Beschluss vom 26.01.2004 -
BVerwG 4 B 1.04ECLI:DE:BVerwG:2004:260104B4B1.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.01.2004 - 4 B 1.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:260104B4B1.04.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 1.04

  • VGH Baden-Württemberg - 17.10.2003 - AZ: VGH 3 S 2298/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und G a t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beilgeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob im Anwendungsbereich des städtebaulichen Rücksichtnahmegebots (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, § 34 Abs. 1 BauGB) die Außenbewirtschaftung eines zur Genehmigung gestellten Gaststättenvorhabens ausnahmsweise die Unzulässigkeit des Vorhabens zu begründen vermag, führt nicht zu einer über den vorliegenden Streitfall hinausreichenden, in verallgemeinerungsfähiger Weise zu klärenden Rechtsfrage. Welche Anforderungen sich unter dem Gesichtspunkt der nachbarlichen Rücksichtnahme im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Die Antwort auf diese Frage beurteilt sich naturgemäß nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und § 34 Abs. 1 BauGB konkretisierte Rücksichtnahmegebot verlangt eine einzelfallbezogene Sichtweise (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <321> stRspr). Die Zumutbarkeitskriterien sind also je nach Lage des Einzelfalls situationsbezogen zu ermitteln und zu gewichten. Dieser Ansatz liegt auch dem Berufungsurteil zugrunde, da es nach einer zusammenfassenden Interessenabwägung die Unzumutbarkeit der Gaststätte des Klägers infolge ihrer betrieblichen und lagemäßigen Besonderheiten bejaht.
Aus den vorstehenden Gründen ist auch die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob im Rahmen der Interessenabwägung im Hinblick auf die Zumutbarkeit eines Vorhabens auch der Zusammenhang des Vorhabens mit anderen zulässigen Nutzungen im fraglichen Gebiet zu berücksichtigen sei, einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Das in die Form von Grundsatzrügen gekleidete Beschwerdevorbringen greift einzelfallbezogen die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung an. Eine derartige Entscheidungskritik ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darzulegen.
2. Das Berufungsurteil leidet nicht unter den mit der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehlern.
Das Berufungsgericht hat seine Pflicht zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht verletzt. Es hat das Baugrundstück und dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen. Nicht beweisbedürftig ist grundsätzlich das Tatsachenmaterial, welches das Gericht auf Grund eigenen Wissens seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Dazu gehören allgemeinkundige und damit offenkundige Tatsachen sowie solche Tatsachen, die sich auf die richterliche Erfahrung stützen lassen. Zum Kreis dieser Tatsachen zählen auch die vom Berufungsgericht berücksichtigten Lärmimmissionen einer Gaststätte mit großem Einzugsbereich, die in beträchtlichem Umfang Besucherverkehr mit Kraftfahrzeugen anzieht. Das gilt insbesondere für die im Berufungsurteil herausgestellten spezifischen Lärmauswirkungen einer Gaststätte mit Außenbewirtschaftung unter den hier gegebenen tatsächlichen Umständen. Insoweit beruht das Berufungsurteil auf der gebotenen konkretisierenden Betrachtungsweise. Im Übrigen genügt die Aufklärungsrüge nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil sie nicht darlegt, dass sich dem Berufungsgericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag angesichts der festgestellten tatsächlichen Besonderheiten im Streitfall (insbesondere die geringe Straßenbreite und die Ausrichtung der Fenster auf dem Wohngrundstück der Beigeladenen zu 1 bis 3 zur Gaststätte des Klägers hin) weitere Ermittlungen hinsichtlich der zu erwartenden Lärmimmissionen aufdrängen mussten (vgl. zu den Anforderungen an die Schlüssigkeit einer Aufklärungsrüge BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328 - mit weiteren Nachweisen).
Der Umstand, dass das Berufungsgericht der Berufung des Klägers auch nicht teilweise stattgegeben hat, begründet ebenfalls keine Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Voraussetzung für eine nur teilweise Aufhebung einer Baugenehmigung, die Nachbarrechte verletzt, ist die Teilbarkeit der Baugenehmigung. Teilbarkeit scheidet aus, wenn der das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verletzende Teil der Genehmigung mit den übrigen Teilen der Genehmigung in einem untrennbaren inneren Zusammenhang steht. Die teilweise Aufhebung einer (teilbaren) Baugenehmigung scheidet ferner aus, wenn sie vom Bauantragsteller nicht gewollt wäre und es deshalb an einem entsprechenden Bauantrag fehlte. Dies zu würdigen, ist Aufgabe der Tatsachengerichte. Das Berufungsurteil beruht offensichtlich auf der Annahme, dass die Voraussetzungen der Teilbarkeit im vorliegenden Fall nicht vorliegen. Die Beschwerde zeigt nicht substantiiert auf, dass das Berufungsgericht angesichts besonderer Umstände des vorliegenden Falles und/oder mit Rücksicht auf das Vorbringen des anwaltlich vertretenen Klägers Anlass hatte, der Frage der Teilbarkeit der streitbefangenen Baugenehmigung weiter nachzugehen. Die Rüge der Beschwerde, das Berufungsurteil verletze insoweit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, betrifft die Anwendung des materiellen Rechts und zeigt keinen Verfahrensfehler auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3 sowie auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.