Beschluss vom 29.01.2003 -
BVerwG 8 B 110.02ECLI:DE:BVerwG:2003:290103B8B110.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.01.2003 - 8 B 110.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:290103B8B110.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 110.02

  • VG Weimar - 24.04.2002 - AZ: 8 K 832/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 24. April 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 686,66 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.
Die von den Klägern geltend gemachte Grundsatzrüge des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO scheidet aus. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn die Beschwerde eine Rechtsfrage aufwirft, deren zu erwartende revisionsgerichtliche Klärung der Einheit oder der Fortentwicklung des Rechts zu dienen vermag. Eine solche klärungsbedürftige, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage hat die Beschwerde nicht aufwerfen können. Wann die Grundsätze der Verwirkung im öffentlichen Recht eingreifen, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits hinlänglich geklärt. Eine Verwirkung hat danach zur Voraussetzung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung ein längerer Zeitraum verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. BVerwGE 44, 339 <343>; 108, 93 <96>). Von einem solchen Anwendungsfall widersprüchlichen Verhaltens kann im vorliegenden Fall von vornherein nicht die Rede sein, da hier weder ein Rücknahmerecht längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist noch im Übrigen keine Umstände vorliegen, die eine verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Im Übrigen hat die Beschwerde nicht aufzeigen können, welche weiteren Erkenntnisse von grundsätzlicher Bedeutung ein Revisionsverfahren für eine Weiterentwicklung des Verwirkungsbegriffs im Verwaltungsrecht erbringen könnte.
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger weiterhin auf Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Der geltend gemachte Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO liegt nicht vor. Die tatsächliche Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts leidet nicht an Widersprüchen. Denn die vom Verwaltungsgericht getroffene Tatsachenfeststellung und die von ihm gegebene Begründung für seine Überzeugung erfolgen offensichtlich nach den Grundsätzen der Logik und den sonstigen Denk- und Erfahrungssätzen. Sie reichen damit aus, die vom Gericht gewonnene Überzeugung zu rechtfertigen. Die Beschwerde übersieht zudem, dass die Beweiswürdigung der Vorinstanz infolge der Regelung des § 137 Abs. 2 VwGO nur insoweit vom Revisionsgericht überprüft werden kann, als es um die Verletzung allgemein verbindlicher Beweiswürdigungsgrundsätze geht, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze, die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören. Eine Verletzung derartiger Grundsätze liegt jedoch nicht vor. In einer sorgfältigen Beweiswürdigung hat das Verwaltungsgericht auf S. 9 f. UA dargelegt, weshalb es nicht davon ausgeht, dass vor Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrags bereits eine Enteignung der betreffenden Grundstücksflächen durch faktischen Zugriff erfolgt ist. Die Würdigung der Aussage der Zeugin M. ist unter Zugrundelegung des aufgeführten engen Überprüfungsrahmens durch das Revisionsgericht nicht zu beanstanden. Entgegen den Darlegungen in der Beschwerdeschrift hat die Zeugin nichts aus eigener Anschauung zu den vor ihrer Eheschließung und vor ihrem Zuzug nach O. am 26. April 1953 sagen können. Auch die Auswertung der klägerseitig eingereichten Unterlagen durch das Verwaltungsgericht lässt keinen prozessualen Verstoß erkennen. Die Auswertung selbst ist wiederum eine Angelegenheit der Tatsachen- und Beweiswürdigung. Auch insoweit ist nur eine Überprüfung auf die Verletzung allgemein verbindlicher Beweiswürdigungsgrundsätze durch das Revisionsgericht möglich. Ein hier allenfalls in Betracht zu ziehender Verstoß gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze liegt aber erkennbar nicht vor. Denn das Verwaltungsgericht hat plausibel begründet, weshalb es den klägerseits eingereichten Unterlagen keine maßgebende Bedeutung für seine Überzeugungsbildung beimessen konnte (vgl. S. 10 UA). Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die nachträgliche Bezeichnung des Datums der Republikflucht als Tag des Übergangs der streitbefangenen Grundflächen für seine Überzeugungsbildung nicht relevant war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 14, 13 GKG.