Beschluss vom 28.10.2010 -
BVerwG 1 WB 44.10ECLI:DE:BVerwG:2010:281010B1WB44.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.10.2010 - 1 WB 44.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:281010B1WB44.10.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 44.10

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 28. Oktober 2010 beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der 1957 geborene Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Fregattenkapitäns; seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 30. April 2017 enden. Er wird zurzeit auf einem z.b.V.-Dienstposten („dienstpostenähnliches Konstrukt") eines Dezernenten beim ...amt in B. geführt.

2 Das Personalamt der Bundeswehr ordnete mit der angefochtenen Verfügung vom 1. April 2010 die Versetzung des Antragstellers vom Dienstposten eines Ausbildungsstabsoffiziers beim ...amt in B. auf den genannten Dienstposten eines Dezernenten beim ...amt in R. an. Diese Maßnahme beruhte nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung darauf, dass gegen den Antragsteller ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet worden war; wegen der Vorwürfe, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, hatte der Amtschef des ...amtes den Antragsteller am 3. März 2009 gemäß § 126 WDO vorläufig des Dienstes enthoben.

3 Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 29. Juni 2010 legte der Antragsteller Beschwerde gegen die Versetzungsverfügung ein, die das Personalamt anschließend mit Verfügung vom 9. August 2010 aufhob.

4 Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 23. August 2010 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde.

5 Am 31. August 2010 erließ das Personalamt die Anordnung eines Dienstpostenwechsels, mit der der Antragsteller innerhalb des ...amtes B. auf den z.b.V.-Dienstposten eines Dezernenten umgesetzt wurde. Am selben Tag teilte das Personalamt dem Büro der Bevollmächtigten fernmündlich mit, dass die angefochtene Versetzungsanordnung aufgehoben worden sei. Die Aufhebungsverfügung und die Anordnung des Dienstpostenwechsels wurden den Bevollmächtigten am 8. September 2010 per Telefax übermittelt.

6 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat die weitere Beschwerde des Antragstellers als Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gewertet und mit seiner Stellungnahme vom 21. September 2010 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

7 Der Antragsteller hat im Hinblick auf die Aufhebung der angefochtenen Versetzungsverfügung mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. Oktober 2010 den Rechtsstreit „unter Protest gegen die Kosten“ in der Hauptsache für erledigt erklärt.

8 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat mit Schreiben vom 8. Oktober 2010 der Erledigungserklärung des Antragstellers (vorab) zugestimmt und gebeten, gemäß § 20 Abs. 3 WBO über die notwendigen Aufwendungen zu entscheiden.

9 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: .../10 - hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

10 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren gemäß § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für diese Entscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgeblich. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N., vom 2. November 2009 - BVerwG 1 WB 19.09 - und vom 14. Juli 2010 - BVerwG 1 WB 66.09 -).

11 Das Personalamt hat mit Verfügung vom 9. August 2010 die angefochtene Versetzungsverfügung vom 1. April 2010 aufgehoben und der Beschwerde des Antragstellers damit in vollem Umfang abgeholfen. Diese Entscheidung hat das Personalamt von sich aus getroffen, ohne dass sich die Sachlage geändert hatte. Ihm war der Aspekt, dass der Antragsteller durch Anordnung vom 3. März 2009 vorläufig des Dienstes enthoben war, ersichtlich im Zeitpunkt der Versetzungsverfügung vom 1. April 2010 bewusst, weil in der Verfügung ausdrücklich „DA (Dienstantritt) entfällt“ vermerkt ist. Deshalb bestand bereits damals Anlass zu der vom Bundesminister der Verteidigung in seiner Vorlage an den Senat mitgeteilten Erwägung, ob bis auf Weiteres für die Versetzung des Antragstellers an einen anderen Dienstort als B. eine dienstliche Notwendigkeit bestand oder nicht.

12 Bei vollständiger Klaglosstellung oder vollständiger Abhilfe entspricht es nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschlüsse vom 6. November 2007 - BVerwG 1 WB 27.07 -, vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - und vom 2. November 2009 - BVerwG 1 WB 19.09 -) in der Regel der Billigkeit, die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen.

13 Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Aufhebung der Versetzungsverfügung zu einem Zeitpunkt erfolgt und durch Bekanntgabe an den Antragsteller wirksam geworden wäre (zur Bekanntgabe vgl. Beschluss vom 25. März 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 4.08 - Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 6), in dem die nachfolgende Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes entbehrlich gewesen wäre. Dann hätte für einen Antrag auf wehrdienstgerichtliche Entscheidung das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gefehlt. Diese Voraussetzung ist hier indessen nicht erfüllt.

14 Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 23. August 2010 war als (Untätigkeits-)Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen eine unterbliebene Beschwerdeentscheidung des insoweit gemäß § 9 Abs. 1 WBO zuständigen Bundesministers der Verteidigung zu qualifizieren und zulässig (vgl. zu den Voraussetzungen: Beschlüsse vom 4. März 2004 - BVerwG 1 WB 32.03 - insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 120, 188 = Buchholz 403.11 § 20 BDSG Nr. 1 = NZWehrr 2007, 165 und vom 20. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 65.08 -). Dass die Aufhebungsverfügung vom 9. August 2010 dem Antragsteller vor Eingang des Antrags auf gerichtliche Entscheidung beim Bundesminister der Verteidigung (am 24. August 2010) schon bekannt gegeben war, hat der Bundesminister der Verteidigung - auf die entsprechende gerichtliche Rückfrage vom 6. Oktober 2010 - nicht nachweisen können. Unstreitig ist auch den Bevollmächtigten des Antragstellers die Aufhebungsverfügung nicht vor dem 24. August 2010 bekannt geben worden. Deshalb kann offen bleiben, ob die fernmündliche Übermittlung der Aufhebungsentscheidung am 31. August 2010 und deren Übersendung am 8. September 2010 per Telefax an die Bevollmächtigten geeignet war, in entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG die Bekanntgabe an den Antragsteller zu ersetzen.

15 Demnach besteht kein Anlass dafür, von der Kostenbelastung des Bundes abzusehen.