Beschluss vom 26.09.2007 -
BVerwG 5 B 6.07ECLI:DE:BVerwG:2007:260907B5B6.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.09.2007 - 5 B 6.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:260907B5B6.07.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 6.07

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 09.11.2006 - AZ: OVG 2 A 2663/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. September 2007
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. November 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 11 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf Verfahrens- und Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Entgegen der Auffassung der Beschwerde begründete es keinen Verfahrensfehler im Sinne eines Verstoßes gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), dass das Oberverwaltungsgericht über die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG (Fähigkeit ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen) auf der Grundlage des am 23. August 2001 vor der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Almaty vorgenommenen und protokollierten Sprachtests entschieden hat, nachdem die Klägerin, deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet worden war, trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise auf die Ratsamkeit ihres persönlichen Erscheinens ohne nähere Begründung nicht zur Verhandlung angereist war. Soweit die Beschwerde demgegenüber geltend macht, das Gericht hätte nicht ohne persönliche Anhörung der Klägerin entscheiden dürfen und dies hätte durch eine gerichtliche Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin sichergestellt werden müssen, verkennt sie die rechtliche Bedeutung der Mitwirkungsobliegenheit der Klägerin.

3 Das Gericht war auch nicht, wie die Beschwerde meint, verpflichtet, zwecks „Inaugenscheinnahme der Klägerin“ eine Beweisaufnahme in Kasachstan - abgesehen von deren rechtlicher Möglichkeit - durchzuführen, nachdem die Klägerin ohne Angabe von zwingenden Hinderungsgründen nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Der Hinweis in der Ladung weist nicht darauf, dass das Berufungsgericht an sich die Notwendigkeit gesehen hätte, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, indem es die Klägerin anhört oder vernehmen lässt (s.a. Beschluss vom 28. Oktober 2002 - BVerwG 5 B 225.02 -).

4 Die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter sind auf die möglichen nachteiligen Folgen eines Ausbleibens der Klägerin auch nachdrücklich hingewiesen worden, so dass auch keine sogenannte Überraschungsentscheidung vorliegt.

5 Es ist nicht zu erkennen, dass das Berufungsgericht hinsichtlich des Nichterscheinens der Klägerin zur mündlichen Verhandlung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wäre. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 9. November 2006 lediglich erklärt, die Klägerin habe ihm mitgeteilt, dass sie zum Termin nicht erscheinen werde. Er hat aber hierzu nicht unter Darlegung von Hinderungsgründen sowie der Bereitschaft der Klägerin, sich einer Überprüfung ihrer deutschen Sprachkenntnisse durch das Gericht zu unterziehen, Anträge auf Vertagung zwecks weiterer Beweisaufnahme gestellt, so dass nicht zu erkennen ist, warum sich dem Gericht bei dieser Verfahrenslage eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen. Unter diesen Umständen durfte das Gericht vielmehr, wie auf Seite 13 des Urteils dargelegt, seine Entscheidung ohne weitere Sachverhaltsermittlung und ohne eine persönliche Anhörung der Klägerin auf das als hinreichend aussagekräftig angesehene Ergebnis des Sprachtests stützen.

6 Soweit der Prozessbevollmächtigte, der auch dies nicht zum Anlass für einen Vertagungs- oder Beweisantrag genommen hat, mit der Beschwerde vorträgt, die Klägerin hätte kein Visum nach Deutschland bekommen können, fehlt schon jeder konkretisierende Vortrag, dass sie sich überhaupt entsprechend den gerichtlichen Hinweisen um ein Visum bemüht hat. Das Gleiche gilt für das erst nachträgliche Vorbringen, die Teilnahme am Termin hätte die Klägerin mehr als zwei Jahresgehälter gekostet und sie habe von der Möglichkeit, einen Kostenvorschuss zu verlangen, keinen Gebrauch machen können.

7 2. Der hinsichtlich der Verwendung des Sprachtests gerügte Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren ist schon nicht schlüssig dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das Berufungsgericht durfte die in den Niederschriften zu dem Sprachtest enthaltenen tatsächlichen Feststellungen zum Sprachvermögen der Klägerin, zu denen diese hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, für seine Entscheidungsfindung verwenden (s. etwa Beschlüsse vom 30. März 1999 - BVerwG 5 B 4.99 - juris und vom 28. Oktober 2002 - BVerwG 5 B 225.02 - stRspr). Die Beschwerde macht hierzu im Wesentlichen geltend, das Gericht habe sich lediglich mit einem Teil des Sprachtests befasst und daraus in fehlerhafter Weise geschlossen, die Klägerin habe im Sprachkurs auswendig gelernte Antworten gegeben; hätte es die gesamte Akte und den gesamten Vortrag der Klägerin berücksichtigt, hätte es zwingend zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Damit wird lediglich eine fehlerhafte Beweiswürdigung behauptet, der die Beschwerde eine eigene Würdigung entgegensetzt. Ein Gehörsverstoß lässt sich hiermit nicht begründen.

8 3. Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Divergenz zugelassen werden. Die Beschwerde behauptet zwar eine Divergenz zu den in dem angefochtenen Urteil angeführten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2003 (- BVerwG 5 C 33.02 - BVerwGE 119, 6 und - BVerwG 5 C 11.03 - DVBl 2004, 448), zeigt aber nicht wie erforderlich (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712) auf, dass das Berufungsgericht, das für die Anforderungen ausdrücklich die von der Beschwerde herangezogene Rechtsprechung zu Grunde gelegt hat, diesen rechtlichen Ansatz gleichwohl verlassen hat, mit einem tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der angeführten Entscheidung in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. Die Beschwerde beschränkt sich vielmehr darauf, einzelne Feststellungen des angegriffenen Urteils (etwa dass die Klägerin „nur mit einfachsten Sätzen geantwortet“ habe) als divergierende Rechtssätze zu bezeichnen und der Würdigung durch das Berufungsgericht eine abweichende eigene entgegenzusetzen.

9 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 47, 52 Abs. 1, § 39 GKG (Ansatz des Auffangwertes von 5 000 € für die Klägerin sowie von je 2 000 € für die Einbeziehung des Ehemannes sowie der Abkömmlinge der Klägerin in den Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 und 2 BVFG; vgl. zuletzt Streitwertbeschluss zum Urteil vom 18. Januar 2007 - BVerwG 5 C 9.06 - unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 12. Dezember 2005 - BVerwG 5 B 54.05 -).