Verfahrensinformation

Die Klägerin begehrt als Opfer politischer Verfolgung in der ehemaligen DDR im Rehabilitierungsverfahren die Eingruppierung in eine höhere Qualifikationsgruppe, um so eine höhere Rente zu erhalten. Nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) kann die Einstufung in eine Qualifikationsgruppe auf zweierlei Weise erfolgen: Zum einen aufgrund der Erfüllung der jeweiligen Qualifikationsmerkmale und Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit und zum anderen aufgrund des durch langjährige Berufserfahrung bewirkten Erwerbs von Fähigkeiten, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen. Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie durch langjährige Berufserfahrung als Lehrerin in der Oberstufe Fähigkeiten erworben habe, die üblicherweise denen von Hochschulabsolventen entsprechen. Nachdem die Vorinstanz die Klage abgewiesen hat, ist im Revisionsverfahren die Frage der Auslegung des Begriffs "langjährige Tätigkeit" im Zusammenhang mit der Bescheinigung zum Zwecke der Rentenversicherung als Bestandteil der Rehabilitierungsbescheinigung zu klären.


Beschluss vom 15.03.2005 -
BVerwG 3 B 93.04ECLI:DE:BVerwG:2005:150305B3B93.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.03.2005 - 3 B 93.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:150305B3B93.04.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 93.04

  • VG Chemnitz - 27.04.2004 - AZ: VG 6 K 1078/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Chemnitz über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 27. April 2004 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Die Beschwerde ist begründet. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
In dem erstrebten Revisionsverfahren kann voraussichtlich die Frage der Auslegung des Begriffs "langjährige Berufserfahrung" in Anlage 13 SGB VI im Zusammenhang mit der in der Bescheinigung nach § 17 i.V.m. § 22 BerRehaG zum Zwecke der Rentenversicherung als Bestandteil der Rehabilitierungsbescheinigung anzugebenden Qualifikationsgruppe geklärt werden.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 3 C 15.05 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Urteil vom 27.04.2006 -
BVerwG 3 C 15.05ECLI:DE:BVerwG:2006:270406U3C15.05.0

Leitsätze:

Das Tatbestandsmerkmal der „langjährigen Berufserfahrung“ in Satz 2 der Anlage 13 SGB VI setzt voraus, dass der höherwertige Beruf während eines Zeitraumes ausgeübt wurde, der ausreicht, um die theoretischen und praktischen Fähigkeiten für eine vollwertige Berufsausübung auch ohne vorgeschriebene Ausbildung zu vermitteln. In der Regel ist davon auszugehen, dass dafür ein Zeitraum erforderlich ist, welcher der doppelten Regelausbildungszeit bzw. der doppelten Regelstudienzeit entspricht.

Satz 2 der Anlage 13 SGB VI verlangt ebenso wie Satz 1 eine der erreichten Qualifikation entsprechende Tätigkeit; diese liegt nur vor, wenn die vor der Verfolgung ausgeübte Tätigkeit nach den Beschäftigungsbedingungen, insbesondere nach ihrer Vergütung, entsprechend eingestuft war.

Urteil

BVerwG 3 C 15.05

  • VG Chemnitz - 27.04.2004 - AZ: VG 6 K 1078/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette,
Liebler und Prof. Dr. Rennert
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 27. April 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt als Opfer politischer Verfolgung in der ehemaligen DDR im Rehabilitierungsverfahren die für das rentenrechtliche Nachteilsausgleichsverfahren maßgebliche Eingruppierung in eine höhere Qualifikationsgruppe.

2 Die Klägerin besuchte nach erfolgreichem Abschluss der Mittelschule von 1959 bis 1962 die Fachgrundschule und erwarb den Abschluss einer Klöppellehrerin und Mustergestalterin. Ab 1963 war sie beim Rat des Kreises H. als Erzieherin im Hort der Oberschule S. angestellt. Gleichzeitig studierte sie am Institut für Lehrerbildung R. (Fernstudium). Nach Ablegung der staatlichen Abschlussprüfung für Erzieher und Lehrer der Unterstufe im Dezember 1965 wurde der Arbeitsvertrag dahingehend geändert, dass die Klägerin als ausgebildete Lehrerin der Unterstufe galt und in der Gehaltsgruppe I b vergütet wurde. Ausweislich der Qualifizierungsvereinbarung vom 24. April 1967 mit dem Direktor der Oberschule S. unterrichtete sie u.a. das Fach Deutsch in der Klasse 8 (Ziffer 2). Nach einer weiteren Qualifizierungsvereinbarung vom 4. Juli 1969 lehrte sie u.a. das Fach Deutsch in der Klasse 6 (Ziffer 2). Ab August 1976 war sie als Unterstufenlehrerin in der Oberschule für Verhaltensgestörte beim Rat des Stadtbezirks S. der Stadt K. tätig und wurde wegen Verlagerung dieser Schule ab Januar 1981 vom Rat des Stadtbezirks M./N. übernommen. Mit Überleitungsvertrag vom 21. Juni 1983 wurde sie vom Rat des Stadtbezirks S. als Lehrerin an der achtklassigen allgemein bildenden polytechnischen Hilfsschule „...-Schule” mit der Gehaltsgruppe III eingestellt.

3 Am 21. August 1984 stellte die Klägerin einen Ausreiseantrag. Nach einer Aussprache beim Stadtbezirksschulrat am 23. August 1984 wurde sie zum Monatsende entlassen und war vom 1. September 1984 bis zum Jahresende arbeitslos. Vom 1. Januar 1985 an bis zur ständigen Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland am 23. November 1988 war sie als selbstständige Spitzenklöpplerin tätig.

4 Mit der Rehabilitierungsbescheinigung des Sächsischen Landesamtes für Familie und Soziales vom 26. Januar 2000 wurde der Klägerin bescheinigt, dass sie Verfolgte i.S.d. § 1 Abs. 1 BerRehaG sei, Ausschließungsgründe nach § 4 BerRehaG nicht vorlägen und die Verfolgungszeit vom 1. September 1984 bis 23. November 1988 gedauert habe. In Ziffer 5 der „Bescheinigung nach § 17 i.V.m § 22 BerRehaG zum Zwecke der Rentenversicherung“ als Bestandteil der Rehabilitierungsbescheinigung wurde die Klägerin für den festgesetzten Verfolgungszeitraum als Lehrerin in die Qualifikationsgruppe 1 des Bereiches 18 eingruppiert. Mit auf § 42 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - gestützter Verfügung vom 8. März 2000 berichtigte das Landesamt die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2.

5 Ihren dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 inhaltlich nicht richtig sei, und bestritt daher das Vorliegen eines Schreibfehlers ausdrücklich. Versicherte seien in eine höhere Qualifikationsgruppe auch dann einzustufen, wenn sie aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben hätten, die üblicherweise denen von Versicherten dieser Qualifikationsgruppe entsprächen. Die Tätigkeit als Lehrerin setze üblicherweise einen Hochschulabschluss bzw. ein Staatsexamen voraus. Da sie diese Tätigkeit über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren ausgeübt habe, sei sie in die Qualifikationsgruppe 1 einzuordnen.

6 Der Widerspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen, weil der wegen der Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 1 rechtswidrige Ausgangsbescheid nach pflichtgemäßem Ermessen hätte zurückgenommen werden müssen. Da die Klägerin bis 1984 stets als Unterstufenlehrerin bzw. Lehrerin mit der Gehaltsgruppe III angestellt gewesen sei und ausweislich der vorliegenden Unterlagen nur vereinzelt auch Deutschunterricht in Mittelstufenklassen gehalten habe, sei nur die Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 2 rechtmäßig. Die Rücknahmefrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG sei gewahrt, da die Ausgangsbehörde sofort nach dem telefonischen Hinweis eines Mitarbeiters der BfA vom 8. März 2000, dass die Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 1 rechtlich nicht nachvollziehbar sei, reagiert habe.

7 Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ergänzend ausgeführt, der Teilrücknahmebescheid sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er gegen § 48 Abs. 4 VwVfG verstoße. Gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG sei die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhalte, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigten. Die Tatsachen, die der Beklagte seinem Teilrücknahmebescheid zugrunde lege, seien ihm bereits seit 1996, nämlich seit Einreichung des Antrages der Klägerin bekannt gewesen. Im Zeitpunkt des Erlasses des Teilrücknahmebescheides seien daher bereits vier Jahre seit Tatsachenkenntnis verstrichen. Im Übrigen sei der Ausgangsbescheid vom 26. Januar 2000 fehlerfrei. Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin bis 1984 stets als Unterstufenlehrerin und nur vereinzelt auch als Deutschlehrerin in Mittelstufenklassen tätig gewesen sei. Bereits seit 1977 sei die Klägerin als Lehrerin an einer Schule für Verhaltensgestörte in C. tätig gewesen. Sie habe dort als Klassenlehrerin Unterricht in den Fächern Deutsch, Mathematik und Werken erteilt. Die Tätigkeit als Lehrerin an einer Schule für Verhaltensgestörte setze grundsätzlich eine Qualifikation nach der Qualifikationsgruppe 1 voraus.

8 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Teilrücknahme und Änderung der Rehabilitierungsbescheinigung vom 26. Januar 2000 sei rechtmäßig, da die Eingruppierung der Klägerin in die Qualifikationsgruppe 1 rechtswidrig gewesen sei. Da mit der Einstufung in Qualifikationsgruppen die Verhältnisse in der DDR hätten nachvollzogen werden sollen, liege es nahe, sich bei der Auslegung des Begriffs „langjährige” Berufserfahrungen an den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen der DDR zu orientieren. In Anlehnung an diese Regelungen liege eine langjährige Berufserfahrung dann vor, wenn die höherwertige Tätigkeit seit 10 Jahren ausgeübt werde. Die Klägerin habe eine solche Tätigkeit lediglich über einen zusammenhängenden Zeitraum von acht Jahren und einem Monat wahrgenommen (vom 1. August 1976 bis 31. August 1984), so dass eine Höherstufung nicht gerechtfertigt sei.

9 Zur Begründung der durch den Senat zugelassenen Revision wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Die Frage der langjährigen Tätigkeit könne nicht anhand der gesetzlichen Bestimmungen der ehemaligen DDR ausgelegt werden. Durch die schematische Anwendung der 10-Jahresfrist werde gerade der Personenkreis besonders benachteiligt, der nach der Repressionsmaßnahme noch lange Zeit auf dem Gebiet der DDR habe verweilen müssen, während diejenigen, die ihren Ausreiseantrag spät gestellt hätten oder früh hätten ausreisen dürfen, der Willkür durch Zufall entkommen seien. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sei keine starre Regel festzulegen. Entscheidend sei vielmehr, ob die Fähigkeiten zur Berufsausübung durch langjährige Berufserfahrung erworben worden seien. Eine langjährige Tätigkeit im Sinne des beruflichen Rehabilitationsgesetzes sei schon bei über acht Jahren Berufstätigkeit in der höheren Qualifikationsstufe und vorangegangenen vier Jahren Teilzeitarbeit in der höheren Qualifikationsstufe anzunehmen.

10 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Im Regelfall sei davon auszugehen, dass für eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 1 aufgrund langjähriger Berufserfahrung, also nach Satz 2 der Anlage 13 zum SGB VI, eine entsprechende Tätigkeit von mehr als zehn Jahren erforderlich sei. Darüber hinaus hätte das Verwaltungsgericht überhaupt keine Qualifikationsgruppeneinstufung auf dieser Basis in Betracht ziehen dürfen. Es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Tätigkeit eines Sonderschullehrers in der Regel einen Hochschulabschluss vorausgesetzt und damit immer eine höherwertige Tätigkeit dargestellt habe. Eine Einstufung aufgrund entsprechender Berufserfahrung scheitere zudem an den tatsächlichen Beschäftigungsbedingungen, denn die Klägerin sei - vor Wirksamwerden der Verfolgungsmaßnahme - niemals als Hochschulabsolventin angestellt, entlohnt und versichert worden.

II

11 Die Revision ist nicht begründet, da das angefochtene Urteil nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 1 nicht erfüllt und daher die Rücknahme des insoweit rechtswidrigen Bescheids rechtmäßig war.

12 1. Die ursprüngliche Bescheinigung vom 26. Januar 2000 war, wie § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG für ihre Rücknahme zunächst voraussetzt, rechtswidrig. Nach § 17 Abs. 1 und § 22 Abs. 1 BerRehaG hat ein Antragsteller im beruflichen Rehabilitierungsverfahren Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung zur Vorlage beim Rentenversicherungsträger, deren Inhalt durch § 22 Abs. 1 Ziffer 1 bis 6 BerRehaG festgelegt ist. § 22 Abs. 1 Nr. 6 BerRehaG verpflichtet die Rehabilitierungsbehörde dazu, für einen von ihr festgestellten Verfolgungszeitraum eine sozialversicherungspflichtige Berufstätigkeit zu fingieren, die ohne die Verfolgung ausgeübt worden wäre. Außerdem hat sie nach § 22 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe b BerRehaG die fingierte Tätigkeit durch eine Einstufung in eine Qualifikationsgruppe der Anlage 13 und die Zuordnung zu einem Wirtschaftsbereich der Anlage 14 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) näher zu konkretisieren. Nach Satz 1 der Anlage 13 SGB VI kann die Einstufung aufgrund der Erfüllung der jeweiligen Qualifikationsmerkmale der jeweiligen Qualifikationsgruppe und Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit erfolgen. Auf dieser Grundlage kann die Klägerin nicht in die Gruppe 1 eingestuft werden, denn dazu wäre der erfolgreiche Abschluss eines Hochschulstudiums erforderlich. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht. Sie hat lediglich eine Fachschulausbildung absolviert. Nach Satz 2 der Anlage 13 SGB VI kann die Klägerin ebenfalls nicht in die Gruppe 1 eingestuft werden, da sie auch die dort geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt.

13 a) Die Klägerin hat nicht - wie dort gefordert wird - aufgrund langjähriger Berufserfahrung die Fähigkeiten erworben, die üblicherweise denen von Versicherten der Qualifikationsgruppe 1, also von Hochschulabsolventen entsprechen. Die Tätigkeit, auf die sie sich beruft und die nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts regelmäßig einen Hochschulabschluss voraussetzte, war nicht „langjährig“ im Sinne der genannten Bestimmung.

14 Das Tatbestandsmerkmal der „langjährigen Berufserfahrung“, das die formalen Qualifikationsmerkmale des Satzes 1 ersetzt, wird in der Anlage 13 zum SGB VI nicht definiert. Die Formulierung lässt zwar erkennen, dass es sich um einen Zeitraum von mehreren Jahren handeln muss. Indessen ist eine genaue zeitliche Eingrenzung der zu fordernden Mindestzeit aus dem Wortlaut allein nicht herzuleiten (vgl. schon BSG, Urteil vom 10. Juli 1985 - 5a RKn 15/84 - zum Begriff „langjährige Beschäftigung“ im Fremdrentengesetz). Aus dem Erfordernis, dass die durch die Berufstätigkeit erworbenen Fähigkeiten denen der schon durch ihre Ausbildung höher Qualifizierten entsprechen müssen, lassen sich jedoch verschiedene Gesichtspunkte ableiten, die eine Konkretisierung des Begriffs der langjährigen Berufserfahrung ermöglichen.

15 Der Betroffene muss die höherwertige Tätigkeit während eines Zeitraumes ausgeübt haben, der ausreicht, die für eine vollwertige Berufsausübung erforderlichen theoretischen und praktischen Befähigungen auch ohne formelle Ausbildung zu vermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 2003 - B 4 RA 26/02 R - SozR 4 - 2600 - § 256b Nr. 1). Daraus folgt, dass dieser Zeitraum nicht für alle Berufe und nicht für alle Qualifikationsgruppen einheitlich bestimmt werden kann; vielmehr sind die Anforderungen je nach dem ausgeübten Beruf zu differenzieren (ebenso BSG, Urteile vom 14. Mai 2003 a.a.O., vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 61/02 R - und vom 23. September 2003 - B 4 RA 48/02 R -).

16 Weiter ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts festzuhalten, dass die erforderlichen Fähigkeiten im Wege der Berufsausübung jedenfalls nicht schneller erworben werden können als durch eine formale Berufsausbildung (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 2003 a.a.O. unter Hinweis auf Urteil vom 10. Juli 1985 - 5a RKn 15/84 - SozR 5050 § 22 Nr. 17). Die Zeit, die eine solche Ausbildung benötigt, bildet die Untergrenze für die Anerkennung der Gleichwertigkeit der durch Berufausübung erworbenen Fähigkeiten.

17 Der Zeitraum, der jenseits dieser Untergrenze zum Erwerb der vollwertigen Berufsqualifikation notwendig ist, hängt zum einen von den individuellen Möglichkeiten des Berufstätigen ab. Zum anderen können sich auch aus den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Berufs Unterschiede ergeben. Unabhängig davon lässt sich jedoch generell feststellen, dass der Erwerb der für die vollwertige Berufsausübung erforderlichen Fähigkeiten durch praktische Berufstätigkeit in aller Regel wesentlich länger dauert als eine auf diesen Beruf ausgerichtete formale Ausbildung. Das ergibt sich schon daraus, dass die Berufsausbildung konzentriert und kompakt die Vermittlung genau dieser Fähigkeiten zum Gegenstand und zum Ziel hat. Bei der Methode des Lernens durch Handeln ist es dagegen häufig eine Frage des Zufalls, ob und wann der Betroffene mit bestimmten außerhalb der Routine liegenden, aber deshalb nicht unwichtigen Problemen seines Berufs konfrontiert wird. Es liegt auch auf der Hand, dass die Erarbeitung eigener Lösungen in einem solchen Fall mehr Zeit in Anspruch nimmt als das Erlernen solcher Lösungen im Rahmen einer dafür vorgesehenen Ausbildung. Die Rentenversicherer haben daraus die Regel abgeleitet, dass der Zeitraum, in dem eine höherwertige Qualifikation ohne die vorgeschriebene Ausbildung aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworben werden kann, im Allgemeinen doppelt so lang ist wie die Regelausbildungszeit bzw. die Regelstudienzeit (vgl. Hohl, AmtlMittLVA Rheinpr 2004, 67, 69; vgl. auch Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI, K § 256b Rn. 30). Dem schließt sich der Senat an. Diese Formel trägt vorbehaltlich gravierender Umstände im Einzelfall, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, den Unterschieden zwischen den beiden Wegen, die für eine vollwertige Berufsausübung erforderlichen Fähigkeiten zu erweben, in jeder Hinsicht Rechnung.

18 Ausgehend davon erfüllt die Klägerin nicht die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 1. Das Hochschulstudium, das ihr die erforderliche Qualifikation hätte vermitteln können, dauerte regelmäßig fünf Jahre. Nach der oben wiedergegebenen Formel errechnet sich daraus für den Erwerb der entsprechenden Fähigkeiten durch Ausübung des höherwertigen Berufs ein Zeitraum von zehn Jahren. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin aber nur während eines Zeitraumes von acht Jahren und einem Monat durchgängig eine höherwertige Tätigkeit ausgeübt. Das reicht nicht aus.

19 Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, sie dennoch in die höhere Qualifikationsgruppe einzustufen, sind nicht ersichtlich. Ohne Erfolg beruft sie sich darauf, dass sie schon vorher in gewissem Umfang Unterricht in höheren Klassen erteilt habe, der an sich eine Hochschulausbildung vorausgesetzt habe. Da dieser Unterricht jeweils nur einen untergeordneten Teil ihrer Lehrtätigkeit ausmachte, war er für ihre Berufstätigkeit nicht prägend. Im Übrigen würde selbst bei seiner zeitanteiligen Berücksichtigung der erforderliche Zeitraum von zehn Jahren nicht erreicht.

20 Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass sie ohne die Verfolgungsmaßnahme die höherwertige Berufstätigkeit hätte weiterführen und die zehn Jahre hätte erreichen können. Für die hier streitige Einstufung nach Anlage 13 SGB VI ist allein entscheidend, ob bei Beginn der Verfolgung die erforderliche Qualifikation - sei es aufgrund einer entsprechenden Ausbildung oder aufgrund langjähriger Berufserfahrung - vorlag oder nicht.

21 b) Darüber hinaus scheitert eine Einstufung der Klägerin in die Qualifikationsgruppe 1 daran, dass sie vor Beginn der Verfolgung in der DDR zu keiner Zeit nach ihren Beschäftigungsbedingungen, insbesondere nach ihrer Vergütung, wie eine Lehrerin mit Hochschulabschluss eingestuft worden ist. Sie ist nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts stets lediglich nach Vergütungsgruppe III entlohnt worden, die nach § 3 Abs. 1 der Vereinbarung über die Vergütung der Tätigkeit der Lehrer und Erzieher vom 20. März 1970 (VuM S. 115) i.d.F. des 4. Nachtrags vom 24. Juli 1973 (VuM S. 118) für Lehrer und Erzieher mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung vorgesehen war. Das reicht nach Satz 2 der Anlage 13 SGB VI nicht aus.

22 Satz 1 der Anlage 13 SGB VI verlangt neben der formalen Qualifikation für die Einordnung in eine Qualifikationsgruppe die Ausübung einer „entsprechenden Tätigkeit“. Satz 2 ersetzt die formale Qualifikation durch den Erwerb entsprechender Fähigkeiten aufgrund langjähriger Berufserfahrung. Aus der Systematik beider Sätze ergibt sich, dass auch bei einem Verzicht auf die förmliche Qualifikation das Erfordernis der „entsprechenden Tätigkeit“ gleichwohl erfüllt sein muss. Demgemäß setzt auch das Bundessozialgericht für die Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage nach § 256b SGB VI in Verbindung mit den Anlagen 13 und 14 SGB VI bei einer Einstufung nach Satz 2 der Anlage 13 voraus, dass der Betroffene tatsächlich eine Tätigkeit ausübte, welche die Merkmale der höhere Qualifikationsgruppe erfüllt (vgl. Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 61/02 R -).

23 Das Verwaltungsgericht versteht unter einer solchen entsprechenden Tätigkeit eine Tätigkeit, die im Allgemeinen von Personen mit Hochschulabschluss wahrgenommen wird. Dies greift jedoch zu kurz. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit in der DDR entsprechend eingestuft worden ist. Das ergibt sich aus der Überlegung, dass die berufliche Rehabilitierung dem Betroffenen die Position erhalten soll, die ihm durch die Verfolgung entzogen worden ist. Die Regelungen des Gesetzes knüpfen deshalb an die berufliche Tätigkeit an, die vom Verfolgten zum Zeitpunkt des Eintritts der Verfolgung ausgeübt wurde (vgl. Urteil vom 12. Februar 1998 - BVerwG 3 C 25.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 11). Eine Besserstellung gegenüber dem Status, den er bis zum Eintritt der Verfolgung hatte, ist dagegen nicht beabsichtigt. Dies bedeutet, dass die Klägerin im Rahmen der Rehabilitierung keine bessere Einstufung erhalten kann als die, die sie bei Verfolgungsbeginn hatte. Dies war die einer Lehrerin mit Fachschulabschluss. Diese Einstufung ist bestimmend für die Bemessung ihrer Rentenansprüche aus der Zeit der Ausübung des Lehrerberufs. Für die darauf folgende Verfolgungszeit kann nichts anderes gelten. Ob die Klägerin irgendwann die Möglichkeit einer Hochstufung - etwa nach Absolvierung einer Zusatzausbildung - gehabt hätte, spielt keine Rolle. Für die Berücksichtigung bloß hypothetischer Aufstiegsmöglichkeiten ist im Rahmen der beruflichen Rehabilitierung kein Raum (vgl. Urteil vom 12. Februar 1998 a.a.O.).

24 Dieser Auslegung stehen weder gesetzessystematische noch verfassungsrechtliche Einwände entgegen. Richtig ist zwar, dass das Gesetz über die berufliche Rehabilitierung dem Zweck dient, den Verfolgten in versorgungsrechtlicher Hinsicht so zu stellen, als sei die Verfolgung nicht eingetreten, um so das vom SED-Staat begangene Unrecht nicht fortwirken zu lassen (vgl. BTDrucks 12/4994 S. 49). Bei diesem Bestreben ist der Gesetzgeber aber nicht so weit gegangen, jeden durch die Verfolgung entstandenen Nachteil auszugleichen. Die Schutzwirkung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ist vielmehr auf Eingriffe in eine begonnene, zur Zeit des Eingriffs tatsächlich ausgeübte Berufstätigkeit sowie auf die Fälle der Verhinderung, einen erlernten Beruf auszuüben oder eine Ausbildung abzuschließen, begrenzt. Diese gesetzliche Beschränkung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber hat damit den Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zur Regelung der Unrechtsbereinigung nicht überschritten. Zwar erwächst der staatlichen Gemeinschaft aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) die Pflicht, Lasten mitzutragen, die ihre Ursache in schicksalhaften Umständen haben, von denen einzelne Teile der Bevölkerung betroffen wurden (vgl. hierzu auch die Rechtsprechung des Senats zum Lastenausgleichsrecht im Urteil vom 19. Juni 1997 - BVerwG 3 C 20.97 -). Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber mit der Schaffung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes jedoch hinreichend nachgekommen. Dass er als Maßstab für den Umfang der Ausgleichsleistungen die berufliche Qualifikation bestimmt hat, ist schon unter Berücksichtigung der in der Regel leichteren Feststellbarkeit der Grundlagen und damit der Reduzierung eines erheblichen Verwaltungsaufwandes sowie der Unsicherheit von hypothetischen Feststellungen über sonstige mögliche Berufsentwicklungen nicht sachwidrig (vgl. hierzu Urteil vom 12. Februar 1998 a.a.O.).

25 2. Der Änderung der Bescheinigung vom 26. Januar 2000 stand die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht entgegen. Die Auffassung der Klägerin, die Frist beginne schon während des Verwaltungsverfahrens zu laufen, wenn die Tatsachen, auf die die Rücknahme gestützt werde, bereits im Antrag auf Erlass des Verwaltungsakts genannt worden und damit der Behörde bekannt gewesen seien, geht an Wortlaut und Zweck der Regelung vorbei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beginnt die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst, wenn die für die Rücknahme zuständige Behörde die Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr. Sen. 1 und 2.84 - BVerwGE 70, 356; Urteil vom 17. Februar 1993 - BVerwG 11 C 47.92 - BVerwGE 92, 81, 87 f.; Urteil vom 19. Dezember 1995 - BVerwG 5 C 10.94 - BVerwGE 100, 199, 201 ff.). § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erfasst somit auch den Fall, dass die Behörde bei voller Kenntnis des entscheidungserheblichen Sachverhalts unrichtig entschieden hat (Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr. Sen. 1 und 2.84 - BVerwGE 70, 356, 358). Maßgebend für den Fristbeginn ist daher nicht die Kenntnis von dem für den Erlass des Verwaltungsakts entscheidungserheblichen Sachverhalt, sondern - neben den übrigen für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen - die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts. Eine andere Auslegung des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheids schon vor seinem Erlass ausgeschlossen sein könnte.

26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.