Beschluss vom 29.01.2004 -
BVerwG 3 B 99.03ECLI:DE:BVerwG:2004:290104B3B99.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.01.2004 - 3 B 99.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:290104B3B99.03.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 99.03

  • VG Aachen - 22.07.2003 - AZ: VG 5 K 56/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 22. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 969,91 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt bzw. bezeichnet.
Der Kläger ist der Enkel der am 24. März 1989 verstorbenen F. G.; der Erbschein des Amtsgerichts Schleiden vom 3. Juli 1990 weist ihn als deren Alleinerben aus. Die Erblasserin war zuletzt Alleineigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten 864 m² großen Grundstücks in F. (...), ... Für den Verlust dieses Hauses wurde ihr auf ihren Antrag mit Bescheid des Beklagten vom 5. August 1981 eine Hauptentschädigung (zuzüglich eines Zinszuschlags) in Höhe von insgesamt 3 852,80 DM zuerkannt, der gemäß Mitteilung des Beklagten vom 10. November 1981 voll erfüllt wurde. Der Kläger wurde am 7. Januar 1991 als Eigentümer des o.g. Grundstücks eingetragen, nachdem er mit Schreiben vom 7. September 1990 dahin gehende Ansprüche angemeldet hatte. Der Beklagte forderte mit Rückforderungs- und Leistungsbescheid vom 6. September 2000 von dem Kläger Hauptentschädigung (zuzüglich eines Zinszuschlags) in Höhe von insgesamt 3 852,80 DM zurück. Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht durch das angefochtene Urteil abgewiesen; dabei hat es ihn nicht als Miterben gemeinsam mit seinem Vater, sondern als Alleinerben angesehen.
1. Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob "bei einer Miterbenposition mit Teilungsanordnung, die ausschließt, dass ein Miterbe in den Genuss des baren Lastenausgleichs gekommen ist, eine Erstattungspflicht nach § 349 LAG für diesen Miterben ausgeschlossen ist". Diese Frage rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Revision, weil sie nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Denn die Antwort ergibt sich zwingend unmittelbar aus dem Gesetz und liegt auf der Hand.
Nach § 349 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 LAG richtet sich die die Rückforderung von Lastenausgleichsleistungen gegen "Empfänger von Ausgleichsleistungen, deren Erben oder weitere Erben sowie bei einem der Nacherbfolge unterliegenden Vermögen gegen Nacherben, soweit diese oder ihre Rechtsnachfolger die Schadensausgleichsleistung erlangt haben". Das Gesetz knüpft die Rückzahlungspflicht hiernach an zwei Voraussetzungen:
Zum einem muss der Verpflichtete Empfänger einer Lastenausgleichsleistung oder dessen Erbe bzw. Erbeserbe sein. Zum anderen muss er in den Genuss der Schadensausgleichsleistung gekommen sein. Die erstgenannte Voraussetzung stellt nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht auf den Verbleib der Lastenausgleichsleistung nach ihrer Gewährung ab. Weder kann sich der Empfänger selbst darauf berufen, dass sie beim Erhalt der Schadensausgleichsleistung nicht mehr vorhanden gewesen sei, noch kann der Erbe des Empfängers geltend machen, sie sei ihm nicht zugeflossen, weil beispielsweise der Erblasser sie vor Eintritt des Erbfalls ersatzlos verbraucht habe. Die Bestimmung verlangt insoweit nur, dass der Verpflichtete oder sein Erblasser den Lastenausgleich erhalten hat. Dies steht auch im Einklang mit dem Ziel des Gesetzes, Doppelentschädigungen zu Lasten der öffentlichen Hand zu vermeiden (vgl. Urteil vom 20. Juni 2002 - BVerwG 3 C 1.02 - NJW 2002, 3189). Der Tatbestand der Doppelentschädigung ergibt sich im Falle des späteren Schadensausgleichs aus der ursprünglichen Lastenausgleichsgewährung ohne Rücksicht auf den Verbleib der Lastenausgleichsleistung.
Das Gesetz differenziert auch nicht zwischen Alleinerben und Miterben, sondern spricht generell von Erben. Dies stimmt mit der Regelung des § 2058 BGB überein, wonach Erben für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner haften. Entsprechend wird jeder Miterbe im Falle des (späteren) Schadensausgleichs wegen der Rückforderung des gesamten dem Erblasser gewährten Lastenausgleichs in die Pflicht genommen, soweit - entsprechend der zweiten Voraussetzung - ihm der Schadensausgleich zugeflossen ist (vgl. Gallenkamp in: Löbach/Kreuer, Das Lastenausgleichsrecht und offene Vermögensfragen, 2. Aufl., § 349 LAG Rn. 73).
Hiernach kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass ein Miterbe, der den Schadensausgleich erhalten hat, zur Rückzahlung des seinem Erblasser gewährten Lastenausgleichs unabhängig davon verpflichtet ist, ob der Lastenausgleich ihm im Rahmen seines Erbteils zugeflossen ist.
2. Die Voraussetzungen einer Divergenzrevision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind ebenfalls nicht gegeben. Eine die Revision eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in der angefochtenen Entscheidung eine Rechtsauffassung vertritt, die einem bestimmten, vom Bundesverwaltungsgericht, dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Eine derartige Abweichung wird in der Beschwerdeschrift nicht aufgezeigt.
Das angefochtene Urteil widerspricht nicht dem vom Kläger aus dem Urteil des Senats vom 20. Juni 2002 (a.a.O.) und dem Beschluss vom 10. Juni 1999 (BVerwG 3 B 157.98 ) hergeleiteten Satz, "dass nur der Erbe erstattungspflichtig ist nach den Grundsätzen des LAG, der auch die Ausgleichsleistung erlangt hat". Da das Verwaltungsgericht den Kläger - gleichgültig ob zu Recht oder zu Unrecht - als Alleinerben angesehen hat und er unstreitig Empfänger der Schadensausgleichsleistung ist, ist die vom Kläger postulierte Identität von Erbe des Lastenausgleichsempfängers und Empfänger des Schadensausgleichs im angefochtenen Urteil uneingeschränkt gegeben. Unter diesen Umständen bedarf keiner Erörterung, ob der Kläger mit dem zitier-
ten Satz dem Inhalt der beiden von ihm herangezogenen Entscheidungen des Senats gerecht wird.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers führt auch seine Verfahrensrüge nicht auf einen Zulassungsgrund für die begehrte Revision.
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann "bezeichnet" (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Ein den gesetzlichen Anforderungen genügendes Vorbringen setzt voraus, dass die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, den Mangel ergeben (Beschluss vom 18. März 1982 - BVerwG 9 CB 1076.81 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 35).
Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgericht zum einen einen Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und faires Verfahren (Art. 103 Abs. 1 GG) vor, der nach ihrer Auffassung in einer überraschenden Entscheidung zu sehen sei. So habe das Verwaltungsgericht "völlig überraschend auf eine zivilrechtliche Auslegung des Testaments entscheidend abgehoben, ohne dies zum Thema in der mündlichen Verhandlung zu machen". Seitens des Gerichts sei "in der mündlichen Verhandlung die Ausgleichspflicht als quasi am Grundstück 'klebend'" angesehen worden, "so wie 'eine Hypothek'. Hätte das Gericht judiziert wie verhandelt, dass nämlich die Erstattungspflicht am Grundstück 'hafte', so wäre dagegen die Revision ohne weiteres möglich gewesen." Zum anderen wird gerügt, dass der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge angebotene Vater des Klägers nicht gehört worden sei. Der Vater des Klägers habe Aussagen darüber treffen können, wie die Auslegung und Abwicklung des Testaments seiner Eltern erfolgt sei und was nach seiner Kenntnis der Wille der Erblasser gewesen sei. Darin sieht die Beschwerde einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO.
Eine Überraschungsentscheidung liegt im vorliegenden Fall nicht vor. Das setzte voraus, dass das Urteil auf neue Gesichtspunkte abstellte, mit denen ein verständiger Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Verlaufs des Verfahrens nicht rechnen konnte und musste (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51). Nachdem in dem angefochtenen Bescheid wie in dem Beschluss des Beschwerdeausschusses aufgrund des Erbscheins des Amtsgerichts S. vom 3. Juli 1990 angenommen wurde, dass der Kläger Alleinerbe seiner Großmutter sei, ist nicht nachzuvollziehen, aus welchem Grunde es für den Kläger überraschend gewesen sein soll, dass auch das Verwaltungsgericht dem gefolgt ist. Zwar trifft es zu, dass die aus § 2365 BGB folgende Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins widerleglich ist. Allerdings wird die Richtigkeit hier nicht etwa von einem ansonsten Berechtigten bezweifelt, der um sein Erbe gebracht würde. Vielmehr wendet derjenige, der offenbar den Erbschein gemäß § 2353 BGB selbst beantragt hat und mit Hilfe des Erbscheins als Eigentümer eines Hausgrundstücks eingetragen wurde, ein, er sei lediglich Miterbe geworden. Unabhängig davon, ob der Erbschein nun tatsächlich richtig ist oder nicht, ist es jedenfalls nicht überraschend, dass das Verwaltungsgericht unter diesen Umständen im Ergebnis von der Richtigkeit des Erbscheins ausgegangen ist. Zudem ist das Gericht zu einer vorherigen Mitteilung der beabsichtigten Würdigung des Prozessstoffs nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht verpflichtet, zumal sich diese regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (Beschluss vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - a.a.O. m.w.N.). Außerdem hätte zur Begründung der Verfahrensrüge als Zulassungsgrund jedenfalls der substantiierte Vortrag gehört, welche Tatsachen bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wären und dass diese Tatsachen zur Klärung der Rechtslage im Sinne der Partei geeignet gewesen wären (vgl. Beschluss vom 31. Juli 1985 - BVerwG 9 B 71.85 - NJW 1986, 3221). Diesen Vortrag lässt die Beschwerdebegründung vermissen. Außer der kaum nachvollziehbaren Behauptung, die Revision wäre ohne weiteres möglich gewesen, wenn das das Gericht "judiziert hätte, wie verhandelt", enthält sie keinen sachdienlichen Hinweis. Deshalb ist auch die für einen Zulassungsgrund notwendige Einschätzbarkeit, inwiefern das Urteil auf der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann oder für den Kläger günstiger ausgefallen wäre (vgl. dazu Urteil vom 5. Februar 1962 - BVerwG 6 C 154.60 - BVerwGE 13, 338, 339 ff.), nicht möglich. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihrer Rüge gegen
die ihrer Ansicht nach unrichtige Würdigung des Testaments durch das Verwaltungsgericht. Damit kann ein Verfahrensmangel aber nicht begründet werden.
Das Verwaltungsgericht hat - entgegen der Auffassung des Klägers - seine Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO), nicht dadurch verletzt, dass es den Vater des Klägers nicht als Zeuge vernommen hat. Diese Aufklärungsrüge scheitert bereits daran, dass von einer anwaltlich vertretenen Partei im Allgemeinen - so auch hier - erwartet werden kann, dass eine von ihr für notwendig erachtete Sachaufklärung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt wird. Wenn der Anwalt dies versäumt hat, kann sein Mandant eine mangelnde Sachaufklärung nicht mehr erfolgreich rügen (vgl. z.B. Urteil vom 27. Juli 1983 - BVerwG 9 C 541.82 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 146). Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der klägerische Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2003 keine Beweisanträge gestellt und in seinen die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen ebenfalls nicht auf die Zeugenvernehmung hingewirkt; eine bloße Beweisanregung - wie sie hier in der mündlichen Verhandlung erfolgt sein mag - genügt dafür nicht. Dem Gericht erwächst zwar eine Pflicht, - weitere - Ermittlungen anzustellen nicht nur durch Beweisanträge der Beteiligten (Beschluss vom 27. Dezember 1988 - BVerwG 3 B 29.88 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 36 m.w.N.). Es erforscht vielmehr nach § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Ein behaupteter Verstoß gegen die genannte Aufklärungspflicht muss allerdings substantiiert dargelegt werden, wozu namentlich auch die Angabe erforderlich ist, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Auch daran fehlt es hier. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich vielmehr darauf zu behaupten, der Vater des Klägers habe Aussagen darüber treffen können, wie "die Auslegung und Abwicklung des Testaments seiner Eltern erfolgt ist und was nach seiner Kenntnis der Wille der Erblasser war."
Davon abgesehen geht die Beschwerde davon aus, dass der Kläger bei richtiger Auslegung des Testaments als Miterbe und nicht als Alleinerbe anzusehen wäre. Das hätte jedoch - wie oben dargelegt - zu keiner anderen Folge hinsichtlich der Zahlungspflicht des Klägers geführt. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hätte daher die Klage selbst ohne die geltend gemachten Verfahrensfehler keinen Erfolg haben können. Diese sind folglich jedenfalls nicht ursächlich im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes folgt aus § 14 i.V.m § 13 Abs. 2 GKG.