Beschluss vom 26.07.2006 -
BVerwG 4 B 55.06ECLI:DE:BVerwG:2006:260706B4B55.06.0

Beschluss

BVerwG 4 B 55.06

  • Bayerischer VGH München - 02.05.2006 - AZ: VGH 2 B 05.787

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und den Richter
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hofherr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3 a) Die Beschwerde möchte in dem erstrebten Revisionsverfahren die Richtigkeit folgender Thesen zur Auslegung des § 34 Abs. 1 BauGB bestätigt wissen:
„Die in unmittelbarer Nähe zu einer Straßenkreuzung befindlichen Gebäude und Grundstücke sind nur dann in diese ‚eingefasst’, wenn der Straßenkreuzung Platzqualität im städtebaulichen Sinn zuzuschreiben ist. Die Gebäude sind in diesem Fall füreinander prägend und zählen zur näheren Umgebung.
Hat die Straßenkreuzung Platzqualität im städtebaulichen Sinn, können nicht zu diesem Platz gehörige Grundstücke gleichwohl zur näheren Umgebung des Baugrundstücks gehören.“

4 Die Richtigkeit der zuerst genannten These kann in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Ob an eine Straßenkreuzung grenzende Flächen von der vorhandenen Bebauung „eingefasst“ werden und welche Gebäude in einem solchen Fall einander prägen, ist keine Rechtsfrage, sondern eine der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogene Frage der Sachverhaltswürdigung.

5 Die Frage, ob, wenn eine Straßenkreuzung Platzqualität hat, nicht an den Platz grenzende Grundstücke gleichwohl zur näheren Umgebung zählen können, würde sich in dem Revisionsverfahren nicht stellen. Zum einen hat der Verwaltungsgerichtshof offen gelassen, ob dem Kreuzungsbereich Platzqualität zuzusprechen sei (UA S. 5). Zum anderen hat er die nicht unmittelbar an den Platzbereich grenzenden Grundstücke aufgrund einer Würdigung der örtlichen Gegebenheiten im vorliegenden Einzelfall als nicht zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB gehörend angesehen; einen über die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung der näheren Umgebung (vgl. UA S. 5) hinausgehenden abstrakten Rechtssatz hat er insoweit nicht aufgestellt.

6 b) Die Beschwerde möchte in dem Revisionsverfahren weiter geklärt wissen, dass im Rahmen des Maßes der baulichen Nutzung zur Bestimmung der Bezugspunkte für die Höhe des Gebäudes die Traufhöhe entscheidend ist. Dass diese Rechtsauffassung so nicht zutrifft, ergibt sich ohne weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Maßgebend für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1994 - BVerwG 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <279> = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 168; Beschluss vom 21. Juni 1996 - BVerwG 4 B 84.96 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 180). Vorrangig ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt (Urteil vom 23. März 1994 a.a.O. S. 282). Die Traufhöhe kann, muss aber nicht prägend sein; entscheidend sind auch insoweit die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten. Auch die absolute Höhe der in der näheren Umgebung vorhandenen Gebäude, auf die der Verwaltungsgerichtshof hier abgestellt hat (UA S. 6), kann das Baugrundstück entscheidend prägen.

7 2. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz hat die Beschwerde nicht hinreichend bezeichnet. Die Beschwerde benennt nicht - wie dies erforderlich wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26) - einen die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz von den in der Beschwerdebegründung genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein könnte. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge.

8 3. Die als Verfahrensmangel geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Auf den Vortrag der Beklagten, dass dem Theodolindenplatz keine Platzqualität zukomme und dass sich das Vorhaben in das an den Theodolindenplatz anschließende Bauquartier nicht einfüge, brauchte der Verwaltungsgerichtshof nicht näher einzugehen, weil es auf diese Fragen nach seiner - für das Vorliegen eines Verfahrensmangels maßgebenden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183, stRspr) - Rechtsauffassung nicht ankam. Die Frage, ob das an den Theodolindenplatz anschließende Bauquartier Teil der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Einnahme eines Augenscheins tatrichterlich anders beurteilt als die Beklagte. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt darin nicht.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.