Beschluss vom 26.05.2009 -
BVerwG 3 B 79.08ECLI:DE:BVerwG:2009:260509B3B79.08.0

Leitsatz:

§ 7 Abs. 5 BFG lässt die Identität des weggenommenen Wirtschaftsguts unberührt und regelt nur die Höhe des feststellbaren Schadens.

  • Rechtsquellen
    LAG § 349 Abs. 3
    BFG § 7 Abs. 5

  • VG Gelsenkirchen - 29.04.2008 - AZ: VG 6 K 1639/06

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.05.2009 - 3 B 79.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:260509B3B79.08.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 79.08

  • VG Gelsenkirchen - 29.04.2008 - AZ: VG 6 K 1639/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Mai 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 29. April 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 737,28 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Entschädigungsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz. 1957 war ihr in Mecklenburg aus dem Bodenfonds eine Neubauernstelle mit einer Größe von ca. 9 ha unentgeltlich zugeteilt worden, die sie bewirtschaftete, bis sie 1960 zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn die DDR verließ. Das Ausgleichsamt stellte 1977 einen Wegnahmeschaden an landwirtschaftlichem Vermögen in Höhe von 950 M-Ost fest. Da die Klägerin für die Neubauernstelle keinen Kaufpreis gezahlt hatte, fanden in die Berechnung des Ersatzeinheitswertes weder der Grund und Boden noch die Wohn- und Wirtschaftsgebäude Eingang. Berücksichtigt wurde lediglich der sog. Mehrwertschaden an totem und lebendem Inventar. Entsprechend diesen Feststellungen wurde der Klägerin eine Hauptentschädigung in Höhe von 1 400 DM zuerkannt.

2 Im Jahre 2001 erhielt die Beklagte davon Kenntnis, dass die Klägerin über Flächen von ca. 8,5 ha wieder verfügen konnte, die infolge einer Flurbereinigung inzwischen einen anderen Zuschnitt hatten. Daraufhin forderte die Beklagte 1 442 DM (= 737,28 €) Hauptentschädigung zurück. Die Klägerin hat erfolglos eingewendet, sie habe seinerzeit Hauptentschädigung nur für Inventar erhalten; gerade dieses habe sie aber nicht zurückerlangt.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

4 Die Klägerin misst der Angelegenheit grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bei, weil zu klären sei, ob eine lastenausgleichsrechtliche Entschädigung für einzelne Wirtschaftsgüter - hier: für lebendes und totes Inventar - eines landwirtschaftlichen Vermögens immer als eine Entschädigung für die gesamte Einheit anzusehen sei. Ferner sei zu klären, ob der wiedererlangte Vermögenswert auch dann mit dem entzogenen identisch sei, wenn nur Nebensachen (Inventar und Zubehör) einer wirtschaftlichen Einheit in die Schadensfeststellung eingegangen seien, später aber nur Hauptsachen dieser Einheit restituiert würden. Schließlich hält die Klägerin für klärungsbedürftig, welche Auswirkungen die Regelung des § 7 Abs. 5 BFG in diesem Zusammenhang habe.

5 Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie lassen sich auf der Grundlage der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres im Sinne des angefochtenen Urteils beantworten.

6 Nach § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG sind „in den Fällen des § 342 Abs. 3“ die zuviel gewährten Ausgleichsleistungen zurückzufordern. Ein Fall des § 342 Abs. 3 LAG liegt vor, wenn nach dem 31. Dezember 1989 ein Schaden ganz oder teilweise ausgeglichen worden ist. Für die Anwendung der Rückforderungsvorschrift reicht damit bereits eine Teilidentität zwischen weggenommenem und zurückerlangtem Vermögenswert aus. Das gilt auch, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb weggenommen, aber nur seine Grundflächen zurückgegeben wurden (Urteil vom 17. November 2005 - BVerwG 3 C 1.05 - ZOV 2006, 280).

7 Mit Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin seinerzeit ein landwirtschaftlicher Betrieb weggenommen worden war. Maßgeblich ist insofern der Schaden, der bei der Gewährung des Lastenausgleichs festgestellt worden ist (Urteile vom 22. Oktober 1998 - BVerwG 3 C 37.97 - BVerwGE 107, 294 <296> = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 5 S. 15 und vom 18. Mai 2000 - BVerwG 3 C 9.99 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 8). Hier wurde mit Bescheid vom 19. Juli 1977 ein Schaden an einem landwirtschaftlichen Vermögen, nämlich die Wegnahme der Neubauernstelle mit ca. 9 ha Land, Gebäuden und Inventar festgestellt.

8 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Anwendung des § 7 Abs. 5 des Gesetzes über die Beweissicherung und Feststellung von Vermögensschäden in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor von Berlin - Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz (BFG) - vom 24. August 1972 (BGBl I S. 1521). Nach dieser Vorschrift kann, wenn an einem Wirtschaftsgut bereits ein Wegnahmeschaden entstanden war, bei einem späteren Erwerber dieses Wirtschaftsguts, soweit es sich nicht um einen Tausch handelt, (1.) nur ein entrichteter Kaufpreis als Schaden an einem privatrechtlichen geldwerten Anspruch sowie (2.) nur die durch Aufwendung eigener Mittel entstandene Wertsteigerung des erworbenen Wirtschaftsguts als Schaden am Wirtschaftsgut festgestellt werden. Die Klägerin meint, dass deshalb nur noch der geldwerte Anspruch in Höhe des gezahlten Kaufpreises oder nur noch die Wertsteigerung als solche als weggenommen gälte. Dem ist das Verwaltungsgericht mit Recht nicht gefolgt. § 7 Abs. 5 BFG lässt die Identität des weggenommenen Wirtschaftsguts unberührt und regelt nur die Höhe des feststellbaren Schadens. Die Vorschrift entspricht § 12 Abs. 13 LAG und §§ 8, 9 Abs. 2 der Elften Verordnung über Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 18. Dezember 1956 (BGBl I S. 932) und betrifft die wiederholte Wegnahme von Wirtschaftsgütern. Sie geht davon aus, dass bereits die erste Wegnahme zur Feststellung eines Wegnahmeschadens in voller Höhe geführt hat und dass der durch die zweite Wegnahme geschädigte Erwerber das Wirtschaftsgut - etwa im Zuge der sogenannten Bodenreform - häufig unentgeltlich erhalten hatte. Um Doppelentschädigungen zu vermeiden, soll daher der Schaden der zweiten Wegnahme nur in Höhe der Aufwendungen festgestellt werden, die der Erwerber beim Erwerb oder bei der Bewirtschaftung des Wirtschaftsguts getätigt hat. Die Vorschrift ändert mithin nichts daran, dass die der Klägerin weggenommenen Wirtschaftsgüter in ihrer Gesamtheit ein landwirtschaftliches Vermögen, nämlich die Neubauernstelle ausmachten. Ihre Anwendung hat lediglich dazu geführt, dass bei der Ermittlung der Höhe des Wegnahmeschadens nur ein von der Klägerin beim Erwerb gezahlter Kaufpreis sowie die durch Aufwendung eigener Mittel entstandenen Wertsteigerungen der Neubauernstelle berücksichtigt wurden. Da die Klägerin die Neubauernstelle unentgeltlich erworben hatte, verblieb es insofern bei ihren Aufwendungen für das lebende und tote Inventar des Hofes.

9 Ebenso mit Recht hat das Verwaltungsgericht fernerhin erkannt, dass der seinerzeit festgestellte Wegnahmeschaden nach dem 31. Dezember 1989 ganz oder teilweise ausgeglichen wurde, indem die Klägerin die Verfügungsgewalt jedenfalls über die Grundflächen der Neubauernstelle zurückerlangte. Das Fehlen des Inventars ändert hieran nichts; nach § 349 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 LAG bleibt das Fehlen von Zubehör und Inventar unberücksichtigt. Das Fehlen von Gebäuden kann zwar die Annahme eines Restschadens begründen (vgl. hierzu Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 3 C 21.08 -); doch wirkt sich dies auf die Höhe der Rückforderung hier nicht aus, weil die Gebäude schon bei der Feststellung der Höhe des Wegnahmeschadens mit „null“ angesetzt worden waren.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.