Beschluss vom 27.08.2003 -
BVerwG 4 B 73.03ECLI:DE:BVerwG:2003:270803B4B73.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.08.2003 - 4 B 73.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:270803B4B73.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 73.03

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 13.02.2003 - AZ: OVG 1 L 154/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 279 € festgesetzt.

Die auf alle Zulassungstatbestände des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Rechtssache hat nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob der Verkauf eines Grundstücks und der damit verbundene Eigentumswechsel zur Folge hat, dass eine gegenüber dem Voreigentümer erlassene und bestandskräftige Nutzungsuntersagung eines Gebäudes auf diesem Grundstück auch gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger wirkt. Dieses Vorbringen rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil damit keine Frage des revisiblen Rechts angesprochen ist. Nach der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vorschrift des § 232 Abs. 1 Nr. 2 LVwG kann im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung als Pflichtiger in Anspruch genommen werden der Rechtsnachfolger des Adressaten eines Verwaltungsaktes, soweit dieser Verwaltungsakt gegen ihn wirkt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht für die Nutzungsuntersagung vom 22. Januar 1975 wegen deren Objektbezogenheit bejaht. Zu dieser Auffassung ist es in Auslegung und Anwendung des einschlägigen Landesrechtes, nämlich des Bauordnungsrechts und des Verwaltungsvollstreckungsrechts, gelangt. Ein bundesrechtlicher Bezug besteht nicht. Daran ändert auch der Hinweis der Beschwerdebegründung nichts, dass sich eine gleichartige Rechtsfrage bei der Auslegung und Anwendung des bundesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsrechts stelle. Auch das im angefochtenen Urteil zitierte und von der Beschwerde mehrfach angesprochene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 1971 - BVerwG IV C 62.66 - (BRS Band 24 Nr. 193) betont übrigens, dass es sich bei seinen einschlägigen Ausführungen um eine Frage des - dort niedersächsischen - Landesrechts handele.
b) Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich, dass wegen fehlenden bundesrechtlichen Bezuges eine Zulassung der Revision auch nicht mit Blick auf die Frage in Betracht kommt, ob es für die Übergangsfähigkeit einer Verpflichtung aus einer Ordnungsverfügung unerheblich ist, ob der ursprüngliche Adressat als Handlungs- oder als Zustandsstörer in Anspruch genommen wurde.
c) Zu Unrecht bezeichnet die Beschwerde die Frage als grundsätzlich bedeutsam, ob das Vorliegen von Indizien zu einer Beweislastumkehr bei der Geltendmachung von Gegenrechten führt, wenn eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für einen in Anspruch genommenen Einzelrechtsnachfolger wegen des zeitlich weit zurückliegenden entscheidungserheblichen Sachverhalts unzumutbar ist. Dieses Vorbringen kann schon deshalb nicht zu einer Zulassung der Revision führen, weil Fragen der Beweislast in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wären.
Das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass Einwendungen des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der unanfechtbar gewordenen Nutzungsuntersagung vom 22. Januar 1975 nur dann rechtliche Bedeutung für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung haben können, wenn sich die für die Untersagungsverfügung maßgebende Sach- und Rechtslage nachträglich geändert hätte. Eine solche Änderung verneint das Gericht (UA S. 7). Es setzt sich dabei mit dem Vortrag des Klägers (vgl. insbesondere den Schriftsatz vom 16. August 2002, S. 7 ff.) auseinander, die nach 1945 aufgenommene Nutzung des Gebäudes zu Wohn- und Aufenthaltszwecken sei in Übereinstimmung mit den seinerzeit gültigen baurechtlichen Vorschriften erfolgt und damit baurechtlich zulässig gewesen; einer ausdrücklichen Baugenehmigung habe es damals nicht bedurft (vgl. Schriftsatz vom 16. August 2002, S. 13).
Dieses Vorbringen war von vornherein ungeeignet, eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage in Bezug auf die Nutzungsuntersagung vom 22. Januar 1975 darzutun. In dem die Anfechtungsklage der Rechtsvorgängerin des jetzigen Klägers betreffenden - in den von der Vorinstanz beigezogenen Gerichtsakten enthaltenen - Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 23. Oktober 1978 - I OVG A 153/76 und 154/76 - ist ausgeführt, dass die fragliche Nutzungsänderung nach dem damals maßgebenden Rechtszustand einer Baugenehmigung bedurft hätte, diese Genehmigung indes nicht erteilt worden ist und wegen der materiellen Baurechtswidrigkeit der geänderten Nutzung auch nicht hätte erteilt werden können (vgl. auch den die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 1979 - BVerwG 4 B 4.79 -). Das nunmehrige Vorbringen des Klägers erweist sich mithin nur als der Versuch, die damals maßgebende Rechtslage anders als das Oberverwaltungsgericht Lüneburg darzustellen, nämlich zu behaupten, eine förmliche Baugenehmigung sei seinerzeit nicht erforderlich gewesen, vielmehr habe es für die formelle Legalität des Vorhabens genügt, wenn die Nutzungsänderung "in Übereinstimmung mit den seinerzeitigen gültigen baurechtlichen Vorschriften erfolgte" (so Beschwerdebegründung S. 12). Mit einem derartigen Einwand gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung vom 22. Januar 1975 kann der Kläger in dem Verfahren der Verwaltungsvollstreckung nicht mehr gehört werden.
d) Aus den unter Abschnitt 1. c) gemachten Ausführungen folgt, dass die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch nicht durch die von der Beschwerde aufgeworfene Frage gerechtfertigt werden kann, ob ein Verwaltungsgericht von einer weiteren Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts absehen darf, wenn Indizien für die Richtigkeit einer behaupteten streitigen Tatsache sprechen, das Gericht jedoch die Ergiebigkeit eines angebotenen Beweismittels bezweifelt.
2. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist gleichfalls unbegründet. Das angefochtene Urteil weicht nicht vom dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 1971 a.a.O. ab. Abgesehen davon, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sich bei der Frage, ob eine Beseitigungsanordnung auch gegenüber dem Rechtsnachfolger wirkt, mit dem - hier nicht in Rede stehenden - niedersächsischen Landesrecht befasst, enthält sie auch keinen Rechtssatz, von dem das Oberverwaltungsgericht hätte abweichen können. Denn die Frage, ob die Wirkungen einer Beseitigungsanordnung auch den Einzelrechtsnachfolger treffen, wird im Urteil vom 22. Januar 1971 a.a.O. gerade nicht abschließend beantwortet.
3. Das angefochtene Urteil leidet nicht an dem behaupteten Verfahrensmangel unzulänglicher Aufklärung (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO).
Von allem anderen abgesehen hat das Oberverwaltungsgericht seine Aufklärungspflicht schon deshalb nicht verletzt, weil seine Ausführungen zur fehlenden Notwendigkeit, die beantragten Beweise zu erheben (Urteilsabdruck S. 7 f.), nicht entscheidungstragend sind. Maßgebend ist die Erwägung des Berufungsurteils, die Sach- und Rechtslage habe sich nicht nachträglich geändert; eine solche Änderung ergebe sich - schon zeitlich gesehen - nicht aus den vom Kläger vorgelegten Kopien des Entwurfs für den Einbau von vier Wohnungen und einen Dienstraum in einem ehemaligen massiven Unterkunftsgebäude und des Lageplans aus dem Jahr 1948 (Urteilsabdruck S. 7). Das Oberverwaltungsgericht hat also die Rechtserheblichkeit des Vorbringens des Klägers bereits mit der Begründung verneint, die betreffenden Unterlagen und Vorgänge bezögen sich auf die Sach- und Rechtslage vor bzw. bei Erlass der Untersagungsverfügung vom 22. Januar 1975. Dementsprechend stellen sich die nachfolgenden Erwägungen, wie auch die Formulierung "im Übrigen" deutlich macht, als obiter dictum dar. Von einer weiteren Begründung sieht der beschließende Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.