Beschluss vom 24.11.2006 -
BVerwG 1 B 233.06ECLI:DE:BVerwG:2006:241106B1B233.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.11.2006 - 1 B 233.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:241106B1B233.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 233.06

  • VGH Baden-Württemberg - 26.07.2006 - AZ: VGH 11 S 951/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. November 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. Juli 2006 wird verworfen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar.

2 1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Dem Beschwerdevorbringen ist die Formulierung einer konkreten klärungsbedürftigen Rechtsfrage nicht zu entnehmen. Die Beschwerde wendet sich insbesondere gegen die aus ihrer Sicht zu niedrigen Anforderungen, die das Berufungsgericht an eine gelungene Integration der Kläger als im Rahmen der konkreten Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Umstand stellt. Eine fallübergreifende Grundsatzfrage wirft sie damit nicht auf. Im Ergebnis wendet sie sich nach Art einer Berufungsbegründung gegen die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Berufungsgericht im vorliegenden Fall, das die vom Verwaltungsgericht verfügte Aufhebung des von dem Beklagten ausgesprochenen Widerrufs der asylbezogenen Aufenthaltserlaubnisse der Kläger bestätigt hat.

3 2. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch keine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht nicht die behördlichen Ermessenserwägungen überprüft, sondern eigene Ermessenserwägungen angestellt habe. Dies stehe in Widerspruch zu Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus 1993 und 1979, aus deren Inhalt sich zwar nicht direkt, aber im Umkehrschluss ableiten lasse, dass die Verwaltungsgerichte keine eigenen Ermessenserwägungen anstellen dürften, um einen im Ermessen liegenden Verwaltungsakt der Behörde aufzuheben. Für die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung seien nur die behördlichen Erwägungen maßgebend. Damit ist der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht hinreichend bezeichnet. Die Darlegung der Divergenz setzt die Bezeichnung eines inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatzes voraus, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung unter anderem des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Daran fehlt es hier. Die bloße Geltendmachung einer fehlerhaften Anwendung eines solchen Rechtssatzes genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht. So liegt der Fall aber hier, wenn die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht „größtenteils seine eigenen Anforderungen“ an die hier zu treffende Ermessensentscheidung - insbesondere hinsichtlich der zu Gunsten der Kläger zu berücksichtigenden persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet - formuliere (Beschwerdebegründung S. 5). Im Übrigen ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht, dass das Berufungsgericht eigene Ermessenserwägungen angestellt hat. Es beanstandet vielmehr, dass der Beklagte im Rahmen seiner nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG getroffenen Ermessensentscheidung aus im Einzelnen dargelegten Gründen die rechtlich geschützten Interessen der Kläger nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht gegenüber den öffentlichen Interessen in seine Abwägung eingestellt und etwa an die wirtschaftlich-berufliche Integration der Kläger zu hohe Anforderungen gestellt, demgegenüber aber schützenswerten Bindungen an Deutschland nicht das nach Art. 8 Abs. 1 EMRK gebotene Gewicht beigemessen habe (UA S. 10, 16 ff.). Damit hat das Berufungsgericht - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2003 - BVerwG 1 C 13.02 - BVerwGE 117, 380 - rechtliche Anforderungen an eine nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG zu treffende Ermessensentscheidung des Beklagten formuliert, aber nicht eigene Ermessenserwägungen an die Stelle der behördlichen gesetzt.

4 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.