Beschluss vom 24.08.2006 -
BVerwG 7 B 62.06ECLI:DE:BVerwG:2006:240806B7B62.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.08.2006 - 7 B 62.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:240806B7B62.06.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 62.06

  • VG Berlin - 24.05.2006 - AZ: VG 29 A 214.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. August 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert und Guttenberger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger beansprucht die Auskehr des Erlöses aus der investiven Veräußerung des Grundstücks ... in Berlin Mitte. Das Grundstück war 1796 durch testamentarische Verfügung des preußischen Infanteriegenerals Friedrich-Wilhelm von Rohdich im Wege des Vermächtnisses dem preußischen Grenadier-Garde-Bataillon zur Förderung der Kinder von Bataillonsangehörigen zugewendet worden. Im Jahr 1810 bestimmte die preußische Regierung das Eintreten des Regiments Garde zu Fuß in die Rechte des aufgelösten Grenadier-Garde-Bataillons. 1878/80 wurde das Grundstück neu bebaut, der Kläger als Stiftung mit den Rechten einer juristischen Person ausgestattet und 1881 als Grundstückseigentümer eingetragen. Nach der Stiftungsverfassung vom 30. März 1935 waren Stiftungsdestinatäre die Kinder von Angehörigen des ehemaligen 1. Garderegiments zu Fuß sowie dessen Traditionstruppenteils. Der Vorstand der Stiftung mit Sitz in Berlin bestand aus dem jeweiligen Kommandeur des Traditionstruppenteils als Vorsitzendem, bestimmten Mitgliedern des Traditionstruppenteils und dem vom Vorstand bestellten Stiftungsgeschäftsführer. 1945 verlegte die Stiftung ihren Sitz nach Westdeutschland. Durch Beschluss vom 27. Februar 1951 verfügte das Stiftungsaufsichtsamt des Magistrats von Groß-Berlin gemäß § 87 BGB die Aufhebung der Stiftung unter Übergang des im Gebiet von Groß-Berlin gelegenen Stiftungsvermögens, insbesondere des Grundstücks ..., in das Eigentum des Volkes.

2 Im September 1990 meldete der Bevollmächtigte des Semper-talis-Bund e.V. vermögensrechtliche Ansprüche des Klägers an. Der Semper-talis-Bund e.V. ist ein Traditionsverband der Potsdamer Garde zu Fuß, des Regiments der Garde-du-Corps und des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung, der seinen satzungsmäßigen Zielen und Aufgaben durch Beschluss vom 17. Januar 1990 die „Verwaltung des Rohdich’schen Legatenfonds“ hinzugefügt hatte. Im Juni 1993 legte der Bevollmächtigte des Semper-talis-Bund e.V. einen Beschluss des Vorstands des Klägers vom 25. Mai 1993 vor, der die Anmeldung der Ansprüche durch den Bevollmächtigten des Semper-talis-Bund e.V. genehmigte. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Restitutionsantrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage abgewiesen, weil der Restitutionsanspruch nicht rechtzeitig angemeldet worden und ein Schädigungstatbestand gemäß § 1 VermG nicht gegeben sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

3 Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig,
ob unter näher bestimmten Voraussetzungen „die rechtzeitige Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche durch den möglichen Rechtsnachfolger gleich einem Treuhänder zu Gunsten der fortbestehenden juristischen Person wirkt“,
und ob „ein zur ausnahmsweisen Unbeachtlichkeit der Versäumung der Anmeldefrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VermG führendes Fehlverhalten der zur Entscheidung berufenen Behörde bei der Anwendung von Rechtsvorschriften in einer mangelnden Sachverhaltsaufklärung über die Vertretungsbefugnis und Rechtsinhaberschaft des Antragstellers liegt, wenn sie es pflichtwidrig unterlässt, die mangelnde Vertretungsbefugnis und Rechtsinhaberschaft des Antragstellers rechtzeitig vor Ablauf der Anmeldefrist zu rügen oder darauf hinzuweisen“.

4 Diese Fragen würden in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden sein, weil das angegriffene Urteil selbständig tragend neben der Fristversäumung auch auf das Fehlen eines Schädigungstatbestands gestützt und gegen diese Begründung kein durchgreifender Zulassungsgrund geltend gemacht worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Revision bei einem in je selbständiger Weise doppelt begründeten Urteil nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund gegeben ist (Beschluss vom 9. April 1981 - BVerwG 8 B 44.81 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 197; Beschluss vom 9. März 1982 - BVerwG 7 B 40.82 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 209; Beschluss vom 17. April 1985 - BVerwG 3 B 26.85 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53).

5 Die Beschwerde hat gegen die selbständig tragende Zweitbegründung des Verwaltungsgerichts zwar eine Verfahrensrüge erhoben (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO); die behauptete Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt aber nicht vor.

6 Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe seine Überzeugung, dass die Überführung des Grundstücks ... in Volkseigentum auf dem Aufhebungsbeschluss des Stiftungsaufsichtsamts vom 27. Februar 1951 beruhe, verfahrensfehlerhaft gebildet, weil seine Auffassung gegen Denkgesetze verstoße, den Indiztatsachen eine nicht vorhandene Indizwirkung beimesse und zumindest die Ambivalenz der Indiztatsachen verkenne. Die Beschwerde zielt mit diesen Angriffen gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Abteilung Wirtschaft des Magistrats als Grundlage ihres Eintragungsersuchens vom 12. März 1951 den Beschluss des Stiftungsaufsichtsamts angegeben habe und die darauf zusätzlich unter Hinweis auf das Einziehungsgesetz vom 8. Februar 1949 erfolgte Eintragung den Rechtsgrund der Auflösung der Stiftung nicht in Frage stelle, weil es auf den wahren Grund der Inanspruchnahme und nicht auf eine irrtümlich oder missverständlich im Grundbuch verlautbarte Enteignungsgrundlage ankomme.

7 Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts ist nicht verfahrensfehlerhaft. Die Behauptung der Beschwerde, ein Missverständnis des Grundbuchamts könne ausgeschlossen werden, weil die Abteilung Wirtschaft in ihrem Eintragungsersuchen vom 15. November 1950 selbst das Einziehungsgesetz als Rechtsgrundlage angegeben habe, vernachlässigt, dass dieses Eintragungsersuchen nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht vollzogen worden war und das Eintragungsersuchen vom 12. März 1951 ausschließlich auf den Aufhebungsbeschluss des Stiftungsaufsichtsamts Bezug genommen hatte. Mit ihrer Behauptung, die geänderte Angabe der Rechtsgrundlage im zweiten Eintragungsersuchen habe nicht auf Bedenken des Stiftungsaufsichtsamts beruht, setzt die Beschwerde ihr Verständnis des Vermerks des Stiftungsaufsichtsamts vom 23. Februar 1951 an die Stelle der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auslegung; damit lässt sich ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht darlegen. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Beschwerde, der „wahre Grund“ für die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum sei die Absicht gewesen, der Akademie der Künste die Rechtsträgerschaft zu übertragen, während die Aufhebung der Stiftung als Grund für den Eigentumsverlust nur vorgeschoben worden sei; mit diesem Vorbringen hat sich das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil eingehend und ohne verfahrensfehlerhafte Überzeugungsbildung auseinandergesetzt. Die vom Verwaltungsgericht gegen eine Anwendung des Einziehungsgesetzes angeführte Erwägung, dass der Kläger in den diesbezüglichen Enteignungslisten nicht verzeichnet sei, lässt den von der Beschwerde behaupteten Verstoß gegen die Denkgesetze schon deswegen nicht erkennen, weil das Verwaltungsgericht keine schlechterdings ausgeschlossene Schlussfolgerung gezogen hat.

8 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 4 GKG.