Beschluss vom 26.11.2002 -
BVerwG 8 B 41.02ECLI:DE:BVerwG:2002:261102B8B41.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.11.2002 - 8 B 41.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:261102B8B41.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 41.02

  • VG Frankfurt/Oder - 06.12.2001 - AZ: VG 4 K 592/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a g e n k o p f und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 6. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 39 880,77 € (entspricht 78 000 DM) festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder liegt der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor, noch beruht das angefochtene Urteil auf einem der geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Die von der Beschwerde geltend gemachte Abweichung von höchstrichterlichen Entscheidungen besteht nicht. Eine Divergenz ist im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nur dann anzunehmen, wenn das Verwaltungsgericht einem u.a. vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz ausdrücklich oder konkludent einen widersprechenden Rechtssatz gegenüberstellt. Diesen Begriff der Divergenz verkennt der Beklagte. Er behauptet im Wesentlichen die fehlerhafte Anwendung vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellter Rechtssätze, wobei er überdies die dieser Anwendung zugrunde liegende Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts beiseite schiebt und sie durch eine eigene Würdigung ersetzt. Eine als vermeintlich fehlerhaft eingeschätzte Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatzes stellt keine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar (stRspr; z.B. Beschluss vom 10. Juli 1995 - BVerwG 9 B 18.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 264).
2. Auch die Verfahrensrügen können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
Der Einwand des Beklagten dahin gehend, dass auf dem streitbefangenen Grundstück im Gegensatz zu den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht sieben, sondern acht Mietwohnungen vorhanden gewesen seien, ergibt keinen erheblichen Verfahrensmangel. Eine Unrichtigkeit tatsächlicher Feststellungen des Urteils ist kein Verfahrensmangel; sie kann gemäß § 119 VwGO nur mittels eines fristgebundenen Antrages auf Berichtigung geltend gemacht werden (Urteil vom 21. September 2000 - BVerwG 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10). Zudem ist die Rüge nicht ausreichend dargelegt. Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt stammt vom Beklagten, der in seinem angefochtenen Bescheid vom 28. Februar 1994 selbst von sieben Wohnungen ausgegangen war, und auch im Widerspruchsbescheid heißt es, dass das Mehrfamilienhaus über sieben Mietwohnungen verfüge. Soweit der Beklagte demgegenüber jetzt auf ein Gutachten vom 27. Juli 1978 verweist, ergibt sich Gegenteiliges nicht, weil danach offen ist, wie viele Wohnungen im allein maßgeblichen Verzichtszeitpunkt bewohnt waren.
Der Einwand des Beklagten, das Verwaltungsgericht habe auf eine zu geringe Jahresmiete (1 727,40 M) abgestellt, überzeugt ebenfalls nicht, sind doch der Beklagte und der Widerspruchsausschuss in ihren Bescheiden selbst von diesem Betrag ausgegangen. Der vom Beklagten nunmehr herangezogenen Mitteilung der Wohnungs- und Baugesellschaft mbH Bernau vom 15. August 2001 sind die monatlichen Mieteinnahmen zum Verzichtszeitpunkt (30. Mai 1978) nicht zu entnehmen.
Der Beklagte kann mit seiner im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Überschussberechnung einen erheblichen Verfahrensmangel nicht begründen, weil er dabei von Mieteinnahmen ausgeht, die höher sind als die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten. Im Übrigen bleibt er einen Beleg dafür schuldig, dass auch ein höherer, als der vom Verwaltungsgericht unterstellte Überschuss (577,40 M) eine Ertragslage ergeben hätte, durch die der erstinstanzlich ermittelte Instandsetzungsbedarf zu befriedigen gewesen wäre.
Die Beschwerde misst in diesem Zusammenhang dem Schriftsatz des Klägers vom 30. Mai 1996 mehr Gewicht bei als das Verwaltungsgericht. Dieses hat der Bilanz 1970 lediglich entnommen, dass Reparaturen ausgeführt worden seien, und seine daraus gezogenen Schlussfolgerungen stellen das Ergebnis einer Beweiswürdigung dar. Sie führen damit auf keinen die Revision zulassenden Verfahrensmangel.
Als materiellrechtlichen Angriff und folglich hier ebenfalls nicht für eine Verfahrensrüge geeignet, erweist sich der Einwand der Beschwerde gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des Instandsetzungsbedarfs der Fenster, wobei der Beklagte entgegen seinem jetzigen Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren von 31 instand gesetzten Fenstern ausgegangen ist (Schriftsatz vom 4. Juli 2001). Wenn er mit der Beschwerde nunmehr rügt, dass das Verwaltungsgericht keine weitere Beweisaufnahme vorgenommen hat, lässt der Beklagte außer Acht, dass er trotz anwaltlicher Vertretung im Termin zur mündlichen Verhandlung entsprechende Beweisanträge nicht gestellt hat und sich dem Gericht im Ergebnis seiner durchgeführten Beweisaufnahme die Sachlage nicht als weiter aufklärungsbedürftig aufdrängen musste.
Die Erkenntnisse, die das Verwaltungsgericht aus der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, können den Beklagten auch nicht überrascht haben, musste ihm doch anhand des verkündeten Beweisthemas zu Beginn der Beweisaufnahme deutlich geworden sein, worauf es dem Verwaltungsgericht streitentscheidend ankommen werde.
Die Tatsacheninstanz ist nicht gehalten, in der mündlichen Verhandlung auf alle Gesichtspunkte hinzuweisen, die später bei seiner Entscheidung eine Rolle spielen werden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Vorinstanz nicht verpflichtet ist, den Beteiligten schon in der mündlichen Verhandlung offen zu legen, wie sie ihre Entscheidung im Einzelnen begründen werde (Beschluss vom 13. Dezember 1988 - BVerwG 3 B 43.87 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 89 m.w.N.). Zu derartigen Informationen ist ein Vorsitzender regelmäßig nicht in der Lage, weil die Urteilsberatung noch aussteht. Da sich das Verwaltungsgericht im Übrigen nur auf solche Gesichtspunkte gestützt hat, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und des Vortrages der Beteiligten waren oder aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten stammen, kann von einem Überraschungsurteil nicht die Rede sein.
Eine Partei mag zwar aufgrund ihrer Einschätzung des Ganges der mündlichen Verhandlung mit einem anderen, für sie günstigeren Ausgang des Verfahrens gerechnet haben. Entscheidend ist aber, ob das Gericht durch die Art seiner Sachbehandlung die Partei davon abgehalten hat, für die Entscheidung wesentliche Gesichtspunkte vorzutragen, und dadurch den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188). Dem Beklagten hat es freigestanden, nach Beendigung der Beweisaufnahme eine Vertagung der Sache oder die Einräumung einer Schriftsatzfrist zu beantragen, um zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung nehmen zu können. Diese Unterlassung kann nicht durch nachträgliche Erhebung von Gehörs- oder Aufklärungsrügen wettgemacht werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.