Beschluss vom 28.07.2004 -
BVerwG 7 B 42.04ECLI:DE:BVerwG:2004:280704B7B42.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.07.2004 - 7 B 42.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:280704B7B42.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 42.04

  • VG Dresden - 15.12.2003 - AZ: VG 6 K 407/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Juli 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y , K r a u ß und
N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 15. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 483 170,83 € festgesetzt.

Die Klägerin beansprucht die Rückübertragung eines Grundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil es sich bei dem seinerzeitigen Eigentumsübergang auf die Versicherungsanstalt des Landes Sachsen um eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage gehandelt habe, für die nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG das Vermögensgesetz nicht gelte.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, noch ist der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügte Verfahrensmangel erkennbar.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht die Klägerin darin, dass sie in der Anlage 1 der Zweiten Verordnung zur Ergänzung und Ausführung der Verordnung vom 11. Oktober 1945 über die Gründung der Versicherungsanstalt des Bundeslandes Sachsen vom 29. November 1945 nicht aufgeführt worden sei, diese Verordnung sich auf die im Bundesland Sachsen ansässigen privaten Versicherungsunternehmen bezogen habe sowie ihrem Inhalt nach an die Verordnung vom 11. Oktober 1945 anknüpfe und das Verwaltungsgericht dennoch eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage annehme; die Überzeugung des Verwaltungsgerichts, dass die Enteignung am 6. Oktober 1948 in exzessiver Auslegung der dargestellten Rechtsgrundlagen oder deren willkürlicher Anwendung erfolgt sei, lasse die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht entfallen.
Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird durch dieses Vorbringen nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargetan. Die Klägerin formuliert keine konkrete klärungsbedürftige und klärungsfähige, über den Fall hinausweisende Rechtsfrage. Sie bringt lediglich zum Ausdruck, dass sie die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die genannten Rechtsnormen seien exzessiv oder willkürlich angewendet worden und die Enteignung damit noch vom Tatbestand des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG erfasst (vgl. dazu Urteil vom 28. Juli 1994 - BVerwG 7 C 14.94 - BVerwGE 96, 253 <257> unter Berufung auf BVerfGE 84, 90 <115>), nicht teilt. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich daraus nicht.
Ebenso erfolglos bleibt die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge. Gerade weil das Verwaltungsgericht von einer exzessiven Auslegung oder willkürlichen Anwendung der für die Enteignung herangezogenen Rechtsgrundlagen ausgegangen ist und dennoch eine die Restitution ausschließende Inanspruchnahme auf besatzungshoheitlicher Grundlage angenommen hat, musste es keine Veranlassung haben, der Frage weiter nachzugehen, ob auf das Eigentum der Klägerin bei korrekter Handhabung der in Rede stehenden Rechtsnormen hätte zugegriffen werden dürfen.
Schließlich ergibt sich auch kein Revisionszulassungsgrund im Hinblick auf die von der Klägerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Fragen. Dass der Restitutionsausschluss nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG verfassungsmäßig ist, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (zuletzt grundlegend BVerfGE 94, 12 <35 ff.> m.w.N.). Konkrete Tatsachen, die geeignet sind, die tatsächlichen Grundlagen der hierzu ergangenen gesetzeskräftigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu erschüttern und den Weg zu einer erneuten Befassung mit der Verfassungsmäßigkeit des Restitutionsausschlusses frei zu machen, nennt die Klägerin nicht. Der bloße Hinweis auf die Thesen einer zu diesem Thema verfassten Dissertation reicht dazu nicht aus.
Soweit die Klägerin eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention rügt, weil das Verwaltungsgericht ihr wegen ihrer Eigenschaft als juristische Person die Anspruchsberechtigung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz versagt habe, ergibt sich ebenfalls kein Klärungsbedarf, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass von der Besatzungsmacht gebilligte Maßnahmen, durch die ein Eigentümer vollständig und endgültig aus seinem Eigentum in der sowjetischen Besatzungszone verdrängt wurde, keine Entziehung des Eigentums im Sinne dieser Vorschrift der Europäischen Menschenrechtskonvention sind; denn diese Bestimmung entfaltet keine Rückwirkung und kann daher auf vor In-Kraft-Treten der EMRK und vor Ratifizierung des Protokolls durchgeführte Maßnahmen keine Anwendung finden (Beschluss vom 15. Februar 2002 - BVerwG 7 B 81.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 21; Beschluss vom 18. April 2002 - BVerwG 8 B 9.02 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 9). Soweit sich die Klägerin demgegenüber auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 22. Januar 2004 - 46220/99, 72203/01 und 72552/01 - (VIZ 2004, 166) beruft, verkennt sie, dass es sich dort um den Verlust einer unter der Herrschaft der Bundesrepublik Deutschland bereits bestehenden Eigentumsposition handelte, während die Klägerin die Wiedereinräumung von Eigentum anstrebt, das zu Zeiten der sowjetischen Besatzung entzogen worden ist.
Soweit die Klägerin beantragt, die Sache dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorzulegen und dazu bestimmte Fragen formuliert, ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Rechtsnormen eine solche Vorlagemöglichkeit, geschweige denn -pflicht bestehen soll. Was die hilfsweise angesprochene Vorlage an den Europäischen Gerichtshof betrifft, so zeigt die Klägerin nicht einmal ansatzweise auf, welchen europarechtlichen Bezug die Nichtberücksichtigung von juristischen Personen bei der Anspruchsberechtigung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz aufweist (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung vgl. BVerfGE 102, 254 <319>), der in einem Revisionsverfahren Veranlassung bieten könnte, eine Vorabentscheidung nach Art. 234 des EG-Vertrages einzuholen.
Im Hinblick auf das oben Ausgeführte sieht der Senat auch keine Veranlassung, den Rechtsstreit im Hinblick auf beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängige Verfahren zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz gemäß § 94 VwGO auszusetzen.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.