Beschluss vom 28.10.2003 -
BVerwG 7 B 91.03ECLI:DE:BVerwG:2003:281003B7B91.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.10.2003 - 7 B 91.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:281003B7B91.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 91.03

  • VG Greifswald - 25.06.2003 - AZ: VG 5 A 1235/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Oktober 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
  3. Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen nach dem Vermögensgesetz die Rückgabe des im Zuge der Bodenreform enteigneten Ritterguts und Schlosses ... Der Eigentümer Graf ..., ein schwedischer Staatsangehöriger, veräußerte das Gut im August 1933 an seine Tochter Freifrau ..., die im Jahr 1927 durch Heirat deutsche Staatsangehörige geworden war und Ende 1947 die schwedische Staatsangehörigkeit zurück erwarb. Graf ... übte am 14. Juni 1945 sein Recht zum Wiederkauf des Guts ... aus, zu dessen Sicherung im März 1944 eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen worden war. Die Ausübung des Wiederkaufsrechts führte nicht mehr zur Eigentumsumschreibung.
Der Beklagte lehnte den Restitutionsantrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Gut und Schloss ... seien auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden und darum von der Rückgabe ausgeschlossen (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG). Das generelle Verbot der Enteignung ausländischen Vermögens greife nicht ein, da Graf ... durch Ausübung des Wiederkaufsrechts weder Eigentümer geworden sei noch ein Anwartschaftsrecht erlangt habe. Das Schloss ... sei von der Veräußerung des Guts nicht ausgenommen gewesen.
Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerinnen hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das durch eine Vormerkung gesicherte Wiederkaufsrecht einen Vermögenswert i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 VermG darstellt, müsste in einem Revisionsverfahren nicht beantwortet werden; denn selbst wenn sie zu bejahen wäre, käme von vornherein weder die mit der Klage geltend gemachte Rückübertragung der betroffenen Vermögenswerte noch eine Wiedereintragung der Vormerkung in Betracht. Ein vermögensrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums kann sich aus dem vorgemerkten Wiederkaufsrecht nicht ergeben, da es nicht Aufgabe des Vermögensrechts ist, die Erfüllung oder den Vollzug eines nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zwischen den Vertragsbeteiligten nicht beendeten Rechtsgeschäfts zu bewirken (vgl. Beschluss vom 24. Februar 1995 - BVerwG 7 B 23.95 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 9). Eine Rückgabe, d.h. eine Wiedereintragung, der Vormerkung scheidet jedenfalls immer dann aus, wenn - wie hier - das gleichzeitig geschädigte Volleigentum nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG von der Rückübertragung ausgeschlossen ist; denn in diesem Fall ist auch der gegenüber dem Alteigentümer bestehende Eigentumsverschaffungsanspruch endgültig untergegangen.
2. Das angegriffene Urteil leidet nicht an den geltend gemachten Verfahrensmängeln (§ 133 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Zu Unrecht sieht die Beschwerde einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) darin, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, das Schloss ... habe im Zeitpunkt der Bodenreformenteignung ebenso wie das zugehörige Gut im Eigentum der Freifrau ... gestanden. Nach Ansicht der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht die Tatsache nicht berücksichtigt, dass nach einer Vermögensaufstellung des Rechtsanwalts ... vom 11. August 1947 das Schloss in Blatt 1 des Grundbuchs von ... eingetragen gewesen und dem Grundbuchblatt 2, in dem das Gut eingetragen war, im Dezember 1933 der Bestand des ehemaligen Blatts 17 zugeschrieben worden sei; das könne nur so verstanden werden, dass das Schloss, falls Graf ... es an seine Tochter mitveräußert haben sollte, ebenfalls dem Grundbuchblatt 2 zugeschrieben worden wäre. Das Beschwerdevorbringen verkennt, dass das Verwaltungsgericht dieses tatsächliche Vorbringen keineswegs außer Acht gelassen, sondern nur anders als die Kläger gewürdigt hat. Es hat die Aufstellung des Rechtsanwalts ... aus dem Jahr 1947 nicht für hinreichend aussagekräftig gehalten und größere Bedeutung den aktenkundigen Umständen beigemessen, dass - erstens - das Schloss steuerlich zusammen mit zum Gut ... gehörenden Flurstücken veranlagt worden sei, dass - zweitens - anders als mit dem Eigentum der Tochter auch am Schloss nicht vernünftig zu erklären sei, weshalb das von den Klägern behauptete Verbleiben des Schlosses im Eigentum von Graf ... weder im Schriftverkehr im Zusammenhang mit der Bodenreformenteignung noch im Lastenausgleichsverfahren noch im Rahmen der zwischen der DDR und Schweden geführten Verhandlungen über das Abkommen zur Regelung vermögensrechtlicher Fragen geltend gemacht worden sei, und dass - drittens - gegen die Existenz des angeblichen Grundbuchblatts 1 die Tatsache spreche, dass Rechtsanwalt ... mit Ausnahme dieses Blatts von allen übrigen Grundbuchblättern Abschriften gefertigt habe. Diese Sachverhaltswürdigung lässt den von der Beschwerde behaupteten Verfahrensfehler nicht erkennen.
Soweit die Beschwerde bemängelt, die Ablehnung der Rückgabe des Schlosses unter Hinweis auf das Eigentum der Freifrau ... beruhe "auf einer fehlerhaften und die Kläger in ihren Verfahrensrechten verletzenden Einschätzung der Beweislast" durch das Verwaltungsgericht, rügt sie keinen Verfahrensfehler, sondern die Auslegung und Anwendung materiellen Rechts. Im Gegensatz zum Zivilprozess kennt das verwaltungsgerichtliche Verfahren grundsätzlich weder Behauptungslasten noch Beweisführungspflichten, da diese mit dem Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO nicht vereinbar wären; führt die gebotene Aufklärung der entscheidungserheblichen Tatsachen zu keiner eindeutigen Feststellung, ist nach dem materiellen Recht zu beantworten, wer die Folgen dieser Unaufklärbarkeit zu tragen hat. Dies ist grundsätzlich derjenige, der aus einer Norm ihm günstige Folgen herleitet, es sei denn, dass das materielle Recht eine andere Verteilung der Beweislast regelt (vgl. Urteil vom 28. März 1974 - BVerwG 5 C 27.73 - BVerwGE 45, 131 <132>). Hiervon abgesehen hat das Verwaltungsgericht nicht auf der Grundlage der Beweislast, sondern nach richterlicher Überzeugungsbildung entschieden, dass das Schloss im Zeitpunkt der Bodenreformenteignung ebenso wie das Rittergut der Freifrau ... gehört habe.
Auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe der notariellen Urkunde vom 1. März 1946 verfahrensfehlerhaft einen unzutreffenden Inhalt beigemessen, führt nicht zur Zulassung der Verfahrensrevision. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Urkunde keine Auflassung enthalte, weil der Gegenstand der Auflassung nicht genau genug bezeichnet worden sei und die Erschienenen nur erklärt hätten, "den Kaufgegenstand in der Zukunft rückübereignen zu wollen"; ein restitutionsfähiges Anwartschaftsrecht am Vertragsgegenstand hätte Graf ... schon deshalb nicht erworben, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass ein Eintragungsersuchen zum Grundbuchamt gelangt sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Annahmen hinreichend berücksichtigen, dass im Grundbuch bereits eine Vormerkung zur Sicherung des Übereignungsanspruchs eingetragen war. Auch wenn insoweit ein Verfahrensfehler anzunehmen und ein Anwartschaftsrecht entstanden sein sollte, könnte das angegriffene Urteil auf diesem Verfahrensfehler schon deswegen nicht beruhen, weil das Anwartschaftsrecht - wie oben dargelegt - mit der Enteignung des Guts auf besatzungshoheitlicher Grundlage untergegangen wäre und nicht wieder aufleben könnte.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.