Beschluss vom 27.03.2002 -
BVerwG 1 B 76.02ECLI:DE:BVerwG:2002:270302B1B76.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.03.2002 - 1 B 76.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:270302B1B76.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 76.02

  • Bayerischer VGH München - 29.11.2001 - AZ: VGH 7 B 00.31946

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. März 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r , den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. November 2001 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt einen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
Soweit die Beschwerde sich unter Nr. 1 der Beschwerdebegründung auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) beruft, zeigt sie nicht - wie erforderlich - eine klärungsfähige und klärungsbedürftige R e c h t s frage von allgemeiner Bedeutung auf. Die Frage, ob die Befragung des Klägers durch die Hauptstelle für Befragungswesen in Deutschland zu einem nach § 51 Abs. 1 AuslG beachtlichen Nachfluchtgrund führt, die seinerzeit der Grund für die Zulassung der Berufung durch den Verwaltungsgerichtshof war, ist keine Rechtsfrage, sondern hängt maßgeblich von der Beurteilung der tatsächlichen politischen Verhältnisse in Armenien ab. Derartige Tatsachenfragen sind einer revisionsgerichtlichen Klärung nicht zugänglich.
Die Ausführungen der Beschwerde zu diesem Punkt führen auch nicht auf einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Beschwerde macht zwar geltend, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt hinsichtlich der vom Kläger vorgetragenen Vorverfolgung in Armenien nicht in ausreichendem Umfang aufgeklärt und deshalb gegen § 86 VwGO verstoßen. Sie gibt aber weder an, welche weiteren Aufklärungsmaßnahmen das Berufungsgericht ihrer Ansicht nach noch hätte ergreifen müssen und zu welchen Ergebnissen diese Aufklärung geführt hätte, noch legt sie dar, dass der anwaltlich vertretene Kläger in der Berufungsverhandlung, etwa durch einen entsprechenden Beweisantrag, auf eine derartige Aufklärung hingewirkt hat oder sich dem Berufungsgericht eine solche von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung einer Aufklärungsrüge Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). In Wahrheit wendet sich die Beschwerde dagegen, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers über seine Vorverfolgung wegen verschiedener Ungereimtheiten, die auch bei der Anhörung des Klägers im Berufungsverfahren nicht hätten klargestellt werden können, in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht als nicht glaubhaft gewertet hat. Sie beanstandet damit die ihrer Ansicht nach unzutreffende tatrichterliche Beweiswürdigung, die in der Regel - und so auch hier - nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen ist und einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb nicht begründen kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 = DVBl 1996, 108). Soweit die Beschwerde Übersetzungsmängel der Dolmetscher sowohl bei der Anhörung vor dem Bundesamt als auch im erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend machen will, kann sie sich da-
rauf im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr mit Erfolg berufen. Denn der Kläger hätte etwaige derartige Mängel bereits in der Tatsacheninstanz rügen können und müssen (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO; Urteil vom 6. Juli 1998 - BVerwG 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 <131 f.>). Hierzu hätte der anwaltlich vertretene Kläger im Berufungsverfahren - spätestens bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof - hinreichend Gelegenheit gehabt. Im Übrigen setzt sich die Beschwerde auch nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht in einer Hilfsbegründung auch bei Wahrunterstellung des Vortrags des Klägers über seine Vorverfolgung das Vorliegen einer politischen Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale verneint hat (UA S. 10).
Auch die unter Nr. 2 der Beschwerdebegründung erhobene weitere Aufklärungsrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht sei in keiner Weise der Frage nachgegangen, ob die Befragung des Klägers durch die Hauptstelle für Befragungswesen der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls einen subjektiven Nachfluchtgrund herbeigeführt habe, weil der Kläger damit in den Verdacht der Preisgabe von Staatsgeheimnissen geraten sei, die in Armenien mit Todesstrafe bedroht sei. Die vom Berufungsgericht hierzu eingeholte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 20. August 2001 stelle insoweit keine ausreichende Erkenntnisgrundlage dar. Abgesehen davon, dass die Beschwerde auch in diesem Fall nicht angibt, welche konkreten weiteren Aufklärungsmaßnahmen das Berufungsgericht hätte ergreifen sollen und zu welchem für den Kläger günstigeren Ergebnis diese Maßnahmen geführt hätten, fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem Berufungsgericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Berufungsgericht die weitere Aufklärung auch ohne ein solches Hinwirken von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.). Ausweislich des Protokolls der Berufungsverhandlung hat der anwaltlich vertretene Kläger insoweit keinen Beweisantrag gestellt. Inwiefern sich dem Berufungsgericht angesichts der von ihm eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 20. August 2001 und der ebenfalls in das Verfahren eingeführten Auskunft von Frau Dr. T. Hofmann vom 5. Februar 2001 eine weitere Aufklärung auch ohne einen Beweisantrag des Klägers hätte aufdrängen müssen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Aus der Mitteilung des Auswärtigen Amtes ergibt sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, dass Asylbewerber hinsichtlich der Antragstellung und der damit verbundenen Befragungen von Behörden, ggf. auch bei der Hauptstelle für Befragungswesen, keinen Nachteilen in Armenien ausgesetzt seien; dem Auswärtigen Amt seien Fälle bekannt, in denen abgelehnte, aber selbst anerkannte armenische Asylantragsteller, darunter ehemalige Angehörige des Verteidigungsministeriums, des Mi-nisteriums für Nationale Sicherheit und des Ministeriums für Innere Angelegenheiten, nach der Rückkehr nach Armenien weder dienst- noch strafrechtlich belangt worden seien; einige Personen hätten trotz der bekannten Asylantragstellungen und der in Armenien bekannten stattgefundenen Befragungen sogar unbehelligt um erneute Einstellung in ihrem ehemaligen Ministerium vorgesprochen. Weiter weist das Berufungsgericht u.a. darauf hin, dass der Kläger die Richtigkeit dieser Aussage nicht durch Vorlage weiterer Auskünfte oder Stellungnahmen mit gegenteiligen Inhalt zu erschüttern vermocht habe. Hinzu komme, dass er nach Mitteilung des Bundesamts von der Hauptstelle für Befragungswesen bereits nach 25 Minuten wieder entlassen worden sei, da er keine relevanten Angaben habe machen können (UA S. 11). Dass sich bei dieser Sachlage dem Berufungsgericht aus seiner materiellrechtlichen Sicht von Amts wegen eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen, ist nicht ersichtlich.
Der unter Nr. 3 der Beschwerdebegründung gerügte Verfahrensmangel im Rahmen der Kostenentscheidung kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil eine isolierte Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig ist (§ 158 Abs. 1 VwGO). Abgesehen davon entspricht die Kostenentscheidung, mit der dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt wurden, dem Gesetz (§ 154 Abs. 2 VwGO); auch in gerichtskostenfreien Verfahren hat das Gericht die gesetzlich vorgesehene Kostenentscheidung zu treffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG n.F.