtlicher Unrichtigkeit zu ändern, weil die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht für den Kläger zu 4 eingelegt worden war. Der Kläger zu 4 war in den Beschluss vom 24. August 2006 aufgenommen worden, weil er infolge eines Kanzleiversehens im Stammblatt der Beschwerdeakte und in dem auf elektronischem Weg übernommenen Rubrum des Beschlusses irrtümlich erfasst war. Aus dem von der Geschäftsstelle am 5. September 2006 entsprechend den Angaben zu den Beschwerdeführern in der Beschwerdeschrift vom 13. Februar 2006 korrigierten Aktenstammblatt folgt, dass die im Beschluss vom 24. August 2006 enthaltenen Angaben, die sich aus der irrtümlichen Aufnahme des Klägers zu 4 in das Rubrum ergaben, nach Maßgabe des vorstehenden Tenors als offenbare Unrichtigkeit gemäß § 118 Abs. 1 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO zu berichtigen sind (Beschluss vom 16. Juli 1968 - BVerwG 6 C 1.66 - BVerwGE 30, 146 f. = Buchholz 310 § 118 VwGO Nr. 1).