Beschluss vom 27.11.2007 -
BVerwG 10 B 119.07ECLI:DE:BVerwG:2007:271107B10B119.07.0

Beschluss

BVerwG 10 B 119.07

  • VGH Baden-Württemberg - 30.05.2007 - AZ: VGH A 2 S 64/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. November 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Richter
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. Mai 2007 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Er legt einen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

3 1. Die Beschwerde beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und hält für klärungsbedürftig, ob „die baden-württembergische Erlasslage ein ausreichendes Abschiebungsverbot im Sinne des § 16 Abs. 7 Satz 1 (gemeint wohl: § 60 Abs. 7 Satz 1) AufenthG“ biete. Die Beschwerde erkennt zwar an, dass die Erlasslage in Baden-Württemberg einen Iraker wie den Kläger vor einer Abschiebung schütze. Dies gelte aber nur so lange, bis ein Direktflug in den kurdischen Teil möglich sei. Die Erlasslage schütze aber keinen Ausländer, der sich - wie der Kläger - vor Blutrache zu fürchten habe. Blutrache werde auch noch viele Jahre nach dem Geschehnis vollzogen. Eine solche Gefahr werde vom Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG umfasst. Der klageabweisende Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs werde dem Schutzbedürfnis des Klägers nicht gerecht.

4 Mit diesem Vorbringen wirft die Beschwerde nicht, wie dies für eine Grundsatzrüge erforderlich ist, eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Soweit die Beschwerde sich auf die Frage beziehen sollte, ob auch bei unmittelbarer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen einer individuellen Gefahr (hier: einer befürchteten Blutrache) die Feststellung eines Abschiebungsverbots wegen eines gleichwertigen Schutzes etwa durch einen Abschiebestopperlass versagt werden kann, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Denn diese Frage ist ohne Weiteres zu verneinen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließt ein anderweitiger vergleichbarer Schutz vor Abschiebung durch eine ausländerrechtliche Erlasslage oder eine Duldung nur bei der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (früher § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) in Fällen allgemeiner Gefahren die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach dieser Bestimmung aus (vgl. etwa Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 2.01 - BVerwGE 114, 379 <386>, Beschluss vom 23. August 2006 - BVerwG 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19). Bei unmittelbarer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen ausschließlich individueller Gefahren kommt es deshalb auf einen etwaigen anderweitigen Abschiebungsschutz durch eine ausländerrechtliche Erlasslage oder eine Duldung nicht an. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof in dem angefochtenen Beschluss den Kläger hinsichtlich der behaupteten individuellen Bedrohung durch Blutrache gar nicht auf den durch Erlass geregelten Abschiebungsstopp verwiesen, sondern hat eine solche Gefährdung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter Hinweis auf die Möglichkeit des Klägers verneint, seinen Aufenthalt in einem Gebiet des kurdisch regierten Landesteils zu nehmen, der außerhalb des Einflussbereichs der Familie liegt, deren Blutrache er befürchtet (BA S. 10). Auf die ausländerrechtliche Erlasslage in Baden-Württemberg, die einen gleichwertigen Abschiebungsschutz vermittle, hat sich der Verwaltungsgerichtshof nur im Rahmen der Prüfung allgemeiner Gefahren gestützt, die dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak drohen.

5 Unter welchen Voraussetzungen eine ausländerrechtliche Erlasslage dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung im Sinne der Rechtsprechung zur verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vermittelt, ist ebenfalls bereits rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. die oben zitierten Entscheidungen). Einen weitergehenden oder erneuten rechtlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

6 2. Die Beschwerde rügt des Weiteren einen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Dieser soll darin liegen, dass sich das Gericht nicht eingehend genug mit der vom Kläger vorgetragenen Gefahr der Blutrache befasst und den Kläger nicht angehört habe, um sich ein ausreichendes Bild davon zu machen, wie konkret die Gefahr sei. Dieses Vorbringen genügt nicht den Anforderungen, die gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines Verfahrensmangels zu stellen sind. Sofern man den Vortrag als Rüge mangelnder Sachaufklärung versteht (§ 86 Abs. 1 VwGO), verlangt diese die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Keine dieser Voraussetzungen erfüllt die Beschwerde. Insbesondere geht sie nicht darauf ein, dass sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf den Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs, durch Beschluss nach § 130a VwGO entscheiden zu wollen, mit einem solchen Verfahren ohne mündliche Verhandlung und damit auch ohne Anhörung des Klägers ausdrücklich einverstanden erklärt und keine weitere Aufklärung zur Gefahr der Blutrache beantragt hat (Schriftsatz vom 14. Februar 2007). Aus diesem Grund ist auch eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht dargelegt.

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.