Verfahrensinformation

Sozialhilfeempfänger sind zum Ersatz zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe - hier infolge Verschweigens zahlreicher Auslandsaufenthalte - verpflichtet, wenn sie die Leistung durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt haben (§ 92a BSHG). Der Kostenersatzanspruch erlischt in drei Jahren. Im Revisionsverfahren ist zu klären, an welchen Zeitpunkt dabei anzuknüpfen ist.


Beschluss vom 19.10.2004 -
BVerwG 5 C 16.04ECLI:DE:BVerwG:2004:191004B5C16.04.0

Beschluss

BVerwG 5 C 16.04

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 15.03.2004 - AZ: OVG 12 A 3993/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Oktober 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. F r a n k e
beschlossen:

Der Klägerin wird wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Der Klägerin ist nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Sie war ohne Verschulden gehindert, die Monatsfrist zur Einlegung der Revision einzuhalten (§ 60 Abs. 1 VwGO). Denn sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter haben nicht zu vertreten, dass die Revision nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist eingelegt worden ist. Die Klägerin hat durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie das Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. April 2004, dem das angefochtene Urteil beilag und in dem sie um Mitteilung gebeten worden war, ob sie mit der Einlegung der Revision einverstanden sei, nicht erhalten hat und erst am 13. Mai 2004 bei einem Besuch bei ihrem Prozessbevollmächtigten erfahren hat, dass das Urteil bereits zugegangen und die Frist zur Einlegung der Revision nunmehr abgelaufen war.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war auch nicht zur Vermeidung eines Sorgfaltsverstoßes gehalten, der Klägerin das Berufungsurteil sicherheitshalber durch Einschreiben zu übermitteln oder sich durch Rückfrage zu vergewissern, ob sie es auch tatsächlich erhalten habe. Eine solche Obliegenheit der Prozessbevollmächtigten, "den Gründen für das Ausbleiben der Antwort des Mandanten auf ihre Bitte um Rücksprache - rechtzeitig - nachzugehen", ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Asylverfahren anzunehmen (vgl. Urteil vom 24. November 1981 - BVerwG 9 C 488.81 - <Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 120>). Dort gilt "gerade mit Rücksicht darauf, dass regelmäßig eine Reaktion des Mandanten auf Benachrichtigungen der hier vorliegenden Art durch seinen Rechtsanwalt zu erwarten ist, und auf die bei Ausländern nicht selten auftretenden Schwierigkeiten bei der Postzustellung", dass der Anwalt es nicht bei einem einmaligen Benachrichtigungsversuch bewenden lassen darf, sondern gehalten ist, "bei dem Mandanten gegebenenfalls nochmals, und nicht nur mit einfachem Brief Rückfrage zu halten oder sich auf sonstige Weise zu vergewissern, ob dieser eine Weiterverfolgung seiner Rechte wünscht" (Urteil vom 23. November 1982 - BVerwG 9 C 167.82 - <BVerwGE 66, 240>; vgl. auch Beschluss vom 8. März 1984 - BVerwG 9 B 15 204.82 - <Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 137>). Eine solche Verpflichtung zur Rückfrage besteht jedoch nach der Rechtsprechung nicht generell, sondern - von den oben genannten Besonderheiten bei Asylverfahren abgesehen - grundsätzlich nur unter besonderen Voraussetzungen, etwa dann, wenn der Rechtsanwalt konkreten Anlass zur Sorge haben musste, seine Mitteilung sei verloren gegangen, oder wenn ihm der Standpunkt seines Mandanten, unter allen Umständen ein Rechtsmittel einzulegen, bereits bekannt war (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1997 - VII Z B 37/96 - <NJW 1997, 1311>). Solche besonderen Umstände sieht der Senat im vorliegenden Verfahren nicht.
Der beim Oberverwaltungsgericht am 27. Mai 2004 eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung ist auch rechtzeitig binnen 2 Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Denn die Klägerin hatte erst am 13. Mai 2004 erfahren, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts bereits zugegangen und die Frist zur Einlegung der Revision bereits abgelaufen sei, und erst an diesem Tage hat der Prozessbevollmächtigte erfahren, dass die Klägerin seine Mitteilung vom 20. April 2004 nicht erhalten habe.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Revisionseinlegung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO), indem er - verbunden mit dem Wiedereinsetzungsantrag - am 27. Mai 2004 die versäumte Rechtshandlung der Revisionseinlegung nachgeholt hat.

Urteil vom 24.11.2005 -
BVerwG 5 C 16.04ECLI:DE:BVerwG:2005:241105U5C16.04.0

Leitsatz:

Der Anspruch auf Ersatz der Kosten zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe gemäß § 92 a Abs. 4 Satz 1 BSHG erlischt in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 der Bestimmung in drei Jahren vom Ablauf des Jahres an, in dem er aufgrund der Rücknahme der rechtswidrigen Sozialhilfebewilligung entstanden ist.

  • Rechtsquellen
    BSHG § 92 a Abs. 4

  • OVG Münster - 15.03.2004 - AZ: OVG 12 A 3993/02 -
    OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 15.03.2004 - AZ: OVG 12 A 3993/02

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 5 C 16.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:241105U5C16.04.0]

Urteil

BVerwG 5 C 16.04

  • OVG Münster - 15.03.2004 - AZ: OVG 12 A 3993/02 -
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 15.03.2004 - AZ: OVG 12 A 3993/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r ,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t , Dr. R o t h k e g e l
und Dr. F r a n k e sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin zu 2 gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin zu 2 trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Revisionsverfahrens.

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